Samstag, 20. August 2022

Urlaub 2022... Anfang vom Ende?

Nach der spektakulären Oldtimerbergungsaktion im letzten Urlaub soll unser Urlaub 2022 ruhiger, einfacher und günstiger werden - zeitweise ist sogar fraglich, ob wir überhaupt irgendwohin fahren.

SCHWERMUT

Ehrlich gesagt kommt es mir grundsätzlich so vor, als ob der Begriff "Urlaub" zukünftig sowieso komplett neu definiert werden muss. So macht der unsägliche Ukraine-Krieg die Sicht auf die Dinge irgendwie unwirklicher. Die politisch offenbar mutwillig herbeigeführte und geschätzte Verteuerung jeglicher Energie lässt unsere Zukunft beklemmend erscheinen.

Ob wir zukünftig in gewohnter Weise noch in den Urlaub fahren werden können, scheint unsicherer denn je zuvor. Die abgehobenen (aber ja nur bis Ende August gedeckelten) Spritpreise zwingen uns, die Zukunft neu zu betrachten, neu zu ordnen, neu zu bewerten. Daher empfinde ich den diesjährigen Urlaub gewissermaßen als Anfang vom Ende - ich befürchte, dass es vielleicht das letzte Event vor einer großen (vor allem wirtschaftlichen) Talfahrt sein wird. Genau genommen wissen wir nicht mal, wie wir einigermaßen erträglich durch den nächsten Winter kommen sollen. Die Stimmung ist seltsam. Optimismus fällt jedenfalls schwer. 

Dennoch beschließen wir, ein paar Tage an die Ostsee zu fahren. Durch die Rügen-Erfahrungen vor zwei Jahren kommt Meck-Pomm für mich momentan nicht in Frage. Unser Bedarf nach Ruhe und Abgeschiedenheit hat sich jedoch keinesfalls geändert.

Daher interessiert mich die Ostseeküste Dänemarks. Keine 100 Kilometer entfernt von dort, an der West Coast, eskaliert auf Sylt durch das 9,-€-Ticket momentan eine schrille Punk-Szene und deklassiert die Schickimicki-Insel zum prolligen Mallorca Nordfrieslands. Hoffentlich reicht unsere räumliche Distanz zu diesem Touristen-Hotspot.

Gleich die erste Ostsee-Insel hinter der Grenze (dän. Grænse) scheint allerdings unseren Ansprüchen gerecht zu werden. Ich habe zwar noch nie von "Als" oder "Alsen" gehört oder gelesen - allein diese Tatsache könnte schon ein gutes Omen sein. Berichte und Fotos im Internet versprechen immerhin genau das, wonach wir suchen.

Also navigieren wir über die A1 und A7 etwas über 300 Kilometer nach Norden, verlassen die dänische E45 nach der Grenze in östlicher Richtung gen Sonderborg. Dort erreichen wir über den Alssund die Insel Alsen. Wir sind ziemlich überrascht, dass sie so hügelig ist - diese Landschaft schmeichelt dem Auge. Nach ein paar Kilometern scheint es sehr einsam zu werden. Zumindest auf den ersten Blick gibt es hier keinen Tourismus. Am Ende halten wir jedoch vor einem kleinen Campingplatz.


AUGUSTENHOF STRAND CAMPING


Erster Eindruck vom Augustenhof


Es ist ein kleiner Laden angeschlossen

Der Platz strahlt eine gewisse Ruhe aus

An dessen Rezeption werden wir überaus freundlich empfangen. Die Besitzerin spricht Deutsch mit uns - Dänisch können wir nicht. Ich erkläre ihr, dass es uns auf der Ostsee-Seite Dänemarks deutlich besser gefällt, als auf der Nordsee-Seite, beispielsweise in Henne Strand. Sie antwortet, dass Dänen dorthin nicht zu fahren pflegen, weil es touristisch einfach total überlaufen sei. Gäste auf Alsen wären jedoch eher auf Entspannung und Ruhe aus. Hier sind wir offenbar richtig.

Schließlich kann sie uns sogar einen Stellplatz auf ihrem Campingplatz Augustenhof anbieten. Später bauen wir auf dem zugewiesenen Platz unser Lager auf und essen zu Abend.


Am nächsten Tag erkunden wir den angrenzenden Strand. Er ist bis zu zwei Meter breit, sandig und im flachen Wasser leider steinig. Die Wellen haben am Spülsaum fast überall Algen und Pflanzenreste angeschwemmt. Das Wasser hat geschätzte 17°C, was einem langen Aufenthalt darin leider entgegen wirkt. Immerhin ist es - auch anders als bei der Nordsee - klares und offenbar sauberes Wasser.





