Dienstag, 1. Oktober 2024

Sicilia per un mese

* Sizilien für einen Monat

Alles beginnt mit einer Rallye...

Weil meine allererste Sizilienreise bereits vor 35 Jahren stattfand und ich die größte Mittelmeerinsel seitdem leider immer nur in unregelmäßigen Abständen besuchen konnte, komme ich nun in diesem Jahr auf den 17. oder 18. Aufenthalt in Menfi.

Dieses Mal verbinden wir den Urlaubsstart mit der Teilnahme an der Food Rallye in Neuwied, zu der wir gemeinsam mit unseren Nachbarn Jasmin und Dominique antreten. Zur Übernachtung wählen wir einen Campingplatz in Bad Hönningen, was uns ganz nebenbei auch schnell in Urlaubsstimmung versetzt.

So können wir am Montag nach der Oldtimer-Rallye schon relativ entspannt nach Genua reisen.


Express in den Süden

Wir waren schon oft unterwegs durch die Alpen

Tschüss Deutschland

Grüezi... wir sind in der Schweiz

Diesen ersten Teil...

... über 800 Kilometer pilotiert Olivia unseren REDSTAR.

In Vesima, nur wenige Kilometer östlich von Genua, findet sie durch Zufall dann nachts um halb drei einen Campingplatz, dessen Nachtportier uns zunächst auf einem Notplatz übernachten lässt, morgens bekommen wir dann einen richtigen Stellplatz. Da unsere Fähre erst am Mittwochnachmittag ablegt, nutzen wir den Dienstag zum Ausruhen.

Der Campingplatz verfügt über einen Strand, zu dem man allerdings nur unter der unmittelbar benachbarten Bahnlinie hindurch gelangt. Der Strand erinnert mich persönlich an die verpönten, heimischen Schottergärten. Deren Besitzer würden sich hier dementsprechend wohl fühlen. Der Zugang zum ansonsten kristallklaren, warmen Wasser wird durch die Steine arg erschwert - dennoch gelingt uns ein für diesen Urlaub erstes, erfrischendes Bad im Mittelmeer.


Der Morgen danach

Immerhin - das Meer ist zu sehen

Am Mittwoch brechen wir rechtzeitig auf, um uns noch ein wenig in westlicher Richtung an der Küste umzuschauen. Von hier dürften es noch etwa 200 Kilometer bis ins benachbarte Fürstentum Monaco sein.

Die Orte ähneln sich alle sehr, aber diese Küste bietet uns offenbar grundsätzlich keine neuen Eindrücke. Obwohl wir ja in der Nachsaison unterwegs sind, tummeln sich hier immer noch viele Touristen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was hier in der Hochsaison los ist.


Blick Richtung Westen im einen...

... und in einem ganz anderen Ort - irgendwie ohne große Unterschiede

Entsprechend unserer ungeschriebenen Regel "Wo viele Touris sind, sind wir nicht!" entscheiden wir spontan, umzukehren und die östliche Küste Genuas zu durchstreifen.

Genua selber ist - ehrlich gesagt - eine schmutzige, laute, hektische Hafenstadt und wie ein Termitenhaufen von unzähligen Straßentunneln untergraben. Tausende PKW, LKW, Busse und - vor allem - Roller, Motorräder und Fahrräder sorgen hier tagtäglich für ein heilloses Verkehrsgewühl.

In östlicher Richtung schwächt sich dieser Eindruck zum Glück etwas ab. Dort liegt unter anderem der Ort Sori, in dem wir bereits vor sechs Jahren schon mal unsere Wartezeit auf die Fähre verbrachten.


Das Meer vor Sori

Das auf den Felsen ist der Friedhof von Sori
(sonst müsste ein Totengräber ja Steinhauer sein)

Dieses Mal suchen wir uns hier ein gemütliches Lokal mit Blick auf den Strand. Auf der Speisekarte gefallen Olivia die gegrillten Sardinen und mir das Thunfisch-Tartar und Sepia an Kartoffeln. Leider ist mir in diesem Moment überhaupt nicht bewusst, dass beim Thunfisch-Tartar roher, also ungekochter, Fisch verwendet wird. Dieses Informations-Defizit übernehmen in der kommenden Nacht dann auf der Fähre mein Magen sowie mein Darm. Üble Bauchschmerzen, heftigster Durchfall und wasserfallartiges Erbrechen lassen diese Nacht für mich zu einem durchaus unvergesslichen Erlebnis werden.

Obendrein wird diese Nacht von einem heftigen Gewitter über dem Thyrrenischen Meer dominiert. Schon beim Verlassen des Hafens von Genua gegen 18:30 Uhr kündet heftiges Wetterleuchten eine aktive Gewitterzelle an. Mitten in der Nacht erinnern mich dann Tausende von Blitzen an die Stroboskop-Beleuchtung einer Diskothek - wir haben also auf dem Meer eine Himmels-Disco. Natürlich regnet es auch wie verrückt, ich würde es bei den Wassermassen treffender als kübeln bezeichnen.

Am nächsten Morgen hat sich die Lage wie selbstverständlich auf ein freundliches Maß zurückbesonnen. Das gilt sowohl für das Wetter, als auch für meine Verdauung - als ob nie etwas gewesen ist! Friedlich scheint die Sonne durchs Fenster unserer Kabine mit Meerblick und mein roher Fisch schwimmt jetzt als gesammeltes Werk im riesigen Abwassertank der GNV Rhapsody. Egal: aus dem Magen - aus dem Sinn! Mir liegt es Anbetracht dessen vollkommen fern, nachtragend sein!

