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Es erwischte mich eiskalt am 1. April 1985.
Schon seit Jahren verfolgte mich der flehende wenn auch unerbitterliche Ruf des deutschen Vaterlandes, der Pflicht jeden jungen Mannes meines Alters gefälligst nachzukommen. Da ich mir jedoch von einem Engagement als Soldat keinen Sinn versprach, betrachtete ich diesen nationalen Wunsch mit wenig Interesse.
So konnte ich zu Anfang aufgrund meines noch unvollendeten schulischen Werdeganges dem Barras entkommen. Außerdem ergab mein, dem schnellen pubertären Wachstum geschuldeter Wirbelsäulenschaden bei der ersten Musterung glücklicherweise einen Tauglichkeitsgrad, der den problemlosen Einsatz in der Truppe verhinderte.
Doch die Zeiten änderten sich. Plötzlich fehlte es bundesweit an Wehrpflichtigen. Nach mehreren erneuten Musterungen wurde meine Tauglichkeit einfach dem Bedarf angepasst.
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Das Kreiswehrersatzamt ließ nicht mehr mit sich handeln, als ich mein für das Studium zu absolvierendes Praktikum noch ein wenig verlängern wollte. Es erging ein Einberufungsbefehl, dem ich pünktlich und ohne Widerrede Folge zu leisten hatte. Punkt – aus - basta!
Die Bundeswehr bildete mich zum Fernschreiber aus. Ich musste das Natoalphabet lernen, konnte Lochstreifen als mechanisches Speichermedium entschlüsseln und lernte sämtliche Regeln und Bundeswehrnormen dieses Kommunikationsmittels kennen und anzuwenden.
Natürlich beinhaltete die Ausbildung auch einen militärischen Teil. Antreten, Kleiderordnung, Dienstvorschrift, Spindkontrolle, Marschieren, Grüßen, Melden, Schießen mit P1 und G3 standen im Fokus der Dienstpläne dieser ersten drei Monate.
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Mittendrin statt nur dabei – beim Bund musste ein Haufen zwangskasernierter Jungs miteinander auskommen. Obwohl unsere „Stube“ normalerweise für vier Personen ausgelegt war, teilte ich sie nur mit Olaf aus Empel-Rees/Niederrhein und Elmar aus dem Münsterland.
An dieser Stelle sei noch mal erwähnt, dass ich auch schon mit 23 Jahren über ein Körpermaß von 2,05 Meter verfügte und damit bei der Bundeswehr mein Anrecht auf ein „extralanges“ Bett durchsetzen konnte. Typisch für diesen Laden, hatte man also ganz pragmatisch den Rahmen einer herkömmlichen BW-Bettstelle um 30 Zentimeter durch Anschweissen verlängert... natürlich gab es dazu aber weder eine passende Matratze noch ein extra langes Laken, geschweige denn eine für meine Länge ausreichende Bettdecke. Das bei der Matratze entstandene Defizit gab den Blick frei auf eine eher historische Kombination aus Stahlfedern, Draht und Haken des Sprungrahmens – ich organisierte für diesen Zweck ein Stück Schaumstoff.
Auch schön: der altertümliche Sprungrahmen hatte eh einen Federungskomfort wie eine Hängematte, was sich durch die Verlängerung noch verstärkte. Man versuche zum Erlebnis dieses Schlafkomforts einmal, in einer Hängematte in Bauchlage zu liegen. Da dieses Bett natürlich nicht in der üblichen Form als Etagenbett ausgeführt werden konnte, passten also in unsere Stube nur drei Betten. In den folgenden Tagen war mein Bett wichtiger Sightseeing-Punkt des gesamten Zuges.
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Olaf und Elmar, jene Kameraden, mit denen ich die Stube teilte, waren angenehme Leidensgenossen. Beide waren jünger als ich.
Olaf war von Beruf Banker. Als Kleinstem und Unauffälligstem der gesamten Kompanie steckte ihm stets der Schalk im Nacken. Da er Raucher und zugleich an der holländischen Grenze beheimatet war, mischte er regelmäßig seltsame Zutaten in seine Selbstgedrehten. Einmal kam ich kurz vor dem Zapfenstreich aus dem Wochenende in die total zugeschmökte Stube. Olafs Rauch hing zum Schneiden dicke im Raum (da half kein Nebelhorn, da half kein Doppelkorn, da musste man durch!), stank erbärmlich und ich hörte mich mit erstickter Stimme und heftigem Kratzen im Hals fragen, ob er sich vielleicht gerade seine eigene Matratze durch die Lunge zog.
