Samstag, 9. April 2022

Vierter STATUSREPORT zum silbernen VW K 70 von Sizilien


Mittlerweile kümmere ich mich seit einem halben Jahr darum, den sizilianischen K 70 für sein Dasein als Oldtimer vorzubereiten. (>>Dritter<<, >>Zweiter<<, >>Erster<< Statusreport).

Manipolazione attenta? Non proprio! - - - - - - - - - - - - - - Sorgsamer Umgang? Nicht wirklich!

Inzwischen habe ich viele Stellen und Bauteile an ihm entdeckt, die durchaus den Eindruck erwecken, dass der Wagen von seinem Vorbesitzer alles andere als schonend und pfleglich behandelt wurde - die Spuren einer rücksichtslosen Nutzung spiegeln nämlich genau das Gegenteil wider: der silberne 72er muss in seiner bisherigen Heimat wirklich gelitten haben.


Gebrauchsspuren am Unterboden...

... deutliche Narben und Blessuren...

... fast 50 Jahre sizilianischer Verkehr

Dettagli strani, Soluzioni siciliane - - - - - - - - - - - - - - Seltsame Details, sizilianische Lösungen

Viele Problemlösungen, die im Laufe der Zeit auf Sizilien am Ätna für diesen K 70 "gestrickt" wurden, sind genau genommen eine elende "Frickelei". Als größtes Vergehen darf dabei der lieblose und stellenweise unprofessionelle Einbau der Gasanlage gewertet werden.

Ein eher kleinerer Fauxpas ist dagegen zum Beispiel die am Kofferraumboden nachträglich eingeschweißte Halterung des Auspuffendtopfes. Dieser eigenen Erfindung vertraute der Konstrukteur allerdings wenig und sicherte daher den Auspuff vorsichtshalber zusätzlich mit einem serienmäßigen Stahlring (um den Endtopf) an den originalen Haken (am Wagenboden) mittels eines angeknoteten Nylonstricks - statt der serienmäßigen Gummiringe.


Sizilianische Eigenkonstruktion ganz hinten;
zusätzlicher Halter für den Endtopf

Der Auspuff war - wie eine Ziege am Baum - mit einem Nylonstrick an den originalen Haken angetüddelt

Weiterer Hokuspokus: der serienmäßig verbaute BKR (=Bremskraftregler) an der linken Seite der Hinterachse glänzt durch Abwesenheit. Ein sizilianischer KFZ-Fachmann hat ihn mit einem simplen Bremsschlauch einfach überbrückt. Bezüglich der Wirkung eines Bremskraftreglers schien dem südeuropäischen Spezialisten offenbar jegliches Wissen abhanden gekommen zu sein. Wozu ein Bremskraftregler? Das Wort kann ein Sizilianer nicht mal unfallfrei aussprechen. Der Google-Übersetzer sagt, das Ding heißt auf Italienisch "Regolatore di forza frenante"... ich bezweifele aber, dass DAS wirklich stimmt.  Na ja - ohne BKR spart man wenigstens Gewicht - ich hab's extra mal ausgewogen: immerhin nahezu 750 Gramm!


Hier hätte ein Bremskraftregler sitzen müssen... das wird demnächst wieder original sein!

Cura di tutte le ferite - - - - - - - - - - - - - - Versorgung aller Wunden

Meine Reinigung des Motorraums gestaltete sich diffizil. Konstruktionsbedingt ist die Bewegungsfreiheit dort natürlich eh sehr eingeschränkt. Bestimmte Bauteile wurden deshalb von mir zunächst demontiert, das jeweilige Bauteil und sein Umfeld gesäubert und hinterher wieder montiert. So benötigte ich je Seite des Motorraums jeweils einen Samstag.


Nach meiner Säuberung sieht der Motorraum...

... schon wieder ganz manierlich aus, oder?

Im Milieu der Batterie zeigten sich deutliche Säurespuren - Anzeichen einer einstmals übergekochten Batterie. Es wird sich damals - wie auch nicht anders zu erwarten - leider niemand um die Folgeschäden durch die ausgelaufene Batteriesäure gekümmert haben.

Der Lack in diesem verätzten Bereich hat demzufolge das Zeitliche gesegnet. Das darunter befindliche Blech war somit für alle Einflüsse offen. Folglich nistete sich Rost ein. Der ärgerlichste Schaden saß dabei natürlich mal wieder im Verborgenen, nämlich UNTER dem Batteriekasten. Eine Stelle, an die man durch das verbaute Abgashosenrohr nur sehr bedingt gelangen kann.


Das Batteriefach war ziemlich verrostet

... oberhalb des Batteriefachs unter dem Windleitblech - 
ist alles wieder clean

Also demontierte ich auch den kompletten Abgasstrang und entrostete ihn. Dabei floss (bei JEDEM meiner handwerklichen Einsätze gehört das normalerweise zum guten Ton! Es ging bisher schon erstaunlich lange gut!) mal wieder Blut.

