Montag, 2. April 2012

Denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen

Es war die erste Kalenderwoche des Jahres 2000: Eine akute Pankreatitis, das ist eine lebensgefährliche Bauchspeicheldrüsenentzündung bei der sich in meinem Fall 60% dieses Organs selbst verdaut hatten, fesselte mich an ein Bett der Intensivstation des Marienhospitals in Vechta. Meine Rettung durch die Ärzte dieser Klinik war ziemlich knapp – ohnmächtig vor Bauchschmerzen hatte ich am Vormittag des 28. Dezember 1999 nicht mal mehr spüren können, wie Blutdruck und Puls in bedrohliche Tiefe rutschten.

Abends erwachte ich, angeschlossen an neun Perfusoren, Infusiomaten und Herzüberwachung – und glücklicherweise wieder ohne Schmerzen. Gerade der letzte Fakt ließ mich zunächst leichtfertig annehmen, dass mein Krankenhausaufenthalt nur von kurzer Dauer sein würde. Das Studium der am Fußende des Bettes aufbewahrten Krankenakte holte mich jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.
Im Gespräch mit dem behandelnden Facharzt wurde auch klar, wieviel Glück ich zum Beispiel allein mit meiner Entscheidung hatte, genau dieses Krankenhaus ausgewählt zu haben und nicht die viel näher gelegene Klinik in Diepholz. Dort wäre eine dringend nötige Hilfe nämlich vermutlich bereits an der entscheidungskräftigen Zuständigkeit eines Facharztes gescheitert. In Vechta praktizierte hingegen zufälligerweise eine zu diesem Zeitpunkt in Norddeutschland einzigartige medizinische Koryphäe für mein Krankheitsbild.
Der Bronzeengel begleitet mich seit Januar 2000

Noch auf der Intensivstation stattete der für unsere Kirchengemeinde zuständige Pastor Andreas Flug mir einen Besuch ab, worüber ich mich unglaublich freute. Der lediglich ein paar Jahre ältere Theologe war damals gerademal zweieinhalb Jahre im Dienst der Marienkirche in Drebber.

Als Ehrenamtlicher unterstützte ich ihn nach seiner öffentlichen Suche im Kirchenblatt – darin warb er händeringend um Mitarbeiter für das Redaktionsteam des Gemeindebriefes.

Wir lernten uns in der Folge bei dieser Zusammenarbeit kennen und verstanden uns fortan außerordentlich gut.













Andreas Flug zeigte sich angesichts der medizinischen Gerätschaften um mich herum etwas erschrocken über meinen gesundheitlichen Zustand. Aber natürlich hoffte er auch auf meine baldige Genesung. Wir flachsten sogar ein wenig herum. Zum Schluss seines netten Besuches schließlich schenkte er mir einen kleinen Schutzengel aus Bronze.

Der Pastor erklärte mir, dass dieser Engel bereits sehr lange auf seinem Schreibtisch stehend auf seinen Einsatz gewartet hatte.

Bevor er nun zu seinen Krankenbesuchen aufgebrochen war, kam ihm der Engel in den Sinn. Es schien, als ob der Bronzeengel auf genau diesen Zeitpunkt gewartet hatte – deshalb steckte Andreas ihn ein und übergab ihn mir an jenem Tag im Krankenhaus.

Dieser Tag ist mittlerweile über zwölf Jahre her. Mein Engel hat ordentlich zu tun gehabt – und er hat ganze Arbeit geleistet. Einen Tag nach seiner Übergabe wurde ich von der Intensivstation in ein normales Krankenzimmer verlegt, drei Wochen später konnte ich das Krankenhaus sogar wieder verlassen.
Der Bronzeengel begleitet mich seitdem ständig und überall.

Allerdings konnte mich seither der Engel nicht vor allen schlechten Einflüssen beschützen. Möglicherweise mögen aber gerade und besonders diese Situationen von ihm geleitet gewesen sein. Es ist also durchaus möglich, dass sich Dank dem Schutzengel in meinem Leben sehr vieles in positiver Sicht verändert hat … und das hält hoffentlich noch lange an!
Pastor's Motto
Pastor Flug bei Leah's Konfirmation
Andreas Flug bei unserer Hochzeit 2006
Der letzte Sonntag war nun ein gleichzeitig fröhlicher, trauriger und überraschender Termin. Aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen, die auch die evangelische Kirche erreicht haben, standen in unserem ländlichen Raum Kürzungen an. Durch rigorose Stellenstreichungen kam es zu einem traurigen Ende der Dienstzeit von Pastor Flug in unserer Marienkirche. Mit ihm ging ein unglaublich kreativer, innovativer, aktiver, mitreißender, beliebter und herzlicher Mensch seiner Wege. 


