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Dienstag, 3. Oktober 2023

Glück im Unglück - Notiz am Rande: mager macht heiß!


"SICILIANO" zwangsweise auf Reisen

Dass nach dem Ende der Restauration meines sizilianischen K 70 endlich Ruhe einkehrt... habe ich mir gedacht... habe ich mir gewünscht. Doch wie immer kommt alles anders.

Diese ersehnte Ruhe wurde bereits bei der Anfahrt zur food rallye 2023 empfindlich gestört. Durch die verstopfte Tankentlüftung im Tankdeckel hatte sich ein heftiges Vakuum im Tank gebildet und somit den ganzen Tank zusammengezogen... und in dessen Folge den Tankgeber geschrottet. Außerdem trat deswegen während der gesamten Rallye Sprit aus, wodurch wir auch während der Fahrt ständig Benzindämpfe einatmen mussten. Nicht schön und echt nervig!

Nur einen Tag später wird die Undichtigkeit am Treibstofftank vom K 70 Kompetenz Zentrum Westerwald zumindest soweit behoben, dass wir keinen Sprit mehr verlieren und somit auch keine Benzdämpfe auf unbekannten Wegen mehr in die Fahrgastzelle strömen.

Als Add-on kümmert sich Peter um den Vergaser. Dabei stellt er fest, dass in dessen beiden Schwimmerkammern der Spritpegel sehr ungleich ist. Das führt dazu, dass in die beiden Zylinder, die von der betroffenen (nicht so vollen) Schwimmerkammer beschickt werden, ein deutlich zu mageres Gemisch gelangt. Was aber ist daran so schlecht?

OXIGEN
Technisch gesehen verbrennt das Gemisch im Motor bei zu magerer Einstellung nicht "perfekt", da das Mischungsverhältnis Benzin-Luft für eine "perfekte" Verbrennung nicht mehr gegeben ist. Nun hat das chemische Element Sauerstoff (in der Luft als 02) die Eigenschaft, heißer als Benzin zu verbrennen. Bei zu magerem Mischungsverhältnis ist also mehr Luft im Gemisch als normal. Da Luft hauptsächlich aus O2 besteht, verbrennt daher das Gemisch deutlich heißer.

Bei einer "perfekten" Verbrennung sind im Zylinder maximale Temperaturen von 2000°C bis 2500°C denkbar. Auslassventile müssen daher bis zu 800°C und Einlassventile bis zu 500°C aushalten.

Befürchtung: das zu magere Gemisch könnte meinen K 70-Motor u.a. bereits bei der Teilnahme an der food rallye vorgeschädigt haben. Als ich nun mit Peter's frischer Vergasereinstellung beim Auffahren auf die Autobahn A3 an der Anschlußstelle Neuwied beschleunige, reagiert der Motor plötzlich mit heftigen Vibrationen. Eine umfangreiche Fehlersuche führt zwar zunächst zu nichts. Peter's etwas fachmännischere Vermutung per Telefon deutet aber auf ein verbranntes Auslassventil hin.

Meine eigene laienhafte Kompressionsdruckmessung (zu Hause) lässt vermuten, dass der Schaden im zweiten Zylinder zu finden sein wird.

MISSION
Das gilt es nun genau herauszufinden und - wenn möglich - zu beheben. Dazu organisiere ich wieder den Trailer von Clubkamerad Andreas Faulhaber.


Dunkel war's, der Mond schien helle...


Der verfolgt mich ständig!

Am letzten Septemberwochenende steht "SICILIANO" also wieder auf jenem Trailer, auf dem er bereits vor zwei Jahren bei seiner Bergung vom Ätna für über 2.500 Kilometer ausharren musste.

Samstag: es ist noch stockdunkel, als das Gespann vom Hof rollt. Diesmal ist das Ziel das lediglich 350 Kilometer entfernte K 70 Kompetenz Zentrum Westerwald. Viereinhalb Stunden später werkelt Hallennachbar Markus Retz bei meiner Ankunft bereits in seiner Werkstatt an einem anderen K 70 und beginnt vorab an meinem inzwischen abgeladenen K 70 mit einer ersten Diagnose - nach dem Entfernen aller Zündkerzen folgt eine (diesmal) professionelle Kompressionsdruckmessung.

Das Ergebnis schockiert mich nicht mehr sonderlich - bestätigt sich doch mein laienhaftes Resultat: der zweite Zylinder ist tot!😪 Da ist nicht mal mehr zu wenig Druck! Nein - da ist überhaupt kein Druck mehr!


Dieses Diagramm macht es deutlich: der zweite Zylinder hat keinen Druck, ist somit faktisch tot!

Als Peter Rodenberg dieses Messergebnis sieht, entfährt ihm ein schlichtes aber unmissverständliches "Scheisse!"

Damit beginnt dieser Schrauber-Samstag.