Das Schiff, die Rhapsody, ist Mitte der 1990er in Frankreich entwickelt und gebaut, taufrisch ist sie also nicht mehr. Während der Fahrt fällt sie mit unangenehmen Vibrationen auf. In der Kabine knackt und knistert es ständig - offenbar stammen diese Geräusche von Verwindungen, denen der Schiffsrumpf ausgesetzt ist. Ihr Höchsttempo beträgt lediglich 35 bis 38 km/h. Ich vermute, dass die Geschäftsführung der Reederei Grandi Navi Veloci diese Geschwindigkeitseinschränkungen in Zeiten hoher Treibstoffkosten beschlossen hat. Auf unseren früheren Urlaubstouren waren wir zeitweise mit mehr als 50 km/h unterwegs. Über die 800 Kilometer von Genua nach Palermo macht sich das natürlich auch in der Reisedauer bemerkbar. So brauchen wir nun also etwa vier Stunden länger bis Palermo Porto.


Für uns steht die "Rhapsody" bereit

Immer, immer wieder: von diesem Blick KANN ich nicht lassen!

Wieder typischer Millimeter-Schwachsinn: die Fähre
ist nicht voll! Wozu dann diese Platzklauberei?

Cabina vista Mare! Die dreckigen Fenster lassen kaum einen Blick durch!

Warum nicht? Es sieht nur so aus, als ob Wasser im Pool ist!

Der Zahn der Zeit hat auch der "Rhapsody" arg zugesetzt

Einfahrt in den Hafen von Palermo

Offensichtlich ausgemustert: mit der "La Superba" bin ich schon einige Male unterwegs gewesen

Nach dem üblichen Verkehrschaos in Palermo erreichen wir abends gegen 20:00 Uhr unser Urlaubsziel in der Via Viviani in Menfi. Dort werden wir von den Geschwistern Gino, Irene und Mario herzlich empfangen und dürfen, wie beim letzten Urlaub, den Platz im Schatten unter dem Vordach vorm Haus als Standplatz beziehen. Auch für Strom ist gesorgt, sanitäre Einrichtungen dürfen wir mitbenutzen.


Endlich angekommen

Unser Standplatz


Kultdusche

Die Außendusche haben Mario und Gino extra für uns hergerichtet. Sie zählt bei unseren Besuchen zu den absoluten Besonderheiten. Seit nunmehr 35 Jahren dürfen wir hier nämlich die Dusche im Garten nutzen. Das Wasser (für den ganzen Haushalt) stammt aus einer Zysterne auf dem Dach der Garage. Zu bestimmten Tageszeiten wird dort automatisch ein gewisses Kontingent (rationiert) Stadtwasser nachgefüllt. Anderenorts wird einmal pro Woche das Wasser mit einem Tank-LKW geliefert. Auf diese Weise geht man auf Sizilien sparsam mit wertvollem Wasser um.


Dusche fussläufig zu erreichen (rechts)





Das Wasser erwärmt sich im Behälter auf dem Dach
durch Sonnenbestrahlung. Abends kann man dann,
z.B. nach dem Tag am Strand, mit wohltemperiertem
Wasser duschen.

Dafür gibt es unter einem Mandarinenbaum hinter einem
Duschvorhang eine kleine geflieste Ecke an der Garage.

Für mich ein außergewöhnlicher Duschort

Behälter für's Wasser auf dem Dach

Duschbrause vor (noch) grünen Mandarinenfrüchten


Bertolino

Das Meer gehört Allen - sizilianisches Sprichwort

"Unser"
Strand in südöstlicher Richtung am Bertolino ist leider nicht mehr per Auto erreichbar. Heftiger Wind und Wellen haben wohl in der Vergangenheit tiefe Erosionen hinterlassen. Niemand hat sich bisher um die Beseitigung der entstandenen Schäden gekümmert.


Durchfahrt verweigert

Manchmal zeigt das Meer seine
brutale Kraft

So bleibt uns nichts anderes übrig, als, wie alle anderen Strandbesucher auch, in nordwestlicher Richtung einen geeigneten Badeplatz zu suchen.

Das Geniale an diesem Steinstrand ist, dass man mit dem Auto relativ nah ans Meer gelangt und es somit in Sichtweite stehen kann. Anders als an anderen Stränden, gibt es hier (noch) keine "Zona Blu" - kostenpflichtigen Parkraum.

Das hat sich wohl herumgesprochen, denn am einstmals einsamen Bertolino stehen inzwischen Dutzende von Fahrzeugen, vorzugsweise Wohnmobile. Dieses ist jedoch das letzte Ferienwochenende in Italien - möglicherweise, hoffentlich, nimmt deshalb ab Montag der Andrang auf Bertolino und alle anderen Strände wieder ab.


Ich bin extra mal auf die "Düne" geklettert, um diesen fantastischen Blick abzulichten

Bilder sagen mehr als Worte

Und wie vermutet, haben wir Bertolino in der Zeit danach tatsächlich fasst für uns allein. Für sizilianische Verhältnisse ändert sich das Wetter allerdings ein wenig. Die extrem hohen Temperaturen weichen aus dem Programm - es weht bei knapp 28°C ein etwas kühlerer Wind.