Bei anderer Gelegenheit stopften wir ihm Haare und Gummibänder in die schon zurechtgelegten Tüten... was ihn jedoch wenig beeindruckte, wenn er es denn überhaupt bemerkt hätte.
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Eine weitere Leidenschaft gehörte dem mehr oder weniger gepflegten Bierchen. „Hat die Kneipe schon lllooos? Die sollen schon mal paar Kannen kalllt stelllen“ hörten wir von ihm häufig kurz nach Dienstschluß. Doch selbst vor billigstem Dosenbier (ALDI's Rache), und auch ganzen Bierkisten war unsere Stube nicht sicher.
Problematisch waren dann immer die unregelmäßigen Spindkontrollen, in denen es dann natürlich zu teilweise dramatischen Situationen kam. Dem Spieß kullerten mal laut klöternd Dutzende von vollen und leeren Bierdosen aus Olafs unverschlossenem Wertfach vor die Stiefel oder ein anderer Vorgesetzter musste grinsend über die Kiste Bier unter seinem Bett hinwegsehen, während wir mit angehaltenem Atem ein Donnerwetter erwarteten. Doch es geschah meist nichts.
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Elmar machte im zivilen Leben irgendeinen Bürojob. Er war ein eher ruhiger Vertreter, ließ sich aber mehr und mehr durch unsere lustigen Aktionen anstecken.
Wie ich, rauchte er nicht – höchstens mit – schließlich schlief er im Bett über Olaf – und damit in dessen Rauchabzugsbereich. Elmar trank auch selten. Doch wenn, dann wurde es extrem lustig und auch laut.
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Auch aus anderer Sicht war unsere Stube speziell. Wir hatten beim „Einzug“ erfahren, dass die Unterkunft der Kompanie nach unserem Grundwehrdienst abgerissen werden sollte. Man kann sich leicht vorstellen, dass dem Gebäude diese Zukunft schon jetzt anzumerken war. Alles an ihm sah ziemlich abgerockt und fertig aus. Darum wurde uns auch gestattet, die Wände mit Postern u.ä. zu bekleben.
So fertigte ich für diesen Zweck aus dem Griff einer alten Plastiktüte und einem Stück Pappe den „Griff zum Wegwerfen“ oder neben einem in Kopfhöhe aufgeklebten Schaumstoffrest meiner Matratzenverlängerung stand „Bitte bei Bedarf in das Frustkissen schlagen!“... was auch häufig und von vielen Kameraden unseres Zuges gern genutzt wurde.
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Ein besonderes Ärgernis war regelmäßig das Ritual des Weckens. Wobei uns weniger das abgedrehte allmorgendliche Rumgebrülle des UVDs „Kompaniiiiiiiiiieeeee aaaauufsteeeeeeeehn!“ nervte. Immer wieder wurde anschließend die Stubentür regelrecht rambomäßig aufgesprengt und das Licht angeschaltet. Leise klickernd wurden vier Neonröhren mit der Farbtemperatur ähnlich des Sonnenlichts vom elektrischen Starter in Funktion gebracht. Und ich hatte nicht mal ein Etagenbett über mir, das mich wenigstens ein bisschen vor dieser tödlichen Strahlung hätte schützen können.
Von den Qualitäten seiner frühmorgendlichen Lichttherapie überzeugt, stampfte nun der unteroffizierende, mächtige Herrscher des Lichts weiter auf seinem Weg über sämtliche Flure und Etagen. Körperverletzt aus der nächtlichen Dunkelheit gerissen, waren wir uns sicher, dass diese grelle Helligkeit nur das „weisse, helle Licht“ aus Nahtodberichten sein konnte. Doch wir waren nicht tot.
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Diese Erkenntnis brachte mich dann auch ziemlich schnell zu einer prima Idee: ich bastelte zur Verwunderung meiner beiden Stubenkameraden eine Art Lichtreflexionsschirm aus Wellpappe, der genau auf die Konstruktionen der nackten Deckenlampen passte. Dazu brachte ich mehrere Pappstreifen auf die Länge dieser Lampen und verband sie parallel zueinander stehend mit gleichen Pappstreifen der Lampenbreite, ebenfalls in regelmäßigen paralellen Abständen. Das ganze klebte ich mit Klebeband an die Deckenleuchten. Sofort durchströmte den Raum ein warmes und vor allem blendfreies Licht.