Für seinen letzten „Einsatz“ hatte er den diesjährigen Konfirmanden/innen – unter ihnen auch meine Stieftochter Leah - versprochen, den feierlichen Konfirmationsgottesdienst abzuhalten.


In seiner letzten Predigt zitierte der Pastor dann unter anderem einen seiner Lieblingssätze aus der Bibel „Denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen.“ … mir fiel sofort mein Bronzeengel, der mich natürlich wieder begleitete, ein.

Welch seltsamer und zugleich bewegender Zufall.


Am Schluss dieses Konfirmationsgottesdienstes zogen die Konfirmanden aus der Kirche aus – am Ende folgte ihnen Pastor Flug. Nach mehr als fünfzehn Jahren verließ er somit die Marienkirche.

Ich musste schlucken, spürte einen Kloß im Hals. Dort ging nicht nur ein Pastor, es ging auch ein Freund.

Draußen reichte ich ihm zum Abschied meine Hand, zeigte ihm meinen Bronzeengel, bedankte mich nochmals dafür und wünschte ihm alles Gute … eigentlich bekam ich fast gar kein Wort heraus.

Dieser Abschied schmerzte mich. Und ich weiß, dass nicht nur ich dieses Gefühl hatte.

Alles Gute, Andreas!

6 Kommentare:

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    1. Tja, das Leben ist kein Ponyschlecken :-)

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  2. Wer mich kennt, weiß das ich der Institution Kirche eher maximal neutral gegenüberstehe... Dennoch finde ich es bedenklich, das in unserem Land die Kirche derart auf dem Rückzug ist, und wesentlich rückständigeren und intoleranterem Gedankengut weicht. Die meisten Menschen werden halt erst dann gläubig, wenn es dem Ende zugeht... Man weiß ja nie!

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  3. Anonym3.10.13

    Die Geschichte hat mich berührt. Danke für die guten Worte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein enger Kontakt zum Leben der Kirche, mein Leben total geändert hat im positiven. Ich kann nur bestätigen, dass man einen ganz anderen Blick für die Dinge bekommt. Auch wenn ich von Kindesbeinen zur ev. Kirche gehöre so ist die enge Bindung doch erst viel später gekommen. Es ist schade, dass so viele Menschen darauf verzichten und sich einreden, sie brauchen diese Gemeinschaft nicht.

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  4. Ich finde es so toll, was diese Engel an Vertrauen aufbauen - kein Mensch kann das leisten. Ich habe seit langer Zeit (5 Jahre) diesen Engel und es reicht mir völlig, dass er immer "einfach nur da" ist. Menschen wollen immer, dass man ihre Bedürfnisse befriedigt - mein Engel erwartet nicht, dass ich ihm etwas vorweise.
    Ich darf vor ihm genau so sein wie ich bin, wie Gott mich ursprünglich gedacht hat. Und er verweist mich auf Jesus, meinen Herrn.
    Ein Segen, dass es Dich gibt, lieber Engel, ein Segen!

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  5. Etwa eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung dieses Beitrags passierte Folgendes:

    Ich verbrachte mit der Familie einen Urlaubstag am Ostseestrand in Hohen Wieschendorf bei Wismar. Wie bereits im Beitrag erwähnt, habe ich meinen bronzenen Schutzengel immer in der Hosentasche dabei. Auch am Strand - aber nicht im Wasser! Ich hängte an diesem Tag meine Sachen in unseren Sonnenschirm.

    Als ich am Abend in der Wohnung unserer Freunde, wenige Kilometer vom Strand, in der Hosentasche suchte, war der Engel verschwunden. Ich suchte verzweifelt sämtliche Taschen ab, überlegte, wo der Schutzengel geblieben sein könnte - doch meine Bemühungen verliefen ohne jeglichen Erfolg. Mich befiehl eine tiefe Traurigkeit, die natürlich auch meiner Frau nicht entging. Nachdem ich ihr den Verlust des Engels erklärt hatte, suchte auch sie danach - leider ohne Erfolg.

    In der Nacht nahm ich gedanklich Abschied vom Schutzengel. Irgendjemand hatte mir mal erzählt, dass der Verlust eines solchen Talismanns bedeuten könnte, dass er seinen Zweck erfüllt hat, nun also nicht mehr benötigt wird. Diese Begründung beruhigte mich etwas.

    Am nächsten Tag wollten wir aus dem Urlaub wieder nach Hause zurück fahren. Meine Frau ließ mich unter einem Vorwand nochmals einen kleinen Umweg an den Strand fahren. Der Parkplatz dort war mit Hecken und Büschen vom Strand getrennt. Hinter diesem Grün verschwand sie für eine viertel Stunde am Strand. Wieder zurück im Auto legte sie mir meinen Engel in die Hand - sie hatte ihn wiedergefunden! So nahm der Urlaub doch noch ein glückliches Ende.

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