In Sichtweite unseres REDSTARs steht ein rotbrauner T3 mit Hochdach. Der dazugehörige junge Mann erzählt, dass der Wagen eigentlich seinem Vater gehöre, er sich aber vorstellen könnte, das Fahrzeug mal irgendwann zu übernehmen.

Wir kommen ins Gespräch, weil ihn unsere in die Schiebefenster einsteckbaren Lüftungsgitter interessieren. Er wüsste nicht mal, wonach er dieses praktische Zubehör bei Google suchen sollte. Da können wir natürlich weiterhelfen. Er meint, dass er überlegt, den Bulli seines Vaters bei Übernahme vielleicht mal zu restaurieren. Er wohne jedoch in Berlin und habe keine für dieses Vorhaben benötigte Werkstatt oder Garage. Ich biete ihm wenigstens an, als Info-Joker per eMail oder Telefon zu dienen. Irgendwie sind wir Bulli-Freaks alle eine große Familie - einen Bulli zu fahren verbindet. Und über den Bulli entstehen Gespräche zwischen Menschen, die sich sonst wahrscheinlich eher nicht miteinander unterhalten hätten.


Am Vormittag des dritten Tages machen wir uns wieder auf den Heimweg. Abends kommen wir zuhause an.



NETPHEN UND DAS SIEGERLAND

Schon am nächsten Tag brechen wir zur zweiten Runde auf. Diesmal geht es Richtung Süden. Ziel ist das Städchen Netphen bei Siegen. Dorthin ist unsere Freundin Carmen gezogen. Die Witwe war mit meinem Freund Klaus verheiratet. Nach seinem Tod vor sechs Jahren hatte es die Pastorin beruflich ins Siegerland gezogen. Schon seit Langem haben wir ihr einen Besuch versprochen.

Da die A45 ja bekanntlich momentan wegen umfangreicher Brückenbauarbeiten (denn nicht nur in Italien gibt es extrem marode Brückenbauwerke) nur unter erschwerten Bedingungen (Staus, Wartezeiten, Umleitungen etc.) zu nutzen ist, nehmen wir den direkten Weg mitten durch das Sauerland. Dorthin gelangen wir recht problemlos über die A33 vorbei an Osnabrück, Bielefeld, Gütersloh, Paderborn, dann per Bundesstraße über Brilon, Winterberg, Bad Berleburg, Erndtebrück nach Netphen.



Carmen freut sich natürlich über unseren Besuch. Wir lernen ihre neue Umgebung und auch ihren netten Lebenspartner Andy kennen.



Der Gillerbergturm erlaubt einen weiten
Blick über das Siegerland

Leider muss Carmen am nächsten Tag schon wieder arbeiten, sodass unser Besuch eher kurz ausfällt. Nachmittags sind wir schon wieder unterwegs nach Hause - diesmal auf der etwas westlicheren Strecke über Hilchenbach, Schmallenberg, entlang des Hennesees, Meschede, Warstein, Anröchte, Erwitte, Lippstadt, Wiedenbrück, über die A2 wieder zum Kreuz Bielefeld, dann per A33 wieder zurück nach Hause.


DAS AUDI-CABRIO WIRD OLDTIMER

Mitten im Urlaub habe ich einen offiziellen Termin. Denn genau 42 Tage nach seinem 30. Geburtstag soll mein kristallsilbernes Audi Cabrio sein Oldtimer-Gutachten bestehen und ein H-Kennzeichen erhalten.

Also fahre ich zur Jülke Classic Garage nach Brockum. Dort nimmt ein Diplom-Ingenieur der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ) den Wagen unter die Lupe. Faktisch unterzieht der KFZ-Fachmann meinen Audi einer Hauptuntersuchung. Dann begutachtet er seinen Zustand und sucht nach Abweichungen vom Original.




Jetzt mit H-Kennzeichen



Da ich bei meinem Cabrio großen Wert darauf lege, dass es nicht tiefergelegt ist, mit einer serienmäßigen Abgasanlage versehen und auch sonst ohne nachträgliches Gedöns verbastelt ist, attestiert der Prüfer einen guten Pflege- und Erhaltungszustand. Das Urteil: in der langen Liste der Zustände aller Baugruppen erfüllt das Auto sämtliche Erwartungen.

Daher endet das Gutachten mit den Worten "Das Fahrzeug erfüllt die Anforderungen als 'kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut' und kann gemäß §23 StVZO als 'Oldtimer' eingestuft werden."