Dieser Wind bläst manchmal so stark, dass wir am Strand einer Gischtwolke ausgesetzt sind. Das erkennt man allerdings nur beim Blick in die Ferne. Hier ist es wie ein feiner Nebel, der über Wasser und Strand steht. Abends merkt man es dann auch am Auto. Der feine salzige Belag auf dem Fahrzeug bindet die aufkommende Feuchtigkeit der kalten Nachtluft. Auch Handtücher und Textilien, die tagsüber draußen hingen, werden jetzt klamm.


Ungemach am Himmel?

Hohe Luftfeuchtigkeit durch Gischt


Das Meer hat immer noch ca. 28°C. Bei starkem Wellengang kann es sich allerdings kaum an der Oberfläche in Strandnähe erwärmen und kommt uns deshalb etwas kälter vor - sicherlich werden es dann noch immer 24 - 26°C sein. Doch für uns Norddeutsche mit gewohnten sommerlichen Nord- und Ostseetemperaturen von 17 - 21°C stellt sich das eher als Luxusproblem dar.

Pennichella

... sizilianisch für Nickerchen oder Siesta

Heute haben wir uns tatsächlich nur am Strand aufgestellt, um dem stetigen Rauschen des Meeres zu lauschen und uns der sanften Brise des Windes auszusetzen. Sonst nichts weiter. Einfach nur die Seele baumeln und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Herrlich!


Wohlfühlort


K 70 Teil 1

Am Montag, den 9. September, sind wir unterwegs nach Gela, gut 150 Kilometer südöstlich von Menfi. Dort soll ich eigentlich nur die Fahrgestellnummer eines Fahrzeugs fotografieren. Mein Clubkamerad (1. internationalen K 70 Club) Mario Thimm aus Winsen bei Celle hatte mich vorab um diesen Gefallen gebeten. Er besitzt seit Jahrzehnten das umfassendste VW K 70 Fahrgestellnummern-Archiv der Welt. Und immer, wenn irgendwo ein unbekannter K 70 auftaucht, ist Mario natürlich brennend an dessen Fahrzeugidentifikationsnummer oder FIN, wie sie heute heißt, interessiert.

Wir sind also auf der Strada Statale 115 unterwegs, vorbei an Sciacca, Agrigento und Licata - immer wieder mit reizendem Blick nach rechts auf das weite azurblaue Meer. Die Strecke Agrigento - Licata - Gela kennen wir bereits. Vor fünf Jahren war sie ein Teil unseres Ziels "Cava Grande del Cassibile" - quasi ein sizilianisches Pedant zum "Grand Canyon" in Arizona/USA.

Obwohl mich Clubfreund Mario lediglich mit einem Foto des Fahrzeugs und dahinter erkennbarem Firmenlogo ausgestattet hatte, finden wir gegen 15 Uhr etwas außerhalb von Gela, in einem weitläufigen Industriegebiet an der SS 117, die Firma CENTRAL MOTORS. Auf dem Platz vor der Firma hätte ich bei dem wohlklingenden Firmen-Namen schon ein wenig mehr erwartet, als nur zwei oder drei gebrauchte unangemeldete Fahrzeuge unter den hohen Palmen vor dem Gebäude. Vom gesuchten K 70 gibt es jedoch zunächst keine Spur.

Ich finde aber eine geöffnete Glastür. Beim Eintreten in die Halle steht dort tatsächlich der gesuchte marathonmetallic-farbene K 70 neben einem weißen Autobianchi Biancina (vermutlich aus den 60ern). In einem der angrenzenden Büros sitzt ein Mann vorm Computer. Um der Geschichte einen etwas persönlicheren Charakter zu verleihen, nenne ich ihn mal Calogero Celentano. Erst als ich Signore Calogero direkt anspreche, löst er seinen Blick vom Monitor. Höflich frage ich, ob ich mir den K 70 mal ansehen darf. "Certo, certo!" bekomme ich als knappe Antwort doch seine Augen haften schon wieder auf dem Bildschirm. Die Frage nach der Möglichkeit, die Motorhaube mal öffnen zu dürfen, beantwortet Calogero ohne Blickkontakt mit "Sie können sich alles ansehen... wenn Sie weitere Fragen zu dem Auto haben... dann stehe ich Ihnen ab 17 Uhr zur Verfügung!"... und im selben Augenblick ist Signore Celentano wahrscheinlich bereits wieder aktiv in den unendlichen Weiten des Internets am Surfen!

"Hm," denke ich, "17 Uhr... das ist ja erst in zwei Stunden!" Etwas hilflos blicke ich mit zusammengekniffenen Augen aus Calogero's Bürofenster in die Halle zum K 70 und erkenne im gleichen Moment, dass dessen Motorhaube zum Glück lediglich unverschlossen aufliegt. Während Calogero noch immer geistig abwesend nickt, verlasse ich leise sein Büro. Beim Herangehen an den Wagen erkenne ich, dass alle Türverriegelungsknöpfe oben sind... manchmal muss man eben nur etwas Glück haben, was brauche ich da noch den geschäftigen Verkäufer?

In den folgenden Minuten fotografiere ich logischerweise nicht ausschließlich die Fahrgestellnummer - denn nur dafür würde ich natürlich nicht insgesamt 300 Kilometer fahren. Wenn man schon einen in dieser Ecke der Welt so extrem seltenen VW K 70 findet, dann muss er selbstverständlich auch entsprechend abgelichtet werden. Also liege ich dann auch bald seitlings halb unter, vor und hinter dem Wagen. Bis auf den Kofferraum (dazu fehlt mir leider der Schlüssel) wird jede Tür geöffnet.