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An die Decke klebte ich übrigens auch einen Zettel mit der Nummer der Braut des Soldaten, des Gewehrs. Ich konnte mir diese Zahlenkombination einfach nicht merken. Direkt über dem Kopfende meines Bettes an der Zimmerdecke hatte ich sie nun ständig beim Aufwachen und Einschlafen vor den Augen, was sie mir quasi „im Schlaf“ einprägte.
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Auch die Allgemeinheit, sprich den ganzen Zug, ließ ich an meinen Erfindungen teilhaben und von ihnen profitieren. Als wir uns mal zur stillen Beschäftigung auf die Stuben zurückziehen sollten, fielen mir ein paar Kabel auf, die aus einem Lautsprecher, wie er in jeder Stube ganz oben in einer Zimmerecke saß, hingen. Hin und wieder machte dort der UVD Durchsagen im Stil von „Flieger Meyer sofort zum Telefon...“ oder „1. Zug im Hof antreten!“.
Offensichtlich waren diese Boxen alle miteinander verbunden... Apropos verbunden: ich fand eine Möglichkeit, mein kleines Kofferradio dort anzuschließen! Und schon hatte unser ganzer Zug, die komplette Etage, musikalische Unterhaltung wie in einem Kaufhaus. Alle Kameraden waren begeistert. Einige Vorgesetzte wunderte zwar diese unterhaltsame Erungenschaft. Da ich mein Kofferradio jedoch auf einem Spind versteckt hielt, entdeckten sie den feindlichen Musiksender nicht.
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Wie es dazu kam, dass ich Zugsprecher wurde und was eine "Ausbilder-Hit-Liste" ist... demnächst: in >>"Ja, ich war Bundeswehrsoldat ... Teil 2"<<. |
Alte Autos und Urlaub... sind bei Weitem nicht alle Themen, über die ich hier erzähle.
Andreas Kernke
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Freitag, 20. Mai 2011
Ja, ich war Bundeswehrsoldat, ein toller Typ... Teil 1
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Bester El,
AntwortenLöschenist lache laut und sehe hier meine Comics aus der Zeit kurz nach deiner in Schriftform erblühen :-)
Großartig.
Die Lampenblende hat ganz einfach Stil.
Ich werde dich mal bei Facebook verlinken...
Sandmann
Danke Sandmann,
AntwortenLöschenaus heutiger Sicht MUSSTE man als halbwegs normaler Mensch locker und lässig über seiner Zwangskaserierung stehen...
ICH konnte und wollte das ganze Theater jedenfalls nicht ernst nehmen - das Ergebnis ist diese Geschichte :-)
Danke auch für deine Empfehlung bei Facebook.
El
Ich habe Dein Schicksal im III. Quartal 1983 geteilt. Auch als Fernschreiber, auch in einer Dreibettstube "oben ganz links". Gruppenführer Uffz Zimmermann, Zugführer Fw Gerhard - oder so.
AntwortenLöschenIch war vor ein paar Tagen nochmal in dem Gebäude - ist jetzt echt runter, mit Wasserschaden in der Decke und im Parkett. Die Lautsprecheranlage funktionierte zu meiner Zeit noch und wurde von UvD/GvD genutzt: "Kompanie hör'n, Kompanie hör'n! ..." Ich hab's noch im Ohr...
mom bt ... Kennst Du denn noch Uffz Nowak?
AntwortenLöschenHallo det_r,
Löschenwie bist Du denn in das Gebäude gelangt? Ich war vor etwa einem Jahr dort und habe mich ziemlich über einen unfreundlichen Abriss-Arbeiter geärgert - guckst Du hier: http://el-gigante.blogspot.de/2014/05/letzter-besuch-in-der-grunen-holle.html
Und: jetzt, wo Du den Namen nennst - es ist ja schon lange her, aber ich meine, Uffz Nowak war zu meiner Zeit StUffz und im 2. Teil meiner Bundeswehr-Geschichte (http://el-gigante.blogspot.de/2011/05/ja-ich-war-bundeswehrsoldat-ein-toller_14.html) der "StUffz Fliege", mit dem ich mich so knackig angelegt habe (bzw. er mit mir). Bei manchen Menschen wüsste ich echt gern, was aus denen später geworden ist. Dieser StUffz schreibt wahrscheinlich heute Falschparker in Hamburg auf... oder ist GEZ-Fahnder geworden :-)
Wer war denn ab juli 67 dort zur grundi und kennt den verbleib vom goa hinrichs?