Es ist wahrscheinlich kein Geheimnis: durch den Schritt zum H-Kennzeichen werden aus der Kraftfahrzeugsteuer statt 363,- EURO (Saisonkennzeichen für 6 Monate = 181,50 EURO) nur noch 191,- Euro (Saisonkennzeichen für 6 Monate = 95,50 EURO).



In der letzten Woche des Urlaubs fahren wir nach

HOLLAND,

genau genommen nach Voorhout (... die Wortspiele sind eröffnet! 😄). Dieses kleine Städtchen liegt keine zwei Kilometer hinter den Dünen an der Nordsee zwischen Den Haag und Amsterdam. Dort lebt Jos, ein lieber K 70-Club-Kamerad mit seiner Familie.

Auf dem Weg durch den Ort fällt uns sofort sein blauer K 70 auf. Der parkt vor einer Wäscherei bzw. Reinigung, die Jos gehört.


Es kann nur einen K 70 in Voorhout geben...

Hier ist Jos der Chef

Nach einer herzlichen Begrüßung fahren wir weiter zu seinem Haus, nur wenige hundert Meter von seinem Betrieb entfernt. Seine Frau Ellen lädt uns gleich zu einem kleinen Plausch in ihrem Garten ein. In diesem Garten schlummern überall K 70-Reliquien. Ich finde einen Motor, Räder, natürlich einen K 70... und hinter dem Garagentor, vor dem wir sitzen, soll sich auch noch ein K 70 und ein wahres K 70-Teilelager befinden. Ich stelle fest, dass ich also nicht der Einzige bin, der K 70-crazy ist. Wobei: bei Jos liegt der Sachverhalt etwas anders. Er fährt nämlich schon seit Jahren, eigentlich sogar seit Jahrzehnten, nichts anderes, als ausschließlich K 70. Die Familie besitzt lediglich drei K 70, von denen nur zwei im (mehr oder weniger) regelmäßigen Betrieb sind. Der K 70 in der Garage im Garten könnte selbst bei noch so großem Willen nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, denn die Hofeinfahrt, auf auf der das Fahrzeug einst in die Garage gelangt sein muss, ist inzwischen total zugewuchert und somit nicht mehr befahrbar.


Doch noch ein versteckter K 70

Vorm mysteriösen Garagentor
  ... hier ein K 70-Motor...

... dort eine K 70-Felge mit Reifen...

... und da auch wieder ein K 70-Rad


Jos' Alltags-K 70

Am nächsten Tag brechen wir nachmittags auf zum Kamper-Weekend nach Landsmeer, Jos und Ellen kommen abends nach. Diese dreitägige Veranstaltung ist von Mitgliedern des holländischen K 70-Clubs organisiert und findet auf einem privaten Grundstück einige Kilometer nördlich von Amsterdam statt. Wir entscheiden uns, nicht über die Autobahn dorthin zu gelangen, sondern querfeldein über Haarlem und Amsterdam.

ACH, HÄTTEN WIR DOCH BLOSS ANDERS ENTSCHIEDEN!

Wir kommen von Osten in Amsterdam an. Dort nerven mich schnell die dämlichen Ampelphasen. Wirklich JEDE Ampel zwingt die Autofahrer zu stoppen. In dem Moment, in dem man zum Stehen gekommen ist, wird die Ampel wieder grün. Trotz Einhaltung sämtlicher Tempolimits muss man stets an JEDER Ampel stehenbleiben. Von einer vernünftigen Verkehrsplanung haben die Holländer offenbar keine Ahnung. Es nervt einfach extrem.


In der Einflugschneise des Flughafens Amsterdam Schiphol

HOLLÄNDISCHES DESASTER

Doch dann wird es hektisch. Wir befahren eine zweispurige Straße (die S101) Richtung Innenstadt. Nach einer Kreuzung zeigen die auf der Straße aufgebrachten Verkehrszeichen, dass der linke Fahrstreifen gleich nach links abgeht - geradeaus geht es nur noch auf dem rechten Fahrstreifen. 30 Meter vorher beginne ich deshalb nach rechts zu blinken und sichere ordnungsgemäß über den rechten Außenspiegel nach hinten ab. Der Opel Insignia hinter mir willigt meinem Vorhaben offenbar per Lichthupe und Hupe ein und ich wechsle sanft nach rechts.

Plötzlich schabt es, kracht es laut und wir drehen uns ein Mal um fast 180° im Uhrzeigersinn - beinahe wären wir sogar noch in der angrenzenden Mauer zum Radweg gelandet😖. Glücklicherweise kommen wir jedoch noch rechtzeitig zum Stehen. Der Opel kann gerade noch direkt vor uns stoppen. Außer einem ordentlichen Schrecken ist uns glücklicherweise nichts passiert. Auch der junge Mann aus dem Insignia ist unverletzt.


