Donnerstag, 26. Mai 2016

Meine DJ-Biografie - Kapitel 19: TONTRÄGER IM WANDEL DER ZEIT









Rückblickend fällt mir heute besonders auf, wie rasant schnell sich die Welt der Technik über die gesamte SOUNDBOX-Zeit doch verändert hat. Startete doch auch ich einst tatsächlich noch mit jenem Musikmedium, das bereits vor über 120 Jahren von Charles Sumner Tainter erfunden wurde. Ich meine natürlich die Schallplatte. Kistenweise schleppte ich mich damals mit Singles, Maxis und Langspielplatten zu allen SOUNDBOX-Auftritten ab.
Denn diese Musikträger haben en masse ein enormes Gewicht. Problematisch an ihnen ist zudem, dass das Material, aus dem sie hergestellt sind - nämlich Polyvinylchlorid oder auch PVC - bekanntlich ziemlich kratzempfindlich ist. Ihre Haltbarkeit ist daher begrenzt. Die in diesen thermoplastischen Kunststoff schneckenartig eingepresste Rille enthält die für das Klangerlebnis wichtigen Informationen. Sie wird mit einem besonderen Gerät, dem von Thomas Alva Edison bereits 1877 erfundenen Plattenspieler, abgetastet. Dessen Tonarm "durchpflügt" die Rille mit einem kleinen, speziellen Edelstein und nimmt die Informationen in Form von Schwingungen auf. Diese werden dann in schwach elektrische Ströme umgewandelt und können anschließend mit einem Verstärker wiedergegeben werden.


Aus heutiger Sicht war dieses System jedoch nicht das Schlechteste. Speziell die Singles waren damals – Mitte der 80er-Jahre- mit etwa 5,- DM relativ günstig zu erwerben. Maxis gab es für etwa 10,- DM und für eine Langspielplatte bezahlte man um die 20,- DM. Für die Anschaffung eines guten Schallplattenspielers rechnete man mit etwa 400,- DM. Je nach Nutzung war dann irgendwann mal ein neues System fällig, d.h. es musste lediglich das Abtastsystem, der Saphir, ausgetauscht werden. So konnten die Turntable, wie die Geräte später modern bezeichnet wurden, Jahrzehnte überdauern.

Im harten Discoeinsatz mussten sie, von denen meistens zwei vorhanden waren, allerdings einiges wegstecken. Speziell der Transport forderte seinen Tribut. Aber auch während einer Veranstaltungen war stets Vorsicht geboten. Wenn beispielsweise die tanzende Menge rhythmisch mit den Füßen stampfte, setzten sich diese Schwingungen über den Boden oftmals bis in die Anlage fort. Schlechtestenfalls hopsten die Tonarme der Turntables ebenfalls im Takt… was dann natürlich wiederum das tanzende Publikum aus dem Takt brachte. Oder der allzu wummernde Bass brachte die Tonarme in Schwingungen, was sich über die Lautsprecher durch einen unangenehmen, lauten Brummton mitteilte. Gegen die Übertragung der Stampfschwingungen durch das Publikum hängte man oftmals die komplette Anlage beispielsweise in einem Zelt einfach mit dicken Stricken an massiven Trägern der Dachkonstruktion auf. Oder die Bühne, auf der sich die Anlage befand, wurde von der Tanzfläche entkoppelt – es durfte dabei keine feste Verbindung zwischen Tanzfläche und Anlage geben. Gegen die Bassübertragungen in die Tonarme half oftmals auch, die ebenen Fläche, auf denen die Turntable standen, am Vibrieren zu hindern (z.B. durch eine Wolldecke). Oder halt die Bässe bzw. die Lautstärke der Musik zurückzunehmen.

Kurze, trockene Stöße verträgt auch die Generation der CD-Technik schlecht. Bei ihr wird die Klanginformation mit einem feinen Laserstrahl am Tonträger, der Compact-Disc, abgetastet. Durch einen Stoß kann dieser Laserstrahl seine momentane Position auf der CD verlieren, was einen sofortigen Abbruch der Übertragung zur Folge hat – auch diese kurzen Zwangspausen stören natürlich beim Tanzen.

Auch in anderer Hinsicht halten CD-Player nicht immer, was die Industrie einstmals versprach. Zum Einstieg in die Welt der Compact-Discs wurde damals beispielsweise eine deutlich verbesserte Haltbarkeit der Systemkomponenten beworben. Die im Klang den Vinyls tatsächlich deutlich überlegenen CDs können bei ordnungsgemäßem Gebrauch und entsprechend pfleglicher Lagerung in CD-Covers deutlich weniger verkratzen – halten also länger.