Selbstverständlich finden auch Fahrgestellnummer und die Produktionsplakette ihren Platz auf meine Speicherkarte. Am Ende meines Fotoshootings strecke ich nochmal meinen Kopf zur Bürotür des maulfaulen Verkäufergenies Calogero Celentano herein und werfe dem Verdatterten ein "grazie mille, era tutto quello che volevo!" zu. "Vielen Dank, das war alles, was ich wollte!"


Nur drei Minuten später rolle ich mit dem REDSTAR vom Hof.

Es ist wohl kein Wunder, dass dieser Laden mutmaßlich nichts gerissen kriegt! Kundenbetreuung gleich null, Warenangebot gegen null und die Preise für die wenigen Fahrzeuge im Angebot wahrscheinlich auch alle so, wie für den
K 70 - einfach zu hoch! Alles in Allem war das hier zwar ein sehr selbstbewusster aber irgendwie auch arroganter Firmenauftritt! Mach mal weiter so, Calogro! Du wirst schon sehen, was Du davon hast!

Mein Tipp für alle Interessierten an diesem sizilianischen K 70: möglichst bald zu CENTRAL MOTORS nach Gela, den Preis unbedingt auf erträgliche Höhe verhandeln und dann schnell zuschlagen. Die Halbwertzeit dieser Firma wird sehr bald abgelaufen sein... denke ich! Und tschüss und weg!

Auf dem Rückweg nach Menfi tingeln wir noch parallel zur SS 115 zwischen Gela und Licata am malerischen Spiaggia di Roccazzelle und Lido Manfria entlang. Neben dem auf dem Operation Husky Rock viel höher gelegenen und leider hermetisch abgeriegelten Privatgelände des Torre di Manfria hat man einen weiten Blick über das Meer und die zu dieser Jahreszeit touristisch sehr ruhige, außergewöhnliche "Goldene Küste von Gela".


Bilderbuchküste

Torre di Manfria


K 70 Teil 2

Am Samstag, den 14. September, ist um 17.00 Uhr die Jahreshauptversammlung des 1. internationalen K 70 Clubs im GenoHotel in Baunatal angesetzt. Moderne Erfindungen ermöglicht es, dass ich trotz meiner räumlichen Entfernung per Video-Konferenz daran teilnehmen kann. Dafür finde ich ganz am Ende der Hafenmole in Porto Palo einen geeigneten Platz. Erstens bietet dieser Ort einen fantastischen bildlichen Hintergrund für meine Übertragung, zweitens ist man hier einigermaßen ungestört.


Da soll 'ne Jahreshauptversammlung stattfinden? Für mich der beste Platz für die Skype-Konferenz


Ich sitze in der Sonne auf der
Hafenmole und lausche der JHV
in Baunatal bei Kassel

Am Ende der JHV geht die Sonne unter

Fast zwei Stunden sitze ich dort, beobachte die Versammlung und lausche den Vorträgen, die gut 1.550 Kilometer (direkte Luftlinie) stattfinden. Ich bin mal wieder erstaunt, wie stabil die Verbindung über das italienische Netz per Smartphone-Hotspot funktioniert (während in Deutschland ja beim Telefonieren bereits das kleinste Hügelchen in der Gegend für ein sattes Funkloch sorgt). Als die Jahreshauptversammlung schließlich beendet ist, geht in Porto Palo die Sonne sehr fotogen unter.

Wettertechnisch stellt sich unser Urlaub etwas anders dar, als ich es aus den vergangenen 35 Jahren gewohnt bin. "Schwester" Irene erzählt schon im Vorfeld, dass sie eine Klimaveränderung auf Sizilien wahrnimmt. So gebe es kaum noch Übergangszeiten, also Frühjahr und Herbst fallen sehr kurz aus. Dafür würde es jedoch sehr schnell im Jahr extrem warm und trocken. Der Winter starte ebenfalls sehr abrupt, falle jedoch relativ kurz aus. Diese neuen Wetterzustände sorgen dafür, dass es über das Jahr gesehen viel zu trocken ist. Wenn es doch regnet, dann sind es große Wassermassen, die oberflächlich abfließen und für deutlich sichtbare Schäden verantwortlich sind.


Manchmal zeigt das Mittelmeer auch eine etwas härte Gangart


Dieses Phänomen erleben wir dann auch in diesem Urlaub. Während es bisher auf Sizilien immer hieß, dass es von Mai bis Oktober grundsätzlich nicht regnet, können wir innerhalb der ersten beiden Septemberwochen bereits vier kurze aber zum Teil heftige Regenfälle erleben. Auf das Wetter ist offenbar auch hier kein Verlass mehr.

Wir lassen uns davon dennoch nicht beeinflussen. Es gibt auf Sizilien genug zu erleben.


Selinunte

Kultur pur - beeindruckt von der Geschichte

Obwohl mir in der Schule bekanntlich Geschichte stets zuwider war und ich auch heute noch der Meinung bin, dass dieses Schulfach keinerlei Nutzen bringt, weil der Mensch offenbar rein gar nichts daraus lernt, besuchen wir die archäologische Fundstätte Selinunte (ich bevorzuge aus vielleicht verständlichen Gründen die sizilianische Schreibweise mit einem "e" hintendran).


Alle Diebstahlsicherungsmaßnahmen wurden vorsichtshalber getroffen


Seit ich nach Sizilien reise, ist mir lediglich der "Tempio di Hera" in Marinella di Selinunte bei Castelvetrano, nur wenige Kilometer von Menfi entfernt und unmittelbar an der Südküste am Meer gelegen, von einheimischen Freunden vorgestellt worden.

