Kennt Ihr noch die Rudi Carrell Show
- Laß Dich überraschen? Diese erfolgreiche Samstagabend-Show wurde von 1988
bis 1992 im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Ihr wichtigster Bestandteil
war stets, bestimmten Menschen einen lang gehegten Wunsch oder Traum zu
erfüllen.
Vor dem Lesen erstmal den Soundtrack zum Ereignis anhören :-)
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Am 25. August habe ich mich mal in die Rolle des 2006
verstorbenen niederländischen Showmasters begeben. Einige Wochen zuvor
erreichte mich nämlich eine eMail, in der mir die Idee vorgetragen wurde,
den Vater bzw. Schwiegervater an seinem 80. Geburtstag mit einer kleinen
Fahrt in einem VW K 70 zu überraschen. Der alte Herr sei früher selbst
begeisterter K 70-Besitzer und -Fahrer gewesen und würde sich ganz sicher
sehr über eine solche Erinnerungsfahrt freuen.
Das versprach natürlich eine Aktion
nach meinem Geschmack zu werden. Und da ich für diesen Wunsch nur gerademal
etwa 70 Kilometer ins westfälische Werther reisen musste, sagte ich zu, dort
am Ehrentag als Gast mit meinem K 70 zu erscheinen. Begünstigt durch meine
Tätigkeit als Fahrlehrer, gelang es mir glücklicherweise sogar, meine Termine so zu organisieren, dass ich deswegen an diesem normalen Wochentag keinen
Arbeitsausfall zu beklagen hatte.
Ortstermin: durch einen wolkenbruchartigen Regenschauer etwas verspätet, stehe ich dann
vor der Haustür des Jubilars. Es öffnet zunächst die Tochter. Sie
berichtet, dass der Vater noch einen Augenblick brauche. Inzwischen
erscheinen auch die zweite Tochter und der Schwiegersohn. Alle freuen sich
über meinen Besuch und natürlich über den mitgebrachten K 70. Sofortige
fachmännische/fachfrauliche Begutachtung: "Welches Baujahr? Der sieht ja
wirklich noch gut aus! Hat der Doppelscheinwerfer? Welche Maschine ist da
drin? Von hinten sieht er genauso aus, wie auch unserer damals aussah!"
Plötzlich: "Achtung - er kommt!" Und schwupps - steht ein
weißhaariger Herr mit großer Brille vor mir in der Haustür. "Guten Tag - ich
hab Ihnen da mal was mitgebracht!" Ich reiche ihm zum Gruß die Hand und
präsentiere gleichzeitig mein Fahrzeug. Er lächelt und sagt leise "Einen K 70
hab ich auch mal gehabt!" Die Töchter lotsen ihren Vater gleich zum Auto und
erklären ihm, dass wir eine kleine Fahrt damit unternehmen werden. Er will
hinten einsteigen, "... nein, nein - Du sitzt natürlich vorne!" Lächelnd
nimmt er auf dem Beifahrersitz Platz! Blitzlichtgewitter - Töchter als
Paparazzis - ich fotografiere auch.
Beinahe hätte ich vergessen, dem Jubilar zu gratulieren - das hole ich jetzt
schnell nach. Aber ich muss mich beeilen, denn im gleichen Moment fängt es
wieder an zu regnen.
Wie wohl in alten Zeiten sitzen die Töchter hinten. Na, dann mal los! "Das Armaturenbrett sieht genauso aus, wie bei unserem!" Wir
rollen rückwärts auf die Straße "Da vorne wieder rechts!" Die Mädels haben
sich eine kleine Tour durch den Teutoburger Wald einfallen lassen - aber es
schüttet wie aus Kübeln. "Na toll!" kommt von hinten, aber was soll man
machen?
Der Vater schwelgt allerdings bereits in Erinnerungen: "Wir waren oft mit der Familie und dem K 70 in Italien. Er hat ja einen riesigen Kofferraum." Prasselnder Regen auf dem K 70-Dach. "Unser K 70 ist in den Bergen auch mal gern heiß gelaufen - wenn es ordentlich bergauf ging, dann hat er auch schonmal gekocht!" Zwei Kurven weiter beruhigt sich der Wolkenbruch, dafür ist jetzt die Straße holpriger. "Komfortabel gefedert war der K 70 schon immer!" stellt das Geburtstagskind begeistert fest. "Aber die Ersatzteilbeschaffung wurde damals schon schwieriger - wir mussten mal den Auspuff im Urlaub schweißen lassen!"
