Sonntag, 30. Juni 2024

Projekt "HUHN"

Ein ganz kleines bisschen quält mich schon das schlechte Gewissen. Denn eigentlich hatte ich ja selbst beschlossen, dass es keine Fahrzeugrestaurationsprojekte mehr geben soll.

Dennoch steht seit letzter Woche ein "neues, altes" Fahrzeug unter dem Carport vor unserer Haustür. Tatsächlich ist es 41 Jahre alt und einachsig. Wie... einachsig? Was soll das denn Seltsames sein? Na, ist doch ganz einfach: ein Anhänger! Genau genommen ist es ein Wohnwagen.


Vielleicht erinnert Ihr Euch noch an meine Reise zum Kampeerweekend im September 2023. Damals zog der kleine Wohnwagen KIP Kompakt KK300 vom holländischen K 70-Paar Barbara und Jaap van Riesen meine Aufmerksamkeit auf sich.

Er ist gerade mal so groß, dass meine 2 Meter und 5 darin liegen können und im Weiteren ist er ein vollwertig ausgestatteter Wohnwagen. Das erstaunliche an ihm ist, dass er sehr leicht ist, er bringt nämlich maximal nur 750 Kilo auf die Waage. Außerdem steigt seine Front aerodynamisch günstig schräg an und ist letztendlich kaum 2 Meter hoch. Unter diesen Gegebenheiten dürfte sogar ein K 70 mit ihm zurecht kommen.


Barbara und Jaap's KIP Kompakt KK300


Im letzten Sommerurlaub verbrachten wir ja ein paar Tage auf dem Campingplatz "Happy Holiday" in Ellenz-Poltersdorf an der Mosel. Dabei fiel uns auf, dass uns ein Wohnwagen durchaus nützlich sein könnte. Nicht, dass wir den Platz im REDSTAR nicht zu schätzen wüssten. Mit einem Wohnwagen hätten wir jedoch noch mehr Platz, könnten ihn immer vor Ort stehen lassen und mit unserem T3 Tagesausflüge unternehmen. Auch für den REDSTAR wäre ein kleiner Wohnwagen technisch kein Problem, schließlich ist er ja sogar mit SICILIANO über viele tausend Kilometer zurecht gekommen.


Letztes Jahr an der Mosel


Seit dem Kampeerweekend in Holland halte ich also nach einem kleinen KIP-Wohnwagen Ausschau. KIP heißt übrigens auf Deutsch Huhn - daher der Titel dieses Artikels.

Die einzige Wohnwagenfabrik in den Niederlanden, Firma KIP Caravans, ist seit 1934 in Hoogeveen/Drenthe, wenige Kilometer hinter der Grenze ansässig. Speziell ihre kleinen, leichten Wohnwagen haben aktuell Hochkonjunktur. Dahinter steckt nämlich der neue Markt der Elektroautos, deren Antriebskonzept das Ziehen schwerer Anhänger unattraktiv macht. Dementsprechend ist der Markt der leichten Wohnwagen aufgewühlt.

Dennoch ist uns ein Huhn ins Netz gegangen! Nach einer Besichtigungstour durch Ostwestfalen, Ostfriesland und Hannover entschieden wir uns für einen KIP Kompakt KK400 aus dem Jahr 1983 aus Neustadt am Rübenberge. Dieses Modell ist tatsächlich wenige Zentimeter größer als der KK300, noch angemeldet, muss erst im Mai nächsten Jahres wieder zu Hauptuntersuchung und Gasprüfung, verfügt über eine kleine Photovoltaikanlage sowie einen Flatscreen-TV an einer Satelliten-Anlage. Auf den ersten Blick macht der Wagen einen altersentsprechenden aber dennoch ordentlichen Eindruck. Auch der Preis passt.


Hat immer unter freiem Himmel zugebracht
 
 

Dieser KIP sucht ein Zuhause... und findet es bei uns!