Viele Fotoshootings sizilianischer Hochzeiten finden vor diesem hübschen Tempel eine optimale Kulisse.

Überhaupt - wie schon sehr häufig gelesen und gehört: wer schön gelegene Tempel sehen möchte, der sollte unbedingt nach Sizilien reisen. Diese uralten Bauwerke gibt es reichlich und überall auf der ganzen Insel - und alle sind in deutlich besserem Zustand als jene in Griechenland.

Damit habe ich jetzt allerdings dummerweise schon wieder viel zu sehr für Sizilien geschwärmt. Denn Ihr wisst ja: wir haben es nicht so mit Touristen... und wenn davon zu viele kommen, wird es für uns unangenehm - zwischen Scharen von Touris fühlen wir uns einfach nicht wohl. The commercial ends here.


Tempel der Hera


Heute ist es also das erste Mal, dass wir den "Parco Archeologico di Selinunte" mal genauer unter die Lupe nehmen. Dabei muss ich schnell erkennen, dass es sich hierbei um ein wesentlich weitläufigeres Gelände handelt, als mir bisher bewusst war.


Wikipedia erklärt, dass die Fundstätte vornehmlich aus den Überresten der alten griechischen Stadt Selinus besteht, die in der Antike zu den wichtigsten städtischen Siedlungszentren Siziliens zählte. Davon zeugen unter anderem die zahlreichen Tempel, die zu den bedeutendsten griechischen Tempeln Siziliens zählen. Historisch bedeutsam, wenngleich weniger imposant sind auch die Ruinen aus der karthagischen Siedlungsphase des Ortes. In den vergangenen Jahrzehnten wurden große Teile der antiken Stadt freigelegt; eines der sämtlich durch Erdbeben zerstörten Heiligtümer wurde dabei teilweise wiederaufgebaut.

Selinus wurde vor etwa 2.700 Jahren, also im 7. Jahrhundert v. Chr., von dorischen Griechen aus dem ostsizilischen Megara Hyblaea gegründet. Die Stadt war berühmt für ihre fruchtbaren Böden, auf denen ein besonders guter Weizen wuchs, und erlangte rasch großen Reichtum, der sich insbesondere in den zahlreichen großen Tempelbauten manifestierte. In den sumpfigen Niederungen des Flusses Selinus gab es große Bestände wilden Selleries, die namensgebend für die Stadt und den Fluss wurden. Sogar das Wappen der Stadt war dem Sellerie gewidmet und enthielt den Zipfel eines Sellerieblattes.

Das 5. Jahrhundert war die Zeit der größten Blüte des Ortes. Die ewigen Konflikte zwischen dem griechischen Selinus und der einheimischen Siedlung Segesta eskalierten aber in der Folgezeit und führten schließlich zu einem Eingreifen der Großmächte Athen und Sparta, wobei letzteres Syrakus und Selinus gegen Athen unterstützte.

Nachdem sich Selinus nach dem Scheitern der Sizilienexpedition Athens 413 v. Chr. die Verwüstung Segestas „geleistet“ hatte, wurde die Stadt nach Berichten Diodors von Karthago im Jahr 409 v. Chr. nach einem Krieg mit 16.000 Toten und 5000 Gefangenen weitgehend zerstört. Von den Karthagern (Puniern) wurde der Ort wieder aufgebaut. Er stand seither endgültig unter karthagischer Kontrolle und wurde fast ausschließlich von Puniern bewohnt, die in der Stadt auch ihre charakteristische Architektur einführten. Im Ersten Punischen Krieg wurde Selinus dann 250 v. Chr. von den karthagischen Truppen geräumt und anschließend von den Römern zerstört. Damit endete die Geschichte Selinus im Wesentlichen. Es gab aber offenbar eine gewisse Siedlungskontinuität auf sehr niedrigem Niveau, und in der Spätantike bestand ein kleiner christlicher Ort auf der einstigen Akropolis.

Einige Vulkanologen, Archäologen und Historiker vermuten, dass die Tempel der Stadt ebenso wie andere antike Städte an der sizilianischen Südwestküste auf Grund eines unterseeischen Erdbebens in der Straße von Sizilien und einer dadurch ausgelösten gewaltigen Flutwelle zerstört wurden.


Die Akropolis weist vier Tempel auf, dazu gut erhaltene Terrassierungen und Befestigungen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Einer der Tempel ist der "Tempio di Apollo" (Tempel C) aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr., der teilweise restauriert wurde, ein weiterer ist der jüngere Tempel B. Hier finden sich auch die Überreste zahlreicher typisch punischer Wohnhäuser, die meist auf Fundamenten griechischer Bebauung errichtet wurden. Die Karthager scheinen auch die griechischen Heiligtümer weiterbenutzt zu haben, nun allerdings für ihren eigenen Kult.

Auf dem Osthügel im Osten der Akropolis, der damals der am dichtesten besiedelte Teil der Stadt war, befinden sich Reste von 12 Tempeln aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr.; dazu zählt der vermutlich der Göttin Hera geweihte Tempel E, der auf zwei Vorläuferbauten steht und als dorischer Peripteros restauriert wurde, sowie der um 520 v. Chr. begonnene und unvollendete Tempel des Zeus (Tempel G), der mit einer Grundfläche von 50 mal 110 Meter einer der größten griechischen Tempel ist. Im Schutt dieser Tempel fand man einen 70 Tonnen schweren Giebel.