Während ich bisher eher vorsichtig durch die mir
unbekannten Kurven gefahren bin, beschleunige ich den K 70 jetzt mal ein
bisschen knackiger auf einer geraderen Strecke. "Der K 70 hat einen
NSU-Motor!" weiß der 80-Jährige. "So ähnlich! Das ganze Auto wurde von NSU
entwickelt und später bei VW in Salzgitter gebaut" ergänze ich. "Unserer
hatte eine schwarze Innenausstattung, oder Papa? Hatte unserer eigentlich
auch Kopfstützen?" wollen die Töchter wissen. "Ja, unserer hatte auch
Kopfstützen!"
Und "Hier hinten hat der in der Mitte so eine herausklappbare Armlehne, nech?" Bei mir ist über die hintere Sitzbank und Rückenlehne eine blaue Wolldecke gebreitet - und natürlich haben die Mädels Recht. Man merkt jedenfalls während der Fahrt, dass sich Vater und Töchter auskennen - sie sind im K 70 noch immer ein bisschen wie zuhause, haben die liebgewonnene Umgebung in diesem Auto noch lange nicht vergessen.
Als wir schließlich wieder die Hofeinfahrt hinauf fahren,
kommt tatsächlich auch die Sonne zum Vorschein. Die kleine
Geburtstagsgesellschaft stellt sich für ein Foto schnell nochmal vor dem Auto auf:
"Passt auf, dass wir den K 70 nicht verdecken - er muß doch auch mit drauf!"
Da fällt auf, wie sehr so ein Auto Familienanschluß haben kann - und diese
tiefgründige Bemerkung kam in diesem Fall eindeutig von den Damen! *KLICK*
"Und jetzt gibt's Kaffee und Kuchen!"
Auf der Torte ist ein Foto vom Geburtstagskind zu sehen.
Dieses Tortenbild zeigt ihn auf einem jener Motorroller sitzend, die vorn zwei
Räder haben (siehe Bild links). Auf der Torte steht außerdem "LEO" und "80 Jahre" - erst jetzt
fällt mir auf, dass ich den Namen des Geburtstagskindes noch gar nicht kannte.
An
der Kaffeetafel erzählen wir uns natürlich Geschichten, in denen zumeist Autos
vorkommen - da geht mir bekanntlich niemals der Gesprächsstoff aus!
Schließlich
legt die Familie ein Fotoalbum auf den Tisch: "Da waren wir mit unserem K 70
in Italien, hier mit Boot auf dem Anhänger an der Weser". Ich betrachte die etwas
rotstichigen Bilder ihres Lebens: zwei niedliche Mädchen mit bodenlangen
Röcken - "das hat Mama grundsätzlich alles selbst genäht" - mit Mama und
Papa in Feierrobe vor ihrem roten K 70, dann den K 70 auf einem Parkplatz in
Italien ("... die Nebelscheinwerfer hab ich selbst nachgerüstet"), schließlich den K 70
als Zugfahrzeug vor dem Anhänger mit Boot, davor Leo (unverkennbar) als
Freizeitkapitän mit passender Mütze und Gemahlin.
Neben dem Foto steht in
dünnen Bleistiftstrichen "1980". Die anderen Zahlen in diesem Album lassen
darauf schließen, dass der K 70 bis etwa 1984 in Besitz von Leo`s Familie war - gefolgt von einem Opel Rekord E.
Doch offensichtlich nicht ganz grundlos hat es ausgerechnet der K 70 als Stargast auf Leo`s 80. Geburtstag geschafft und
eben nicht ein Rekord E. Ich glaube kaum, dass sich die hübsch berockten
Töchter des Hauses - sorry, die Mädels dürften ja dementsprechend
mittlerweile auch schon knapp 30 sein :-) - auch noch so gut an den ollen
Opel erinnern könnten?
Nach über drei Stunden muss ich mich von dieser illustren Geburtstagsrunde
losreißen - ich habe ja schließlich noch zu arbeiten. Die Familie bedenkt mich
freundlicherweise noch mit etwas Spritgeld (Danke dafür!), ich verabschiede mich artig und
werfe noch eben ein, dass wir uns dann bei Leo´s 90. Geburtstag wiedersehen. Bis dahin also: Lebe wohl, Leo!
Und schon ist dieser Überraschungsauftritt wieder Geschichte.
Es war mir ein ganz besonderes Vergnügen, den alten Herrn nochmal mit meinem
K 70 in die 70er- und 80er-Jahre zurück versetzt haben zu dürfen (... dieser Satz... welch grammatikalische Meisterleistung *Lach*).
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