Ich hatte an meine Flex zum Arbeitsgang des Entrostens eine Stahlbürste montiert. Leider löste sich im Betrieb die Schutzabdeckung (der Flex), blockierte die Bürste und katapultierte die Maschine durch den enormen Schwung infolge hoher Drehzahl aus meiner Hand. Dabei hinterließ sie einen tiefen Einschnitt am Zeige- und Mittelfinger meiner rechten Hand. Ich blutete sofort wie ein Schwein! Die Maschine lief weiter, trudelte tanzend über den Boden auf mich zu und war nur durch einen beherzten Kick mit dem Fuß von mir zu entfernen. Geistesgegenwärtig zog ich einfach den Stecker... und es trat Ruhe ein! Nun ist der Sizilianer mit meinem Blut geweiht!

Sonst passiert sowas normalerweise immer nur mit irgendwelchen italienischen Madonnenstatuen - in deren Reihe findet sich jetzt eben auch der silberne sizilianische K 70 ein.


... die Flex war's!

Die Finger sind glücklicherweise noch dran!

Die Motorhaube... habe ich für die Bearbeitung von unten vorsichtshalber ausgebaut. Mein Ziel war es, ihr wieder ein einigermaßen sauberes Aussehen zu verleihen. Um den Unterschied darzustellen, bearbeitete ich sie zunächst nur halbseitig. Mit der bereits im ersten Statusreport erwähnten und bewährten Schleifpolitur und einem Lappen rückte ich ihr stundenlang Quadratzentimeter für Quadratzentimeter zu Leibe.

Der graue Schleier auf der Unterseite der Haube bestand hauptsächlich aus fein verteiltem uraltem öligem und leider sehr hartnäckigem Siff. Es fiel mir zudem auf, wie erstaunlich verwinkelt und verkantet so eine K 70-Motorhaube von unten doch ist. Noch viel erstaunlicher war dann das beeindruckende Putz-Ergebnis. Für die gesamte Haube ging schließlich ein kompletter Samstag drauf.


Motorhaube im klassischen Vorher - Nachher - Vergleich - krass, nech?


Das rechte Radhaus reinigte ich gründlich. Auch hier fand ich wieder die Spur rauhen Umgangs - eine rostige, üble Abschürfung im vorderen Bereich oberhalb des Rades. Wie konnte es an dieser Stelle zu einer solchen Beschädigung kommen? Es ist einfach nicht nachvollziehbar.

Ein Stück der Gasleitung (vom längst ausgebauten Gastank von hinten nach vorn in den Motorraum) war noch zu entfernen. Die Durchführungen durch das Blech habe ich entrostet und mit Karosseriedichtmasse verfüllt. An diesen Stellen zu schweißen halte ich nicht für ratsam.


Lackiertes Radhaus vorn rechts

Lackiertes Radhaus hinten links

Ich könnt' mich aufregen: wie entsteht so ein Schaden? Da war
doch offenbar rohe Gewalt im Spiel

Ich gebe ja zu, dass an dieser schlecht zugänglichen Stelle ein Ausbeulen echt schwierig ist

Am Ende ist auch das Radhaus vorn links ausgebeult und frisch lackiert

Die große Tasche - hinter dem Federbein zum inneren Dom hin (s. nächste Fotos) - werde ich bei passender Gelegenheit noch fein säuberlich verschließen. Diese Lösung habe ich mir einfallen lassen, weil mir der Sinn dieser Tasche einfach nicht klar werden will. Wie durch einen Trichter wird hier Spritzwasser und Straßenschmutz gesammelt und in die Längsträger (führen von der Front bis unter Fahrer- bzw. Beifahrersitz) geleitet. Diese sind an entsprechender Stelle mit einem Schlitz versehen, so daß aller Unrat und Feuchtigkeit (auch Salzwasser im Winter) in die (zur Zeit der Fahrzeugproduktion gängige Machart) nicht rostgeschützten Längsträger gelangen.

Jeder K 70-Eigner und Restaurateur weiß von diesen gern durchrostenden Trägern - meines Erachtens ein Fall von konstruktiver Sollroststelle, im Fachjargon auch geplante Obsoleszenz genannt. Ihr ist halt nur durch Modifizierung in Form von Reinigung, Versiegelung und Verschließung des unnützen Hohlraums beizukommen.


Radhaus und Federbeindom (rechte Fahrzeugseite) von innen, vom Motorraum, aus gesehen

Der im Radhaus verborgene Trichter (farbig kenntlich gemacht), durch den von außen Dreck und Feuchtigkeit in den ungeschützten Längsträger gelangt

Der gleiche Trichter (oben links neben der Federbeindurchführung) von unten...

