Sonntag, 5. Januar 2020

Abenteuer K 70 - K 70-Abenteuer



Bevor ich meine K 70 - Story des Jahres beginne, möchte ich auf ein ganz besonderes Ereignis dieses Jahres hinweisen: die ersten Volkswagen K 70 feiern am 1. August 2020 ihren 50. Geburtstag.


Ich habe keine Ahnung, wieviele dieser allerersten Fahrzeuge es bis zu diesem Jubiläum geschafft haben - zumal ja inzwischen hinlänglich bekannt ist, dass die Erstserie zwar liebevoll aber lausig verarbeitet war und unter Kinderkrankheiten litt. Die kontinuierliche Weiterentwicklung während der fast fünfjährigen K 70-Produktion im VW-Werk Salzgitter trug zumeist zur allgemeinen Verbesserung des Modells bei. Deshalb fand schließlich auch der VW K 70 seine Anhänger und Freunde... die ihm bis heute die Treue halten.


Auch ich bin ja einer dieser Enthusiasten - und rein zufällig darf ich anlässlich des 50. K 70 - Jubiläums mal wieder eines meiner bekloppten K 70 - Abenteuer präsentieren:

Fotocollage A. Kernke

23 Monate und 26 Tage NACH K 70-Produktionsstart...

Historische Ereignisse des gleichen Moments

Ich gebe mir hier viel Mühe, Euch Leser ein bisschen auf die frühen 70er Jahre einzustimmen:

damals, am 27. Juni 1972 um Punkt 9 Uhr, hoben sich die bewachten Tore des hohen Maschenzauns. Vier Tage lang durften die Münchner die schöne neue Welt ihres Olympiaparks, das für die Landschaftsarchitektur wie für Hochbauarchitektur neue Maßstäbe setzende "Gesamtkunstwerk" aus Sportstätten mit bergförmigen Dächern, Terrassenhäuser des Olympischen Dorfes, 12.000 Bäumen und Büschen sowie über 85 Hektar Blumenwiesen und trittfestem Rasen besichtigen - auch auf die Gefahr hin, den noch jungen Rasen zu zertrampeln. 

Die Olympischen Sommerspiele 1972 bleiben jedoch leider durch den Anschlag der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September auf die israelische Mannschaft am 5. September als traurige Geschichte, bei der elf israelische Geiseln sowie fünf Geiselnehmer und ein Polizisten ihr Leben lassen mussten, in trauriger Erinnerung.

Genau an diesem 27. Juni 1972 wurde übrigens auch die Videospielfirma "Atari" von Nolan Bushnell und Ted Dabney in Sunnyvale (Kalifornien) gegründet. Tausende "Pong"-Automaten in Spielhallen und die ersten Heimkonsolen machten Atari zum Urvater der Videospielindustrie. In Deutschland bekam das Spiel sogar eine eigene Fernsehshow mit dem damals noch unbekannten Thomas Gottschalk, in der das Studiopublikum "Pong" spielte und die bis 1981 lief.

Am Produktionstag im VW-Werk Salzgitter

Und ebenfalls an genau jenem Siebenschläfer-Dienstag der 26. Kalenderwoche des Jahres 1972 wurde nach fast zwei Produktionsjahren im Salzgitteraner Volkswagenwerk ein kleines blankes Alu-Blechschild mit der eingestanzten Produktionsnummer 5177 auf die vordere rechte Blechversteifung im Motorraum eines silbermetallicfarbenen (L 96 D - wurde nur von September 1970 bis Juli 1972 angeboten) Typ 48 mit der FIN 4822555514 genietet.

Das linke Blechschild informiert u.a. über den Produktionstag, auf dem rechten ist die FIN zu sehen

Nur kurze Zeit später dürfte der fabrikneue K 70L vermutlich per LKW oder Bahn unterwegs in den Süden gewesen sein. Diese Reise endete nach gut 2.300 Kilometern an der Zyklopenküste Siziliens, in der Metropolitanstadt Catania.

Ich - so sahen 1972 11-Jährige aus - der
Käfer im Hintergrund gehörte unserem Nachbarn

Persönliche Lage - wo war ich im Juni 1972?