Markus hilft beim Lösen der Steuerkette

Jetzt geht's Schlag auf Schlag: "SICILIANO" auf die Bühne! Motorhaube weg, Kühlwasser ablassen, Zündkerzen wieder raus, Zündkabel entfernen, Auspuffkrümmer vom restlichen Abgasstrang trennen, Kühler raus, Vergaser demontieren, Kettenkasten öffnen, Antriebskette und Antriebsritzel der Nockenwelle lösen, Kettenkasten entfernen, alle Zylinderkopfschrauben lösen und schließlich den Zylinderkopf abheben.

Der nun freie Blick auf die Ventile bestätigt, was wir alle vermutet haben. Am Auslassventil des zweiten Zylinders fehlt ein Stück😟. Sein Fehlen verursacht, dass hier beim besten Willen kein Kompressionsdruck mehr aufgebaut werden kann. Deshalb läuft der Motor "nur noch auf drei Pötten".😪

Ausgleichend dazu scheinen die weiteren Einblicke in den Motor aber wenigstens keine zusätzlichen Schäden mehr zu offenbaren. Lediglich die Oberflächen der Kolben der beiden zu mager gelaufenen Zylinder zeigen dafür typische Ablagerungen. Das brennt sich später wieder weg. Sonst sieht alles unauffällig, also "ohne Befund" aus.


Da (Mitte, oberes Ventil) haben wir den Salat

Der Rest sieht okay aus

Portrait eines Übeltäters

Früher bedeutete ein Ventilschaden oftmals das Todesurteil für einen Motor, vielleicht sogar für das ganze Fahrzeug.

Nicht so für einen inzwischen seltenen VW K 70 und auch nicht für das K 70 Kompetenz Zentrum. Hier wird um den Erhalt jedes Fahrzeugs gekämpft! Zum großen Glück für "SICILIANO"!

Peter macht einen sehr nachdenklichen Eindruck. Im Geiste durchforstet er bereits die umfangreiche Sammlung an gebrauchten Teilen und Motoren in seiner Halle. Schließlich soll ich einen Zylinderkopf in die Mitte der Halle, an den Ort des Geschehens 
zerren. Er sagt: "ich habe keine Ahnung, was mit diesem Kopf ist, warum er einst ausgebaut wurde!" Das gilt es nun also herauszufinden.

Dazu überprüft Peter die eingebaute Nockenwelle. Wir drehen sie durch und haben durch die entfernten Ventildeckel einen freien Blick auf den Zustand der Nocken. Peter's Urteil lautet: "einwandfrei!"

Jetzt geht's um die Dichtigkeit der Ventile: wir lassen Bremsenreiniger in die überkopf gedrehten Verbrennungsräume mit den Ventilen laufen und beobachten, ob die geschlossenen Ventile (auch dazu muss natürlich die Nockenwelle immer in die entsprechende Stellung gebracht werden) dicht halten. Ergebnis: es ist keine Undichtigkeit festzustellen.

Damit steht fest: DAS wird der "neue" Zylinderkopf für "SICILIANO". Für den Fall, dass Fragen aufkommen: der alte Zylinderkopf ist durch das durchgebrannte Ventil geschädigt. Nur das Ventil auszutauschen wäre jedoch riskant. Denn durch diesen Schaden wird ziemlich wahrscheinlich auch der Ventilsitz (also die Gegenseite des Randes der Ventilöffnung) verbrannt sein.

Von Markus und Peter wird mir jetzt eine typische "Azubi"-Aufgabe zugeteilt: die planen Flächen zwischen Motorblock und Zylinderkopf sind penibel zu säubern.

Beide berichten aus den Zeiten ihrer Ausbildung, dass sie damals stundenlang von Hand mit entsprechenden Werkzeugen und Schleifpapier unter rapide abnehmender Begeisterung zu solchen Arbeiten verdonnert wurden.

Das könnte mir jetzt auch blühen... doch Markus zeigt sich von einer guten Seite und reicht mir eine speziell für diese Arbeit geeignete Druckluftmaschine der Firma Würth aus seiner schwäbischen Heimat. Damit gelingt mir ein brauchbares Ergebnis in relativ kurzer Zeit. Vielen Dank dafür, Markus!


Das Ergebnis meiner "Azubi"-Aufgabe: "Mach das penibel sauber!" - Getan!

Nachdem nun alles überprüft und sauber ist, kommt eine neue Zylinderkopfdichtung auf die plane Fläche des Motorblocks. Anschließend heben wir den Zylinderkopf auf den Motorblock. Die weitere Vorgehensweise geschieht natürlich in umgekehrter Reihenfolge zum Ausbau. Zur perfekten Fixierung des Kopfes auf dem Block müssen die langen Kopfschrauben nach einem vorgeschriebenen Muster mit einem Drehmomentschlüssel festgezogen werden.

Zum Schluss ist besonders das Aufziehen der Antriebskette auf das Nockenwellenritzel speziell durch die Konstruktion des Kettenspanners eine knifflige Angelegenheit. Auch sie gelingt schließlich durch Markus' Unterstützung.