Ob's hier häufiger kracht?              ☝ Google Maps 👉

50 Meter weiter geht's nur noch rechts geradeaus

Da hat der Einheimische  mich "abgeschossen"

Plötzlich stehen wir in Gegenrichtung

Der Insignia hat uns fast um 180° gedreht


Ich begutachte den
REDSTAR. An der linken Seite und hinten gibt es keine Schäden. Die vordere GFK-Stoßstange ist links und rechts eingerissen. An der rechten Seite zeugen Risse ebenfalls vom Zweikampf. Die Beplankung auf der Beifahrertür ist unrettbar zerbröselt - auch mit Glasfasermatte und Polyester gibt es für sie keine Chance. Ebenso ergeht es dem Beplankungsteil hinter der Schiebetür. Die Beplankung der Schiebetür ist nur im hinteren Bereich zerbröselt. Die Beplankung unter dem Tankeinfüllstutzen ist unberührt.

Neben dem Eindruck in der unteren Beifahrertür und einer weiteren Beule in der hinteren, unteren Schiebetür fällt am meisten der tiefe Eindruck vor dem Hinterrad auf. Der Einschlag an dieser Stelle hat den Wagen offensichtlich in der Bewegung zu der imposanten 180°-Drehung gebracht. Ich habe es so empfunden, als habe der Insignia-Fahrer absichtlich nach links gelenkt und dabei auch noch ordentlich Gas gegeben - deshalb vermute ich eine gewisse Mutwilligkeit. Seltsam.

Nach einer Zeit ist auch die gerufene Polizei zur Stelle. Beide Fahrer müssen einen Alkoholtest über sich ergehen lassen. Bei Beiden ist kein Alkohol im Spiel. Man will die Führerscheine sehen. Dann beschließt man, dass zunächst die Fahrzeuge zu einer Stelle gefahren werden sollen, an der sie keine Verkehrsbehinderung mehr darstellen.


Spurlos ist der Angriff nicht am Insignia
vorbeigegangen

Einschlag in der Tür (unten rechts)

Tornadorote Spuren am Opel

Musste das sein?

Dort werde ich angeleitet, einen niederländischen Verkehrsunfallbericht auszufüllen. Auch der Unfallgegner bekommt das Formular zur Bearbeitung. Jeder trägt auch in Kurzform seine Sicht des Unfallhergangs ein. Anschließend dürften wir auf der Rückseite noch genauer Stellung nehmen. Dann verabschieden sich die Polizisten... und sind weg. Kein Aktenzeichen, keine Klärung der Schuldfrage... einfach weg! Seltsam.

Beide Unfallgegner tauschen Durchschläge des Unfallberichts aus... ich habe vorsichtshalber NICHTS unterschrieben. Der Unfallgegner, ein 25-jähriger, hat sich die ganze Zeit nicht ein Mal mit mir unterhalten - ich demzufolge auch nicht mit ihm. Seltsam.😟

URLAUBSENDE

So verlassen wir diesen Ort des Unheils und beschließen, nicht mehr am Kamper-Weekend teilzunehmen. Die Lust daran ist uns vergangen. Allerdings werden wir diese Entscheidung persönlich in Landsmeer verkünden.

Als wir dort ankommen, ist man über unsere baldige Abreise natürlich sehr traurig, kann es aber durchaus nachvollziehen. Wir speisen noch mit der kleinen Gruppe (am nächsten Tag kommen noch weitere Teilnehmer). Als es dunkel ist, brechen wir schließlich auf. Kurz vor Mitternacht passieren wir beim Bentheimer Wald die Grenze zu Deutschland, zwei Stunden später sind wir wieder zuhause.

Irgendwie war das in diesem Jahr ein sehr seltsamer Urlaub.

In Bälde gibt es EINIGES zu Tun... Beplankungsteile für den REDSTAR sind bereits bestellt! Und macht Euch keine Sorgen - er ist vollkaskoversichert!

2 Kommentare:

Snoopy hat gesagt…

Oje, hoffentlich ist der T3 bald wieder heil. Und in Dänemark egal ob an Nord/Ostsee gibt es noch viele kleine nicht überlaufende Orte (Ausnahme sind die dänischen Sommerferien). Jütland ist ja mein Favorit. Die bekannte Orte meide ich auch...

El Gigante hat gesagt…

Hallo Christoph,

der Gutachter schätzt den Schaden auf etwa 5.000,- EUR. Die Versicherung hat sich bereit erklärt, das auch zu bezahlen. Die Lackiererei ist zuversichtlich, die Sache beheben zu können. Ich werde vom weiteren Vorgehen berichten.