Zuhause angekommen steht zunächst mal eine gründliche Reinigung der Außenhaut auf dem Programm. Offenbar war das Gefährt bisher nur unter freiem Himmel abgestellt. Ein moosiger oder algiger Belag lassen jedenfalls darauf schließen. Front- und Heckscheibe sind dicht, weisen aber altersentsprechende Beschädigungen und klägliche Reparaturversuche mit Silikon (o.ä.) auf. Alle anderen Fenster sind okay.

Das Aufstelldach lässt sich problemlos öffnen - doch auch hier sind natürlich Spuren der vergangenen Jahrzehnte zu erkennen, das Fliegengaze ist auf beiden Seiten eingerissen. Alle Möbel sind mit einer Folie im Holzdesign beklebt. Auf der gläsernen Kühlschranktür kleben Bilder von Fußbällen.

Die Polster der Sitzbänke laden nicht wirklich dazu ein, darauf zu nächtigen. Alle Gardinen und Vorhänge (wenn man sie überhaupt so nennen mag) werden augenblicklich des Wagens verwiesen, sie werden in Kürze durch Rollos ersetzt. Ob die Photovoltaikanlage wirklich funktioniert, wage ich nach der Sichtung der Batterien (normale Starterbatterien) zu bezweifeln. Der Laderegler blinkt zwar lustig und zeigt irgendwelche Zahlen und Symbole - aufschlussreiche Informationen bleiben aber aus. Eine dieser Anzeigen erhellende Bedienungsanleitung ist leider nicht zu finden.


Modisch etwas aus der Mode gekommen


Die PV-Anlage arbeitet IRGENDWIE, aber wie? Es blinkt, es zeigt an, es heißt mich immerhin "WELCOME"


Das kleine Mini-Solar-Modul ist mit 51 x 58cm etwas mickrig, stimmt's?

Als nächstes stelle ich fest, dass sich die Elektrik des Wohnwagens noch ein wenig gegen ihre Funktion sträubt. Dazu verbinde ich die mitgelieferten Bestandteile in Form einer Kabeltrommel und einer CEE-auf-Schuko-Kupplung mit der Außensteckdose. Doch weder der Kühlschrank noch mein mitgebrachtes Kofferradio, noch irgendeine Beleuchtung funktionieren. Im Kleiderschrank befindet sich ein Sicherungskasten, doch dort sind alle Schalter auf "on".

Irgendwann wird mir klar, dass der 230 Volt-Betrieb erst möglich ist, wenn ich die 12 Volt-Verbindung zum Zugfahrzeug trenne. Ergebnis: der Kühlschrank läuft, das Licht lässt sich schalten und auch mein Radio gibt laut.


Am verzinkten Unterboden auch nach über vierzig Jahren  kaum Rost
 

Viel (Dichtmasse) hilft viel?
Und was soll die Dichtmasse UNTER der Kederleiste bringen?

Hier oben hatte der Vorbesitzer immer seine Satellitenschüssel befestigt  

Ein paar Tage später bleibt mein Blick beim Öffnen der Wohnwagentür direkt an den Fußball-Aufklebern auf der Kühlschranktür hängen. Beim genauen Inspizieren der Tür stelle ich fest, dass sich die Aufkleber im Inneren der doppelt verglasten Scheibe befinden. Außerdem wird klar, dass dieser Kühlschrank eine Party-Minibar und offenbar nicht thermostatgeregelt ist d.h. dauerhaft läuft. Im Wohnwagen einen 230 Volt-Kompressor-Kühlschrank ständig laufen zu lassen, lässt einen hohen Stromverbrauch erwarten.

Deshalb zieht dieser Kühli leider aus. Bei seinem Ausbau entdecke ich auf beiden Seitenteilen des Gerätes eine schwarz-rot-goldene Beklebung - passend zur Fußball-Europameisterschaft biete ich nun also einen Minibar-Kühlschrank zum Verkauf an. Ein passender Absorber-Kühlschrank wird stattdessen Einzug halten.