Doch der für das Abspielen benötigte CD-Player mit seinem berührungsfreien Laser-Abtastsystem scheint nur im ersten Moment robust und für die Ewigkeit gemacht. Denn der Vorgängertechnik mit der auswechselbaren Saphir-Abtasttechnik kann der CD-Player im Bezug auf Lebensdauer nicht wirklich das Wasser reichen. Die Industrie gesteht dem CD-Player - genauer gesagt der eingebauten Laser-Einheit - nämlich nur eine gewisse Anzahl von Betriebsstunden zu. Danach verliert der Laserstrahl deutlich an Kraft, findet immer häufiger die Daten auf der CD nicht und gibt irgendwann vollends auf. Eine Reparaturmöglichkeit ist praktischerweise nicht vorgesehen. Der einschlägige Handel ist jedoch gern und natürlich ganz uneigennützig beim Kauf eines neuen Gerätes behilflich.

Die Vorzüge und die Musikqualität einer CD sind dennoch großartig. Deshalb erkundigte auch ich mich etwa Mitte der 1990er Jahre nach einer erweiterten Möglichkeit, meine empfindliche Vinyl-Sammlung irgendwie auf diesen silbernen Scheiben zu speichern. Ich erhielt damals die Informationen, dass ein Gerät zum “Beschreiben“ einer CD um die zehntausend und ein Rohling etwa fünfhundert D-Mark kosten sollten – diese unverhältnismäßigen Preise ließen mich allenfalls dicke Backen machen… sie waren für mich schlicht und einfach unerschwinglich.


Durch Zufall machte mich aber ein überaus versierter Gast einer Feier auf ein damals neuartiges System zum problemlosen Aufnehmen und Abspielen von Musik auf einem CD-ähnlichen Medium aufmerksam. Der japanische SONY-Konzern hatte nämlich gerade sein MINI-DISC-System herausgebracht. So ließ sich Musik digital auf einem Medium, ähnlich einer kleinen Diskette, speichern. Das dazu benötigte Gerät wurde mir später neu als MINI-DISC-PLAYER in der Größe eines Walkman für achthundert D-Mark verkauft. MINI-DISCS gab es für knapp zwanzig D-Mark im Fachhandel. Ich arbeitete etwa zwei oder drei Jahre damit – leider setzte sich die MINI-DISC von SONY jedoch nicht durch.

Denn nur wenig später wurden die ersten bezahlbaren CD-Brenner für den Betrieb in einem PC angeboten. Mein erster Brenner bedurfte einer SCSSI-Schnittstelle, kostete knapp vierhundert D-Mark und ermöglichte maximal eine einfache Aufnahmegeschwindigkeit. Das bedeutete, dass damals 74 Minuten Musik auch 74 Minuten zum "Brennen" brauchten. Später brannte man CDs mit 48- oder gar 52-facher Geschwindigkeit. Die Technik bei den ersten Brennern brachte mich allerdings oftmals, Dank sogenannter „Buffer-Underruns“, während des Beschreibens diverser CD-Rohlinge an den Rand des Wahnsinns. Ausgerechnet kurz vor dem heiß ersehnten Ende, nach immerhin über einer Stunde Brennzeit, brach nämlich wegen irgenwelcher Fehler der Vorgang ab – die unvollständig erstellte CD war somit „verbrannt“ und unbrauchbar. Das erneute Brennen dieser CD dauerte natürlich wieder über eine Stunde… doch ob die neue CD tatsächlich letztendlich vernünftig und fehlerfrei gebrannt wurde, stand auf einem anderen Blatt.

Trotzdem setzte sich - zum Leidwesen der Musikindustrie - das millionenfache Brennen eigener Musik-CDs durch. Es entstanden ihr nämlich besonders durch das Musik-CD-Kopieren große Verluste. Noch größere Verluste bereitete ihr wahrscheinlich nur die Erfindung der mp3-Datei bzw. der Tausch dieser Dateien über das Internet.

Für mich als Discjockey der SOUNDBOX waren die mp3-Dateien jedenfalls versteckter Fluch und offensichtlicher Segen. Auf ihren Fluch komme ich in einem späteren Kapitel nochmal zurück – dem will ich hier nicht vorgreifen.

Der Segen einer mp3-Datei ist einem Laien relativ leicht erklärbar. Ursprünglich kam die Idee zu dieser Technik vom Fraunhofer-Institut. Man wollte damals per Satellit digitale Fotos aus dem Weltall zur Erde übermitteln. Um die Übertragung zu vereinfachen und Übertragungszeiten zu verkürzen, musste die Datenmenge der Bilder drastisch verringert werden. Durch das menschliche Auge kaum wahrnehmbare Farbfrequenzen wurden dabei entfernt, und einander ähnliche Bildfarben zusammengelegt.

Dieses Verfahren übertrug das Institut schließlich auch auf Tondateien. Tonfrequenzen außerhalb des menschlichen Hörvermögens wurden entfernt und ähnliche Frequenzen zusammengelegt. Damit schrumpft eine mp3-Datei auf nur noch etwa ein Zehntel der Originaldatei (beispielsweise eines Titels einer CD).


Die externe Festplatte, die mich bis zuletzt zu meinen SOUNDBOX-Auftritten begleitete, hatte knapp die Größe von zwei Zigarettenschachteln (…dieser Vergleich ausgerechnet von einem eingefleischten Nichtraucher ^^!) und wog vielleicht maximal 150 Gramm. Mit den mp3-Dateien auf dieser kleinen Festplatte hätte ich nonstop und ohne Wiederholung eine ganze Woche Musik machen können.