In einem Antiquarium werden Fundgegenstände des "Parco Archeologico di Selinunte" ausgestellt


Westlich der Akropolis befinden sich das Heiligtum der Demeter Malophoros aus dem 7. bis 5. Jahrhundert v. Chr. und eine daneben liegende Nekropole.

In der Nähe des heutigen Ortes Selinunte soll sich übrigens der antike Steinbruch Rocche di Cusa oder Cave di Cusa befinden, aus dem das gesamte für den Bau der Tempel verwendete Material stammt. Hier soll zu sehen sein, wie Säulentrommeln, die für den unvollendeten Tempel G vorgesehen waren, aus den Felsen herausgearbeitet wurden.



Die Strecke mit dem
Golf-Cart-Taxi

Der archäologische Park Selinunte kann natürlich von Touristen besucht werden. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die Ruinen bereits als Veranstaltungsort des Google Camps 2019 mit einem Auftritt der Band Coldplay. Ebenso fanden hier Mode-Shootings statt.


Olivia umter'm Tannenbaum: eine solche Mittelmeertanne, eine Araucarie, nutzen wir zuhause - natürlich in kleinerem Format - als Weihnachtsbaum


Wir werden auf dem Gelände gut viereinhalb Kilometer mit einem angebotenen Golf-Cart-Taxi herum gefahren. Immer an den interessanten Stellen können wir aussteigen, den Ort dort besichtigen, später wieder in die alle zehn Minuten regelmäßig verkehrenden Taxis zusteigen und weiterfahren.


Golf-Cart-Gespann


Von archäologischen und historischen Brocken

Während die archäologischen Ruinen von Selinunte also nahezu 2.700 Jahre alt sind, bringen es die Trümmer unserer nächsten besuchten Orte mal gerade auf 56 Jahre. Solange ist es nämlich her, dass es im Tal des Belices ein wüstes Erdbeben gab. Viele Orte, die an dieser Linie liegen, sind damals schlimm getroffen oder sogar komplett zerstört worden. Ich berichtete schon hier, hier und hier darüber.

Denn dieses Mal besichtigen wir erneut die Erdbebenruinen der Städte Montevago und Santa Magherita di Belice. Die Bevölkerung, die dieses Erdbeben der Stärke 6,1 (entspricht etwa der Energie von 21.301 Tonnen TNT oder 1,3 Atombomben) am 14. Januar 1968 nachts um 3:01 Uhr erlebt und überlebt hat, leidet noch heute unter diesem Trauma. Das merkt man insbesondere auch daran, dass die Ruinen des Bebens noch immer nicht geräumt sind und in den Köpfen vieler Menschen als Mahnmal gelten.

Mir wurden diese Orte, die aussehen wie nach einem Bombenangriff - zumindest stelle ich mir das so vor - schon bei meinem ersten Sizilienbesuch, also vor 35 Jahren, gezeigt und ich erkenne durch meine widerkehrenden Besuche die dort stattfindenden Veränderungen.

Beim heutigen Besuch fallen mir in dem großflächigen Gebiet, dass man bisher durchaus mit dem eigenen Auto durchfahren konnte, viele Absperrungen auf. Angeblich möchte man bestimmte Bauwerke (insbesondere natürlich Kirchen) nicht dem Verfall überlassen. Ihre Mauern und Wände werden aufwendig mit schweren, eisernen Stützkonstruktionen vor dem drohenden Einsturz bewahrt. Andererseits werden bestimmte Plätze jedoch auch für öffentliche Feiern und Aufführungen genutzt. Eigens dafür angeschaffte Sitzgelegenheiten wurden allerdings in der Vergangenheit schon im großen Stil gestohlen. Auch um derartige Abtransporte zu verhindern, ist das Befahren der alten Straßen wohl nicht mehr erlaubt.

Nun suche ich speziell in Santa Magherita nach einer Kirchenruine, vor der ich damals bei meinem ersten Besuch meinen weißen T3 geparkt und fotografiert hatte.


Foto aus dem Jahr 1989 - Kirchenruine in Santa Magherita, 21 Jahre nach dem Erdbeben

Heute möchte ich das Foto mit dem REDSTAR nachstellen. Allerdings finde ich die Kirche partout nicht. Alles hat sich irgendwie verändert - ich kenne mich einfach nicht mehr aus. Deswegen zeige ich einem Bauarbeiter auf meinem Smartphone das Foto aus meinem Blog und frage ihn, wo ich dieses Bauwerk finden kann. Er deutet auf eine Baustelle nur wenige Meter weiter. Dort sind Kirchenbögen und ein Altar inzwischen unter einer großen Glasfassade vor Verwitterung geschützt. Beim genauen Betrachten muss ich jedoch erkennen, dass dieses nicht das von mir gesuchte Bauwerk ist.

Wir fahren ein wenig durch die "Ruderi", finden dabei eine Anhöhe, auf der man einen prima Panoramablick über typisch sizilianisches Terrain hat.





Unterwegs in den Ruderis

Beeindruckender Blick über Sizilien

Als wir wieder herabfahren, findet Olivia bei der Google-Suche einen entscheidenden Hinweis zur gesuchten Kirche. Es ist die "alte Chiesa Madre". Tatsächlich sind wir durch die Straßenführung an der Hinterseite dieser Kirche vorbeigeleitet worden.