... dort (roter Bereich) gelangt der Dreck aus dem Spritzwasserbereich des Kotflügels in den Längsträger

Der Federbeindom senkrecht von oben... an dieser Stelle mündet er direkt über eine Öffnung in den Längsträger

Viel Zeit nahmen der Motor und seine Anbauteile in Anspruch. Ansaugbrücke, Vergaser, Anlasser, Wasserpumpe und Gehäuse wurden demontiert.

In die Ansaugbrücke hatte der sizilianische Gasanlagenspezialist ein Loch gebohrt - sie wurde durch ein aufgearbeitetes Exemplar aus meinem Lagerbestand ersetzt.

Der alte Startautomatik-Vergaser wurde durch einen nigelnagelneuen aber originalen Choke-Vergaser ersetzt.

Der Anlasser wurde ausgebaut und gereinigt - ich hoffe, er verrichtet seinen Dienst noch ein Weilchen.

Eine Wasserpumpe lag dem Fahrzeug beim Kauf bei - ich hoffe sie hält dicht! Ein passendes Wasserpumpengehäuse (ohne Kühlwasseranschluß für eine Startautomatik) erhielt ich freundlicherweise von Peter Rodenberg vom K 70-Kompetenzzentrum Westerwald.

Sämtliche Kühlwasserschläuche sind entweder neu, oder zumindest überprüft und aufgearbeitet. Alles überflüssige Geraffel entstammte zumeist dem sizilianischen Gasumbau und musste sich daher selbstredend verabschieden.


Auf diesem Foto ist auch noch das gammelige Batteriefach (hinter dem linken Federbeindom) zu erkennen

Ich plane nun in Bälde, die komplette Kühlwasseranlage mit Leitungswasser zu spülen. Eine Vorrichtung dazu entsteht zur Zeit in meinem Kopf.

Anschließend statte ich den Motor mit neuen Zündkerzen, einer neuen Zündanlage (Kontakt, Kabel, Verteiler etc.) aus. Der uralte Kraftstoff wird aus dem Tank abgelassen und durch neuen Sprit ersetzt. Der Motor erhält einen Ölwechsel... und dann endlich kommt der große Augenblick - das Triebwerk soll gestartet werden... noch nie habe ich diesen Motor gehört. Es wird spannend!

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4 Kommentare:

  1. Toll! Aber eigentlich ganz normal das er nach den Jahren solche Spuren trägt. Bei uns waren sie halt ganz schnell weggerostet. Was macht eigentlich der gelbe K70?

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    1. Hi Christoph,

      na ja... natürlich sind 50 Jahre vergangen. Aber bei auch nur annähernd pfleglichem Umgang wären dem Wagen bestimmte Beschädigungen sicher erspart geblieben.

      Der Sohn des ehemaligen Besitzers betonte, dass sein Vater (und wohl auch die Familie) dieses Auto geliebt haben. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie ein Fahrzeug ausgesehen hätte, das ungeliebt gewesen wäre.

      Letztendlich ist es natürlich vollkommen egal - Dottore Fisichella kann ich betreffs seiner Einstellung zu seinem Auto nicht mehr befragen. Er ist wohl schon vor etwa zehn Jahren mit etwa 90 Jahren verstorben.

      Er war halt ein echter Sizilianer. Wie die Auto fahren, erlebe ich ja schon seit über dreißig Jahren im Urlaub. Die lassen es manchmal schon richtig krachen. Auf's Material wird da wenig Rücksicht genommen. Das Temperament braucht halt auch mal freien Lauf.

      Der gelbe K 70 steht tatsächlich immer noch im K 70 Kompetenzzentrum im Westerwald. Im Mai werde ich da mal hinfahren. Zusammen mit der K 70-Kompetenz Markus Retz soll dem harten Motorlauf endlich auf den Grund gegangen werden - ich hoffe, dass das Urteil nicht so hart ausfällt und wir einen behebbaren Fehler finden. Auch über diese Mission werde ich hier in meinem Blog natürlich berichten.

      Gruß aus Niedersachsen ins Schwabenland

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    2. Ja in den südlichen Länder oder auch in Frankreich werden Fahrzeuge häufig rustikal behandelt. In stand vor fast 40 Jahren fassungslos in Paris als ich gesehen habe wie dort gefahren und vor allem eingeparkt wird. Na dann ich bei dem gelben die Daumen, der steht doch da jetzt aich schon etwas länger? Ja es wir halt schwierig mit vielen Fahrzeugen.

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    3. Er steht da seit 2018: https://el-gigante.blogspot.com/2018/07/k-70-werft-4-teil.html also bereits seit über vier Jahren.

      Aber irgendwas kommt immer dazwischen - deshalb zieht es sich... und zieht sich...

      Momentan hätte ich auf der heimischen Scholle gar keinen Platz für ihn. Im Westerwald steht er trocken in einer Halle (https://youtu.be/6bKnTp_MsuQ)... in Gesellschaft von vier anderen K 70 und vielen anderen alten Fahrzeugen meines Freundes Peter Rodenberg (https://youtu.be/SOarvXxrzoA).

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