Nochmal zum Vergleich zu meiner 150-Gramm-Festplatte:

die fünf Single-Kisten und die drei oder vier Maxi- und LP-Kisten belasteten anfangs meinen alten Renault R4 mit geschätzt sechzig oder siebzig Kilo. Auch die fünf CD-Koffer der späteren Zeiten dürften pro Koffer um die zwanzig Kilo, also alles in allem etwa 100 Kilo gewogen haben.

Statt der zwei Turntables reisten nun zunächst zwei CD-Player mit. In reinen mp3-Zeiten wurden diese dann durch einen PC mit Flatscreen-Monitor ersetzt. Eine professionelle DJ-Software übernahm das Abspielen der mp3-Files.

Sämtliche Tonträger, von meiner ersten Vinyl-Single („Butterfly“ von Danyel Gerard aus 1971) bis zur letzten CD, sind übrigens noch immer vorhanden. Sie stehen alle in einem deckenhohen Regal in meinem Büro bzw. in einem speziellen CD-Regal in meinem Wohnzimmer. Ihr Verkauf stand nie zur Debatte.

Erstens werden sowohl für gebrauchte Vinyls als auch für CDs kaum nennenswerte Beträge geboten.

Zweitens würde ich eine solche Veräußerung als Verrat an der Sache empfinden.


Vielen Jugendlichen sind übrigens Singles, Maxis und LPs heute kaum noch geläufig, selbst CDs sind inzwischen bereits überlebt – ich höre Leute meines Alters an dieser Stelle schon jammern, wie alt sie sich doch angesichts des technischen Fortschritts schon fühlen.

In meinem heutigen Beruf als Fahrlehrer ärgere ich meine jugendlichen Fahrschüler hin und wieder mit genau diesem Thema. Selbst fühle auch ich mich dann zwar in dem Moment alt wie Methusalem. Doch ich erkläre ihnen gern, dass sie wahrscheinlich zu jener letzten Generation gehören dürften, die in der Fahrschule noch mühsam das Kuppeln und das manuelle Schalten lernten.
 Wenn z.B. die Mädels später ihren Kindern erzählen, dass „Mama noch die Kupplung treten und den Schalthebel bei jedem Gangwechsel von Hand in den richtigen Gang legen musste“, werden die eigenen Kids sie dann mit großen, ungläubigen Augen ansehen und fragen „Boah, Mama, wie alt bist DU denn schon?“

Bis dahin werden sich die KFZ-Entwicklungen der Hybrid- und Elektroantriebe, die eines Getriebes nämlich nicht mehr bedürfen, längst etabliert haben. Alles wird halt ständig anders und Alles ist auch ständig in Bewegung, denn Fortschritt hört bekanntlich niemals auf!

1 Kommentar:

  1. Da erkenne ich doch ziemliche Parallelen zu meinem eigenen (Musikalischen) Ausstattungsweg. Die erste "Anlage" mit CD-Player hatte mein Kumpel, der musste immer herhalten, wenn die Lieder von der aus der Videothek geliehenen CD's auf Kassette überspielt werden mussten...

    Dann kam meine erste eigene Kompact-Anlage mit CD-Player, deren Qualitätsbild beim überspielen des Preises entsprechend leider überschaubar waren. Daraufhin sparte ich mir eine Sony Bausteinanlage zusammen mit Verstärker, Doppel-Tapedeck (von jeder Kassette wurde gleich eine Sicherheitskopie angefertigt) und CD-Player. Teuer teuer anfangs der 90er!

    Dann, so etwa '97 der erste PC, gleich mit Brenner (auch Teuer teuer!), das Phänomen mit den zerschossenen Rohlingen kenne ich auch nur zu gut, zudem - je nach qualität und behandlung waren die gebrannten Medien schon nach einem Jahr nicht mehr abspielbar, und verfärbten sich oder die Reflexionsfläche blätterte ab. Zum Glück habe ich damals schon alles als hochqualitative MP3 gesichert.

    Mittlerweile könnte man so ein Dj-Event schon vom Smartphone steuern wenn man wollte. Theoretisch auf bis zu 256gb SD-Karte (ist das nicht irre? Vor 10 Jahren hatten Festplatten so ein Volumen) - da könnte man bis ans Ende aller Tage die Meute bespaßen.

    Aber egal. Ich fürchte, die Zukunft wird nicht nur positives für uns bereithalten - das fängt schon damit an, das die Menschen sich am Steuer trotz Automatikgetrieben und allem schicki-Micki nicht auf das fahren konzentrieren können, oder egomanische Höhlenmenschen-Verhaltensweisen auf den Straßen ausleben wollen...

    Ich werde mich auch wohl weiterhin ärgern und wundern, und hoffen das es vielleicht doch noch mal Hirn vom Himmel regnen wird.

    Grüße, Maik

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