Auch sie ist inzwischen komplett in Glas gefasst und hat nun den Namen "Museo della Memoria a Santa Magherita di Belice" erhalten. An ihrer Vorderseite ist jetzt ein großer Platz angelegt, der jedoch nicht mehr mit dem Auto befahrbar ist. Unter dem alten Namen "Chiesa Madre" findet man übrigens, welch unglaublich geniale Idee, eine neue Kirche in Sichtweite der alten. Welche geistigen Blähungen den Architekten jedoch bei der Gestaltung und Planung dieses Bauwerks geplagt haben mögen, kann man angesichts des Resultats nur erahnen.

Da die geplante Foto-Nachstellung mit dem REDSTAR vor der Kirchenruine ja wohl als Satz mit "x" endete, versuchen wir dennoch positive Aspekte in diesen Tag einfließen zu lassen.

Dazu verlassen wir die Stadt über die SS 188 Richtung Süden. Nur ein paar Kilometer weiter liegt der "Lago Arancio", ein knapp 4 Quadratkilometer großer (oder doch eher kleiner) Stausee, den wir vor drei Jahren schon mal besucht hatten. Damals führte er jedoch auffällig mehr Wasser - das ganze Jahr war halt zu trocken.


Die Stadt da am Hang im Hintergrund heißt Sambuca di Sicilia

Damals begeisterte mich eine Canadair CL 415, ein Amphibienflugzeug des kanadischen Herstellers Viking Air, das hauptsächlich als Löschflugzeug bei Waldbränden von der "Vigli del Fuoco", der italienischen Feuerwehr, eingesetzt wird. Mehrere dieser gelb-roten Flieger starteten und landeten damals eifrig auf dem Lago Arancio, um ein Feuer zu löschen.

Dieses Mal zieht ein Hubschrauber der staatlichen Forstwache "Corpo Forestale" mit einem Wasserbehälter seine Kreise,  was mich als Helikopterbegeisterten natürlich zu dieser Fotoserie inspiriert.

Wo kann man schon mal so nah einem Lösch-Hubschrauber bei der Arbeit zuschauen?

Anflug

Sinken

Eintunken

Volllaufen lassen

Anheben

Kurs nehmen


Und ab die Post!


Hier hin bringt der Heli seine nasse Fracht immer zum Feuerlöschen:
Cava San Giovanni - ein Steinbruch, in dem es
offenbar brennt

Besuch in Sciacca

Der nur 15 Kilometer von Menfi entfernte Hafen von Sciacca ist immer wieder sehenswert. Hier parken wir auf der Banchina S. Paolo, dort, wo die Fischerboote anlegen, um ihren Fang zu entladen.


Sciacca hat ein wirklich schönes Hafenpanorama

Heimathafen einer großen Fischfangflotte

Genau hier holen viele Restaurants und Fischgeschäfte ihre Ware direkt vom Schiff. Mit etwas Glück bekommt man auch als Endverbraucher fangfrischen Fisch zu einem sehr günstigen Kurs. Ansonsten bietet Sciacca alte Gassen und Häuser sowie einen schönen Blick aufs Meer.

Wir stoppen für ein paar Bilder vor dem "Samonà Teatro Popolare", benannt nach seinem Architekten Giuseppe Samonà, laut Irene allerdings ein Theater, "das nie fertig wird!"



Alles hat ein Ende...

Auch in diesem Urlaub kommt es natürlich so, wie es irgendwie und irgendwann immer kommen muss: er geht langsam zu Ende. Und immer wieder stellt man dann an dieser Stelle mit einer gewissen Enttäuschung fest, dass die vergangenen Wochen und Tage eigentlich nicht wirklich gereicht haben. Dennoch haben sie wohltuend geholfen, eine gewisse Zeit aus der alltäglichen Routine zu entfliehen, mal an etwas anderes zu denken, den Kopf frei zu machen.

So sitze ich vor REDSTARs geöffneter Schiebetür am Meer, lese die letzten Zeilen meines Urlaubsbuches (es ist ein von mir geliebter Brauch, denn nur im Urlaub habe ich die nötige Muße, mal in Ruhe ein Buch zu lesen). Das Buch dieses Urlaubs hatte ich mir bereits im Urlaub 2023 anlässlich meines Besuches in Wohllebens Waldakademie in Wershofen/Eifel gekauft. Der Gründer dieser Waldakademie ist Peter Wohlleben, ein stets positiver, euphorischer und begeisterungsfähiger Förster und Autor, der sich für den Schutz der Wälder einsetzt. Ich verfolge seine Auftritte in den Medien. Sein sehr empfehlenswertes Buch "Das geheime Leben der Bäume" begleitete mich also durch den diesjährigen Sizilienurlaub.


Ich kann einfach nicht in Worte fassen, was mir Bertolino und die Momente hier bedeuten... 

Doch schließlich müssen wir wieder gen Norden aufbrechen.

Dieses Mal haben wir uns die Version per Straße vorgenommen. Speziell der Besuch der Stadt Pompeji am Vesuv steht auf dem Programm. Als wir in der Reisevorbereitung kurz vor dem Start jedoch die Eintrittspreise im Internet buchen wollen und pro Person 43,- EUR aufgerufen werden (ein bewachter Parkplatz, der von mir Bedingung für diesen Besuch ist, nicht inbegriffen), canceln wir diesen Punkt jedoch lieber wieder. Das ist es uns nicht wert!

Also starten wir den schlichten Rückweg hauptsächlich über italienische Autostradas. Zunächst Richtung Palermo, dann Messina. Dort nehmen wir die Fähre "Caronte & Tourist" nach Villa San Giovanni aufs Festland.