Der Einbau der Steuerkette ist eine wahre Fummelarbeit

Zündung einstellen per Zündlichtpistole (wegen elektrischer  Zündung)

Mittlerweile beschäftigt sich Peter mit dem Vergaser. Dabei stößt er auf eine seltsame Masse unter dem Deckel der Beschleunigerpumpe. Es ist aber überhaupt nicht erklärbar, warum diese (offenbar) Dichtungsmasse dort eingebracht wurde. Ich hatte diesen Vergaser vor zwei Jahren als NOS-Teil (New Old Stock), also ungebraucht, neu aus altem Lagerbestand stammend, bei eBay gekauft.

Beim genaueren Betrachten stellt sich jedoch nun heraus, dass am Vergaser jemand ganz übel herumgepfuscht haben muss. Peter vervollständigt nun aus drei weiteren Vergasern (aus seinem Alt-Teile-Pool) meinen verfrickelten Vergaser zu einem vernünftig funktionierenden Vergaser. Vielleicht erklären sich durch den Pfusch am Bauteil auch einige Unzulänglichkeiten beim bisherigen Motorlauf (Ruckeln, Verschlucken, Husten, vielleicht sogar das zu magere Gemisch in dessen Verlauf wir hier nun schrauben müssen). Der Verkäufer dieses Vergasers dürfte Peter jedenfalls gerade nicht in die Quere kommen - der ist nämlich stinksauer und ich höre mehrfach lautstarke Flüche wie "Unverschämtheit", "Frechheit" und "Sauerei". Und genau deshalb wird dieses Bauteil von mir auch schätzungsweise bestimmt zehn Mal ein- und wieder ausgebaut... bis es schließlich wieder in einem verwendbaren Zustand ist.

Zum Laufen bekommen wir "SICILIANO" an diesem Abend allerdings leider nicht mehr. Als nämlich schließlich alles wieder ordnungsgemäß zusammengebaut und an seinem Platz ist, folgen unzählige erfolglose Startversuche... bis die Batterie aufgibt. Mit der Batterie aus Peter's Feuerwehr-LT sind wir wenigstens noch in der Lage einen weiteren Kompressionsdrucktest anzufertigen. Der Messwert vom dritten Zylinder ist dabei seltsamerweise nicht so prickelnd. Na gut, der Motor ist ja auch kalt! Peter macht wieder ein besorgtes Gesicht... wir versuchen noch ein paar Starts - alle erfolglos.

Es ist bereits dunkel, als Peter entnervt aufgibt. Nach Hause fahre ich heute also nicht mehr. Nach diesem anstrengenden Schrauber-Tag falle ich bei Peter zuhause auf dem Sofa in einen tiefen Schlaf.

Am Sonntagmorgen geht es wieder in die Halle. Wo waren wir stehen geblieben...? Ach ja... Startversuche! Es folgen wieder einige Starts... leider alle ohne happy End! Irgendwie ist das echt demütigend!😟Schließlich bittet mich Peter eine Dose "Start Pilot" von der Tanke zu holen.

Die eher zur Bäckereifachverkäuferin fähige Dame in der Tankstelle schaut mich fragend an, als ich meinen Wunsch äußere. Sie kommt hinter ihrer Kasse hervor und zeigt mir ein Regal in der hintersten Ecke ihres Shops. Dort steht "Shell Start Gas". Es sind zwar nur 200ml - hoffentlich reicht das.

Zurück in der Halle wirkt das Zeug erstaunlich schnell und wie erhofft! Ich sehe, dass Peter aufatmet. Wir sind beide wirklich erleichtert! Ein Glück - der Patient ist über'n Berg!😀

Zur Probefahrt heizen wir ohne Motorhaube über die L 310, vorbei am Limesturm Hillscheid bis nach Höhr-Grenzhausen und zurück. Welch herrlicher Klang des Motors! Wie gleichmäßig und rund er doch wieder läuft! Das macht mich unbeschreiblich froh!

Zurück in der Halle machen wir einen letzten Kompressionstest. Na also! Nun, im warmen Zustand, ist das Ergebnis topp!


Perfekt! Das passt jetzt! So soll es aussehen!

Anschließend kommt die Motorhaube wieder an ihren Platz. Zu guter Letzt baut Peter noch einen neuen Schaltwellendichtring ein (aus dem alten kleckerte immer Getriebeöl) und erneuert die komplett zerbröselten Kunststofflager des Schalthebels innen im Mitteltunnel.
FERTIG! Wir beenden damit einen erfolgreichen (oder besser siegreichen?) Schraubereinsatz.
Danke Peter, Danke Markus!

Mir bleiben "nur" noch 350 Kilometer Heimreise. Um 22.00 Uhr ist diese Mission glücklich beendet.

Autohof Werne - bald zuhause!

"SICILIANO" wieder daheim und zum Glück wieder gesund!

... fast! Zwei Tage später ist auch der Anhänger wieder zurück in Vechelde. Danke Andreas!

Und auch dieser stets treue und fleißige Begleiter ist wieder daheim!

... MISSION COMPLETED! Yeah!👍

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