Obwohl oder gerade weil "aufmüpfig" das Wort des Jahres war, kämpfte ich selbst als knapp 11-Jähriger im Juni 1972 in den letzten Tagen meiner Grundschulzeit kurz vor dem Abschlußzeugnis vor den Sommerferien in der "Mittelpunktschule Drebber" um eine Gymnasium-Empfehlung durch die zu dieser Beurteilung widerwilligen Lehrer. Es war der ausdrückliche Wunsch meines ehrgeizigen Vaters, dass ich nach den Ferien, also ab dem 30. August, das Gymnasium besuchen und irgendwann mal das Abitur machen sollte.

Diese für mich unabwendbare Fremdentscheidung sollte fortan den martervollen Weg meines zukünftigen Werdegangs bestimmen. Das verursachte ein seltsam dumpfes Gefühl in meiner Magengrube - so, wie ich es mir eben vorstellte, zu meiner eigenen Hinrichtung geführt zu werden.

Erst viele Jahrzehnte später wurde mir bewusst, welch innerlichem Overkill ich mich gezwungenermaßen zur Verfügung gestellt hatte. Um diesen langen und kummervollen Weg soll es hier jedoch nicht gehen. Glücklicherweise lebe ich noch - und trotz Allem geht es mir heute ja gut.

Autos in den 70ern - wir fuhren den grauen 411 LE (Nasenbär), ganz hinten

Autos 1972

Ein VW-Modell mit Namen K 70 kümmerte mich zu jener Zeit noch nicht. Die Autofirma Volkswagen war mir allenfalls durch Käfer, 1600 oder 411 bekannt - erst im Frühjahr 1972 hatten die Medien berichtet, dass der 15.007.034ste VW Käfer vom Band gelaufen war. Und erst knapp zwei Jahre später tauschte mein Vater unseren VW 411 LE gegen einen Vorführwagen VW K 70 (Bj. 73, Modell 74) in Rotmetallic ein.

Audi präsentierte 1972 sein Mittelklasse-Model Audi 80 (B1), im März wurde gerade der Opel Commodore B eingeführt, bei Ford gab es die neuen Consul und Granada, BMW schickte den neuen 5er (E12) in den Ring, die Mercedes-Benz Oberklasse Baureihe 116 war ab September erhältlich und der DAF 66 ab Oktober. Wer als Italiener national eingestellt war, griff seit Mai auf den neuen Fiat 132, auf Alfasud oder Alfetta oder gar Lancia Beta zu.

Beginn meiner K 70-Begeisterung 

Casa in Sicilia - Heimat auf Sizilien

Es ist mir natürlich nicht bekannt, warum sich der in Catania ansässige Mediziner Dottore Giuseppe Fisichella damals ausgerechnet für das deutsche Mittelklassemodell VW K 70 mit 90 PS entschied.

Schriftlich belegt ist allerdings, dass er den fabrikneuen Wagen mit der Seriennummer 55514 für 1.890.000,- italienische Lire (nach historischem Kurs umgerechnet 10.325,10 DM = 5.279,14 Euro) käuflich erwarb und am 25. Juli 1972 mit dem Kennzeichen 296600 CT auf den Namen seiner Frau zum öffentlichen Straßenverkehr zuließ.

Dottore Giuseppe Fisichella mit seinem K 70 auf dem Ätna-Parkplatz

Auf sechs Tage genau 47 Jahre später - was sind schon 6 Tage auf die seitdem vergangenen 17.160 Tage? - fand ich den betagten Wagen am Südwesthang des höchsten aktiven Vulkan Europas unter einem großen Hallendach im Garten einer uralten Villa in Adrano. Nach langer Betrachtung (nicht nur des Fahrzeugs) und etwas Verhandlung mit dem Sohn Massimiliano des inzwischen verstorbenen Dottore Fisichella, wechselte der alte K 70 schließlich in unseren Besitz. Da die Rückholung nach Good Old Germany erst vernünftig geplant und organisiert werden sollte, schlug ich Massimiliano einen Handlungsspielraum von einem Jahr vor - dem er glücklicherweise zustimmte.

Dottore Fisichella's K 70 mit altem und neuem Besitzer

Unvorhersehbare Ereignisse

Eigentlich kaufte ich diesen Oldtimer für die ebenfalls K 70-begeisterte Familie meiner Tochter Sandra. Leider löste sich jedoch ihre Ehe kurze Zeit nach dem Kauf auf. Sie hat nun mit ihren drei kleinen Kindern in Zukunft sicherlich andere Probleme, als sich um den Transport und den Wiederaufbau eines alten Autos aus Sizilien zu kümmern. Also entließ ich Sandra aus der Verantwortung und übernahm die Zukunft dieses Projektes selbst. Vielleicht übernimmt den Wagen später mein Sohn Lukas. Behalten kann ich ihn aus Platzgründen jedenfalls selbst eher nicht.