Warten auf die Fähre in Messina

Tag und Nacht im Einsatz

Die Fahrt dauert nur 20 Minuten

Irgendwann soll hier tatsächlich mal Sizilien mit dem Festland über eine Brücke verbunden sein

Blick zurück nach Sizilien

Blick nach vorn zum italienischen Festland

Ciao Sicilia 😢

Von dort entlang der calabrischen Westküste über die E 45 vorbei an Rogliano und Cosenza. Dort beginnt es zu regnen. Weiter geht es durch Basilicata und Campania nach Battipaglia, wo wir spät abends ein paar Kilometer südlich der Amalfiküste nach etwa 730 Kilometern eine Übernachtungsmöglichkeit beim "Camperstop Lagomare" finden.

Auf dem unscheinbaren Platz sind wir die Einzigen. Es gibt dort Toiletten, Duschen, Strom... mehr brauchen wir gar nicht!


Unser Lager für eine Nacht

Am nächsten Tag starten wir gut ausgeschlafen gegen 11:00 Uhr die Weiterreise. Es dauert fast eine Stunde, bis wir aus dem Verkehrsgewusel von Salerno und dem nahen Neapel, vorbei am Vesuv, auf der A 30 wieder richtig Fahrt aufnehmen können.


Vorbei am Vesuv

Nun geht es vorbei an Caserta, Frosinone, Rom. Auf dem Weg nach Florenz gibt es wohl ein paar Unfälle. Wir umfahren sie weitläufig durch die Toskana, fast bis nach Bologna. Dort, in Emilia-Romagna, wird es bereits dunkel. Noch eine weitere "harte" Strecke (im Dunklen fast nur geradeaus) haben wir quer durch Lombardia jetzt über Parma und Piacenza nach Mailand zu bewältigen. Von dort geht es über Como am Grenzübergang Chiasso in die Schweiz. In Bellinzona biegen wir dieses Mal nicht nach links zum St. Gotthard-Tunnel, sondern nach rechts Richtung San-Bernadino-Pass ab.

Diesen Pass habe ich vor vielen Jahren schonmal zu T2b-Zeiten gefahren - allerdings tagsüber! Dieses Mal ist es jedoch finstere Nacht. Die Kehren vom San-Bernadino sind stellenweise Hammer! Aber ich muss feststellen, dass die Schweiz inzwischen fleißig gewesen ist und den Pass erneuert hat - teilweise mit langen Tunneln. Diese Erneuerung ist ihr wirklich perfekt gelungen. Den Pass kann man sehr gut fahren! Nur schade, dass wir aufgrund der Dunkelheit von der Gegend nichts sehen konnten.

Am Ende dieser Etappe tanken wir nochmal sehr günstig knapp hinter der Grenze in Dornbirn/Österreich (die Spritpreise in der Schweiz sind nämlich extrem happig!). Dann liefern wir (es ist inzwischen morgens halb fünf) dem Sohn sizilianischer Freunde (er lebt und arbeitet seit zwei Jahren in Deutschland) noch Medikamente aus und wollen uns dann in einem Wald nach fast 1.300 Kilometern und 18 Stunden Fahrt endlich im REDSTAR "auf's Ohr" hauen.

Bei der Suche nach einem geeigneten Platz passiert mir dann hundemüde ein folgenschwerer Fehler. Beim Rückwärtsherausfahren aus einem Waldweg lenke ich zu früh ein und lande halb in einem Graben. Es dauert fast zwei Stunden, bis ich den Wagen mit dem Wagenheber und aus dem Wald herbeigeschafften Holzknüppeln wieder flott habe... zum Glück sind keine Schäden am Wagen entstanden! - und bereits eine viertel Stunde später bin ich in der Tiefschlafphase - immerhin ist es fast 7:00 Uhr.


Nach dem Aufwachen (von Ausgeschlafensein kann logischerweise nicht die Rede sein), lenkt Olivia den REDSTAR die etwa 450 Kilometer bis nach Weitersburg am Rhein. Dort, bei Peter Rodenberg, laden wir den restaurierten Benzintank von SICILIANO ein und unterhalten uns noch ein bisschen mit ihm.

Anschließend beende ich unsere Urlaubsreise mit den letzten 360 Kilometern (streckenweise unter Starkregen!) um Punkt 0:00 Uhr nach genau 5.982 Kilometern.


Anmerkung zum Schluss: bevor sich jemand beschwert - ja, ich weiß! Auch in diesem Post ist auf extrem vielen Fotos unser REDSTAR abgebildet. Das hängt ursächlich damit zusammen, dass ich verdammt stolz darauf bin, einen aufwendig selbst restaurierten Bulli zu besitzen und zu fahren. Dieses Fahrzeug ist mittlerweile 32 Jahre alt und begleitet uns immer wieder treu und brav überall hin. Die inzwischen durch den REDSTAR zurückgelegten unglaublich vielen Kilometer sorgen für eine gewisse Verbundenheit. Der Wagen nimmt damit quasi eine seelische Verbindung zu mir/uns auf.

Lediglich sachlich denkende Menschen werden eine emotionale Beziehung zu einem Gegenstand nicht nachvollziehen können oder wollen. Ihnen sei gesagt, dass genau diese Empfindungen das Fundament der Oldtimerei sind. Ob es jedoch gut oder schlecht ist, dass alle Oldtimerbesitzer und Fahrer in gewisser Weise "denselben rostigen Nagel im Kopf haben", muss jeder selbst entscheiden.




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