Freitag, 28. April 2023

Elfter STATUSREPORT zum silbernen VW K 70 von Sizilien

Der wohl aufregendste Termin für den silbernen Siciliano seit mehr als 19 Monaten: heute sind wir nämlich an der Deadline. Oder anders gesagt: "Jetz' ma Butter bei die Fische!"


Auf zur letzten Aktion!

Bereits um 8:00 Uhr stehe ich vor der Jülke Classic Garage. Vor ein paar Tagen hatte ich mich dort für "Siciliano's großen Tag" angemeldet. Immer Donnerstags gastiert dort ein Ingenieur der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) zur Verrichtung unterschiedlicher Dienstleistungen. Zu seinem Repertoire gehört in erster Linie die Abnahme der KFZ-Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO inklusive Abgas­untersuchung (AU) aber auch Oldtimerbegutachtung gemäß § 23 StVZO oder die Vollabnahme oder auch das Vollgutachten nach § 21 StVZO sind dann möglich.

Was genau ich für meinen Sizilianer nun benötige, ist mir noch nicht ganz klar. In den letzten Wochen beschäftigte ich mich deshalb bereits mit dem Thema EG-Typgenehmigung. Das ist der Eintrag in die alten Kraftfahrzeugbriefe (meistens ziemlich weit hinten):


Eine ganz alte Version der Typgenehmigung (von meinem ersten VW K 70)


Man kennt diese Angaben, die früher hinten im Fahrzeugbrief zu finden waren

Was bedeutet das genau?

Damit ein Fahrzeug zum Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen werden kann, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Eine davon lautet: „Das Fahrzeug muss einem genehmigten Typ entsprechen.“ Fahrzeuge, die serienmäßig in Europa und für den europäischen Markt produziert werden, besitzen im Normalfall eine EG-Typgenehmigung, ältere Fahrzeuge eine nationale Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE). Fahrzeuge, die keine Typgenehmigung besitzen, deren Typgenehmigung erloschen ist oder für die der Nachweis einer Typgenehmigung nicht (mehr) erbracht werden kann, benötigen ein sogenanntes Vollgutachten zur Erlangung einer Einzelbetriebserlaubnis nach § 21 StVZO.

Ein solches Vollgutachten wird erforderlich für die Zulassung älterer Importfahrzeuge von außerhalb Deutschlands ohne ABE und EG-/EU-Typgenehmigung (... also wie bei meinem Siciliano!).

Für die Begutachtung werden eine Herstellerbescheinigung oder das Datenblatt einer anerkannten Datenblattstelle sowie die ausländischen Zulassungspapiere benötigt.


Zulassung auf Butterbrotpapier?


Nur in diesem DIN A-3 Dokument ist die italienische Erstzulassung zu finden. Viel Platz gibt es hier allerdings für Überlassungsvermerke (ein italienisches Auto kann mit einer Hypothek belastet werden)

 
Während deutsche Zulassungsdokumente qualitativ recht stabil und wie für die Ewigkeit gemacht scheinen, gleichen italienische Papiere eher Butterbrotpapier. Nach über fünfzig Jahren ist die Schrift kaum noch zu erkennen. Vielleicht hat aber auch die sizilianische Sonne die Documenti vergilben lassen.


Das Telefonat hat nichts mit meinem Auto zu tun! 
 


Der Prüfer schaut mich ungläubig an. "Wie? Über dieses Auto soll ich ein H-Gutachten erstellen? Dafür muss die Lackierung aber erstklassig sein. Dieses hier ist ja überall schon mal unprofessionell nachlackiert!", nörgelt er herum. Er wischt mit der Hand über den Kofferraumdeckel, über das Dach, über die Motorhaube und schüttelt den Kopf. "Der Lack muss tip-top sein!"

Ich erkläre ihm freundlich, dass ich beschlossen habe, dass dieses Fahrzeug seine Patina behält! Es ist halt über 50 Jahre alt und war die ganze Zeit auf Sizilen.

Es folgt eine halbe Stunde Gezeter. Dabei kommt es mir so vor, als ob der Sachverständige versucht, der anstehenden Arbeit aktiv aus dem Weg zu gehen. Doch ich habe mir die Zeit heute morgen nicht extra freigekämpft, um mich von einem genervten Ingenieur unter fadenscheinigen Gründen abwimmeln zu lassen. Und glücklicherweise finde ich Unterstützung in Meister Jürgen. Mister GTÜ jammert, dass sich Dinge im Kofferraum befinden, im Auto Wolldecken ausgebreitet sind, dass er aber doch für seine Fotos einen sauberen originalen Innenraum erwarte...

Ich mache mich an die Arbeit und leere den Wagen, indem ich dessen kompletten Inhalt in eine Ecke der Werkstatt verfrachte... bis das Fahrzeug in originalem Zustand ist! Plötzlich huscht der Prüfer ums Auto und testet rundum mit einem Schichtdickenmessgerät dessen Lackdicke. Dabei murmelt er immer wieder: "Hmm, hier ist aber dünn...!" Irgendwann muss ich einfach einwerfen, dass das bei originalem Lack nun mal so ist und dass damit ja wohl bewiesen ist, dass der Wagen NICHT unprofessionell überlackiert ist. Er zieht die Augenbrauen hoch - und das Thema ist damit endgültig vom Tisch.