Fast unser Gespann... Mario Thimm's Multivan vor dem Trailer, der uns bei der K 70- Überführung sicher gute Dienste leisten wird

Im Laufe der nächsten Monate
reifte also ein Plan. Beim Bekanntwerden meines mediteranen Deals in K 70-Kreisen bot mir K 70-Freund Mario Thimm aus Winsen spontan und kostenlos seinen Trailer an. Fast im gleichen Moment erzählte mir mein sizilianischer Freund Rafaele Borsellino, dass er dringend eine Transportmöglichkeit für sein Fiat Ritmo Cabrio von seiner deutschen Heimat Jockgrim bei Karlsruhe nach Menfi/Sizilien suche. Nach einigem Hin und Her war diese Möglichkeit eingetütet und wir müssen nun nicht mehr leer nach Sizilien fahren.

Raf's Fiat Ritmo Supercabrio... das wieder nach Sizilien soll

Schon früh galt es abzuchecken, welche Formulare für die Reise quer durch Europa und später, für das Anmelden des K 70 in Deutschland, beschafft werden müssen. 

Zoll: der Warenverkehr innerhalb der EU ist grundsätzlich frei. Bei ausgiebigen Recherchen stellte sich jedoch heraus, dass die Reise mit einem Fahrzeug auf dem Trailer durch die (nicht zur EU gehörige) Schweiz ein zeitraubendes behördliches Spießrutenlaufen bedeuten würde. Also beschlossen wir schließlich, die Schweiz lieber per Brenner-Autobahn zu umfahren, immerhin ein Umweg von 254 Kilometern.

Dabei fiel auch die Entscheidung gegen die komplette Fahrt per Autobahn. Statt 2.663 Kilometer nur 1.591 Kilometer, dafür dann aber wie gewohnt per Fähre ab Genua. Wenn man es genau berechnet - Mehrkosten für Kraftstoff, Autobahngebühr, Fähre von Villa San Giovanni nach Messina und auch der Stress und die Zeit für 1.100 Kilometer bei 80 km/h Anhängergeschwindigkeit - stehen unsere Kosten durch die Fährverbindung von Genua nach Palermo in nicht unvernünftigem Verhältnis. Am 29. November 2019 erhielten wir sogar im Rahmen des "Black Friday" von der italienischen Schifffahrtsgesellschaft Grandi Navi Veloci rund 30% Vergünstigung des regulären Passagepreises - so schlugen wir also zu.

Mittlerweile habe ich geklärt, ob unser Zugfahrzeug, der REDSTAR, den Anforderungen gewachsen sein wird. Immerhin muss er mit dem beladenen Trailer über die Alpen, Sizilien ist bekanntermaßen auch nicht topfeben und der K 70 steht schließlich in fast 600 Meter Höhe am Südwesthang des Ätna. Nachdem der T3-Motor nach diversen Problemen endlich ordnungsgemäß seinen Dienst verrichtet, müssen wir ihn ja nicht durch solch eine Aktion hinrichten. Da Bulli-Spezialist Jürgen meine materialschonende Fahrweise kennt, sieht er in unserem Vorhaben keine Gefahr für den Multivan.

Am 1. April kann er (der REDSTAR) dank Saisonkennzeichen wieder am Straßenverkehr teilnehmen... auf genau diesen Tag warten wir nun, um unseren Plan umzusetzen. Dann wird diese Geschichte fortgeführt.

Also: Fortsetzung folgt! >>HIER<<

Der Hinweg: Von zuhause nach Jockgrim, Fiat Ritmo Cabrio aufladen, dann über die Brennerautobahn nach
Genua. Dort mit der Fähre nach Palermo...
...  von dort per Autobahn ans Ziel Menfi.

In Menfi: Cabrio abladen. Ein paar Tage bei
"la famiglia" verbringen.

Teil 2 des Plans: Abholung des K 70 aus Adrano,
Rückreise 
nach Menfi.

Zur Heimreise dann wieder per Autobahn nach 
Palermo...
... mit der Fähre wieder zurück nach Genua, von dort über die Brennerautobahn, dann A7, A44 und A33 wieder nach Hause.

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