Kühlschrank für Fußballfans... man beachte zudem die mit stylischer Holz-Deko-Folie beklebten Möbel

Ich habe für Fußball nichts über... nicht nur deshalb steht die kleine Minibar zum Verkauf


Nachdem Olivia die Holzdekorfolie von allen Möbeln gelöst hat, beginne ich den Kleiderschrank zu zerlegen. Er und der gegenüberstehende Küchenblock sollen geschliffen und neu lackiert werden. Ich bilde mir ein, dass die anliegenden Arbeiten spürbar besser im ausgebauten Zustand zu bewältigen sind. Die beiden in die Seitenwand gesägten Löcher für Steckdosen (für Fernseher und Sat-Receiver) sowie die Löcher für die TV-Halterung möchte ich wieder verschließen. Auch die untere Tür, an der die Elektroheizung sehr spartanisch befestigt und somit nicht mehr zu öffnen ist, möchte ich wieder reaktivieren.

Wir entscheiden, dass wir, da wir den Wohnwagen nur im Sommer nutzen, keine Heizung benötigen - erst recht keine 300/600 Watt-Heizung. Auch das Gerät fliegt dementsprechend raus.

Beim Ausbau des Schrankes entscheidet sich auch, dass die vollkommen falschen Batterien der Photovoltaikanlage, der Laderegler und sogar das Solarmodul auf dem Dach durch professionelle Bauteile ersetzt werden. Alles muss raus!

Apropos Dach: dort wird es zukünftig eine Dachhaube geben. Sie bringt ein wenig mehr Licht und regengeschützte Lüftung.

Im Außenbereich entferne ich zahlreiche nachträglich unprofessionell angebrachte Silikonabdichtungen. Die ungeeigneten Dichtmassen kleben teilweise wie Honig und binden daher Staub und Dreck - mal abgesehen davon, dass grobmotorisch breit aufgeschmierte Dichtmassen katastrophal aussehen. Ziel ist es jedenfalls, dem Wohnwagen "unten rum" ein neues Farbkleid zu geben, denn die ausgeblichenen, verwitterten roten Streifen lassen sich abrasiv sogar mit trockenem Tuch abtragen. Bis zur Linie unterhalb der Fenster soll das Fahrzeug daher rundum zukünftig blau-anthrazit werden.

Das Vorbild - Wie es uns gefällt


Nach diesem Muster möchten wir unseren KIP farblich gestalten

Auch das Interieur gefällt in diesen Farben


Der Schnitt unseres Wohnwagens unterscheidet sich etwas vom hier Gezeigten: wir haben hinten nur eine große Scheibe.


Es gibt also viel zu tun... Huhn... äääähhhh... KIP sei Dank!


Unser KIP bei der Abholung... schon fast zuhause

14. Juli: zwei Wochen später - work in progress - Bilder von der "Baustelle"


21. Juli: FERTIG! Bis auf ein paar Kleinigkeiten ist das Projekt "KIP KK 400" damit abgeschlossen! 

Die Elektrik war eine besondere Herausforderung,
viele Leitungen waren nicht geerdet: die gelbgrüne "Erde" einfach abgeschnitten oder schlicht nicht angeschlossen.
Zu den großen Solarmodulen habe ich einen passenden Solarregler und vernünftigen Spannungswandler (von 12V DC auf 230V AC) verbaut.

Die Wohnwagen-Elektrik hat nun eine elektronische Umschaltstation erhalten, die es uns ermöglicht, unsere 230 Volt-Verbraucher aus zwei unterschiedlichen Spannungsquellen (230 V öffentliches Stromnetz bzw. Spannungswandler für Sonnenstrom) zu nutzen.  

Die ursprüngliche Anlage war mit handelsüblichen Starterbatterien ausgerüstet (hergestellt für Thomas Philipps war darauf zu lesen... also das Billigste vom Billigen).

Wir speichern unseren Sonnenstrom zukünftig mit einem wesentlich professionelleren und geeigneteren AGM-Akku.


Der neue Absorber-Kühlschrank läuft entweder auf 12  oder auf 230 Volt

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