AntwortenLöschenWar von Januar 73 - April 73 in der 2. Kompanie?? bei den Flugfunkmechanikern. Den
AntwortenLöschenLuxus einer 3er Stube hatte damals niemand, wir waren 10!! Alles ganz entspannt, wenig
militärisches aber tief in die Funktechnik eingestiegen. Gute Kameradschaft und immer
viel Spaß. Die Ausbildung an P1, G3 um MG war nicht wirklich vertieft worden, wir hätten uns kaum selber verteidigen können.
Gruß
Rüdiger H.
Hallo Andreas,
AntwortenLöschengerade Deinen Blog hier gesehen und mich köstlich amüsiert und an die damalagie Zeit erinnert. Ich war zur gleichen Zeit in der Grundausbildung in Pinneberg und im gleichen Gebäude untergebracht. Nur im Erdgeschoss. Unsere Ausbilder waren damals HFw Werner, StUffz Zimmermann, Fw Kubik (oder so ähnlich - er machte immer ein Walross nach) und ein noch ein Flieger, der gerade seine Grundausbildung hinter sich gebracht hatte.
Gut geschriebene Geschichte (Daumen hoch).
Viele Grüße
Hermann
Danke Hermann,
Löschen11 Jahre gibt es diesen Bericht jetzt - ich hätte wirklich nie gedacht, dass die Erzählungen von meiner Wehrpflichtzeit, die nunmehr 37 Jahre her ist, offensichtlich so unterhaltsam sind und daher super gern gelesen werden. Dabei habe ich meine Erlebnisse damals nur in meinem Blog aufgeschrieben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.
Ich wundere mich, dass ausgerechnet meine Bundeswehrgeschichte die meistgelesenen Beiträge dieses Blogs sind - und das, obwohl ich überhaupt nicht Bundeswehr-affin bin. Unverhoft kommt oft - so ist halt das Leben!
Weiterhin viel Spaß!
Gruß
Andreas
Vom 1. Januar bis zum 31.März 1968 hatte ich das „ Vergnügen“, dort meine Grundausbildung zu machen. Die schlimmste Zeit meines Lebens. Der Kompaniechef, ich glaube er hieß Hauptmann Bubke, war der einzige, der noch normal rüber kam. Am schlimmsten war so ein kleiner dicker Gefreiter als Gruppenführer. Konnte sich wunderbar daran ergötzen, uns zu quälen. Beim Stubendurchgang am Samstag wurden hauptsächlich die Hosenbeine der Trainingsanzüge von innen inspiziert. Wenn was drin war, war es Essig mit der Heimfahrt ins Ruhrgebiet, der Zug war weg. Das Essen war super, habe in den 3 Monaten trotz Normalgewicht 22 kg abgenommen.
AntwortenLöschenIch glaube, dass man sämtliche Epas aus ganz Deutschland zum Verbrauchen in dieser Zeit in Pinneberg verarbeiten musste. Naja, beim Handballspielen, bei dem die Ausbilder mitgespielt hatten, konnte man sich ein bißchen „revanchieren“.
Moin,
AntwortenLöschenauch ich erinnere mich, meist gerne, an meine Zeit in Pinneberg. Ich durfte die Anstalt von Okt.-Dez. 1986 besuchen.
Stuffz. Zimmermann war mein Gruppenführer. Wer die anderen Ausbilder waren, weiß ich nicht mehr.
Erinnern tue ich mich gerne an den Kompaniechef, der vor der ersten Heimfahrt in Uniform meinte, wir sollten die zweifarbigen Uniformen in Hamburg meiden. Die wären deswegen zweifarbig, damit die Jungs es beim Anziehen nicht verwechseln.
Aber seit ihr Euch sicher, das Eure Unterkunft ganz hinten beim Landeplatz war (das wo auch das Gelöbnis stattfand)?
Meiner Erinnerung nach hatten wir unsere Stuben gleich im erste Gebäude rechts nach den Unterrichtsräumen.
Übrigens: Auch ich war Schreibfunker... ;-)
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