Er beginnt zu fotografieren. Innen, außen, überall. Dann hebt er den K 70 mit der Hebebühne nach oben. Spätestens jetzt merkt man dem Mann einen Gesinnungswechsel an. Er leuchtet mit seiner Taschenlampe in jede Ecke des Unterbodens, nickt hier mit dem Kopf und presst da ein "Oh!" heraus. Ich stehe nur daneben und schaue ihm zu. Irgendwann wendet er sich direkt an mich. "Alle Achtung! Der ist ja von unten in einem sensationellen Zustand! Sowas hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen!" Während der weiteren Besichtigung werden diese Äußerungen fast zu Begeisterungsrufen. Schließlich fragt er mich, was denn mit den Rädern ist. Ich deute auf die Reifenwerkstatt nebenan. Dort werden nämlich gerade neue Reifen auf meine mitgebrachten Alufelgen gezogen. Die Felgen werden von ihm sorgfältig begutachtet und bereits vorab als deutliche Aufwertung meines K 70 bezeichnet. Dieses H-Gutachten reift also durch Fuchsfelgen! 😏

Als nächstes geht's auf den Bremsenprüfstand. Die Bremsen an der Vorderachse funktionieren beidseitig erstaunlich gleichmäßig - dafür, dass sie zu Anfang der Restauration aussahen, als ob man x-fach dauerbremsend die steilen Serpentinen des Ätna heruntergefahren war (alle Gummimanschetten der Bremssättel waren regelrecht verkocht und geschmolzen), war dieses Bremsergebnis nun traumhaft! Die Trommelbremsen bedürfen jedoch noch etwas Feintuning.


Die Hinterachse spielt beim Bremsentest noch nicht richtig mit! Erst später lässt sie sich zur Mitarbeit überzeugen

Die Vorderachse erntet Lob für ihre gleichmäßige Wirkung 
Nächstes Thema soll die Abgasuntersuchung sein. Der feine Motorlauf wird explizit gelobt! Der CO-Wert ist aber viel zu hoch. Ich darf ihn runter stellen. Prima - nun passt alles perfekt!


Die AU bereitet wenig Sorgen


Viel zu viel CO
Jetzt werden draußen in der Sonne erstmal Fotos vom Auto geschossen. Dabei geht es zu wie bei einem Fotoshooting für die AUTOBILD. "Nochmal 90° nach links, direkt von vorn, anders herum, damit die Sonne auf's Heck scheint!" Nach 15 Minuten ist der Zauber vorbei. Ein letztes Mal auf den Bremsenprüfstand - die Hinterachse nach der Einstellung überprüfen... jetzt passt's.

 
 
 

Und fertig! Nur wenige Minuten später beschäftigt sich der Prüfer schon mit der HU an einem anderen Fahrzeug. Er verspricht mir, die Dokumente im Nachgang zu erstellen und mir dann per Post zuzuschicken. Es sei noch "ne Menge Arbeit" für ihn. Ja, ja - das kenne ich ja schon.

Geschafft! 😀

2 Kommentare:

  1. Da hast du aber Glück gehabt. Ja manche sind beim Lack gnadenlos, ein bekannter mussten seinen durch Sonne verblichenen Original-Lack ersetzen. Immer mehr scheinen aber "Patina" zu akzeptieren. Manchmal sieht man ja unglaubliches mit H. Mit den Aufklebern hast du aber auch Glück gehabt. Auch die musst du manchmal für Prüfer entfernen wenn sie nicht nachweislich zeitgenössisch sind.

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  2. Hi Christoph,

    ist mir schon klar, dass es da ein breites Spektrum an Sichtweisen gibt. Aber was ist ein Fahrzeug, dass äußerlich wie neu aussieht, aber bereits über 50 Jahre alt ist? Natürlich kann man auch einen Menschen medizinisch aussehen lassen, als sei er 16 Jahre alt - er ist aber in Wahrheit bereits 80 Jahre alt. Grundsätzlich fühlt man sich dann doch betrogen, oder?

    Ich denke es geht um Ehrlichkeit! Mein "Siciliano" zeigt, was er "in seinem langen Leben" auf Sizilien erlebt hat. Dabei hat er die eine oder andere Beule oder Schramme davongetragen. Wir hatten ihn ausgiebigst poliert und den Lack aufgearbeitet so gut es ging. Ich habe dafür gesorgt, dass bestimmte Stellen nicht wieder/weiterrosten können.

    Nebenbei habe ich den Wagen 19 Monate lang technisch sehr aufwändig wieder auf Vordermann gebracht - er war nämlich eigentlich defacto technisch tot. Inzwischen ist alles wieder in Ordnung - er ist technisch wieder okay. Ich finde, diese Bemühungen (... bei Bemühungen ist es ja nicht geblieben) und der Erfolg der Restauration wird mit dem H-Gutachten ebenso gewürdigt.

    Natürlich gibt es auch "die Restauration der Faulen", die Patina als Ausrede für ihre eigene Trägheit nutzen. Deshalb habe ich mir bei diesem Prüfer die Mühe gemacht und ihm meine Intuition klar gemacht. Ihm ist dabei klar geworden, dass ich es mir mit meinem "Siciliano" weißgott nicht leicht gemacht habe - und ich glaube, das war für ihn der Anstoss, das Gutachten trotz anfänglicher Zweifel durchzuziehen. Letztendlich hat er ja sogar selbst erkannt, dass die besonderen Werte dieses Autos nicht unbedingt in einer tadellosen Lackierung zu finden sind, sondern darin, dass seine Karosserie von selten gutem Zustand ist - eben, weil er auf Sizilien alt geworden ist. Der Prüfer selbst hat das so kategorisiert: "Ich glaube nicht, dass es noch einen so gut erhaltenen K 70 gibt. Die Fahrzeuge, die in Deutschland alt geworden sind, haben schließlich wesentlich intensiver unter dem Einfluss von Salz und Schnee gelitten." Und genau DAS ist meinem Sizilianer glücklicherweise erspart geblieben.

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