Dienstag, 26. Mai 2015

Meine DJ-Biografie - Kapitel 7: RADIO FFN - ÄRGERLICH ENDENDER TRAUM











Ein ganz besonderes Highlight meiner DJ-Karriere war, ohne Zweifel, die Teilnahme an einem DJ-Contest bei Radio ffn. Zu diesem Zweck suchte der Sender damals in seiner Hörerschaft nach Hobby-DJs. Diese sollten sich bei Interesse mit einem Demo-Tape bewerben.

Deshalb schickte auch ich meine Cassette nach Isernhagen KB, einer wohlhabenden Bauernschaft im Nordosten der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. In einer alten Villa residierte dort der bereits etablierte niedersächsische private Hörfunksender. Antenne Niedersachsen gab es zu dem Zeitpunkt zwar auch schon seit drei Jahren, versorgte jedoch eine ganz andere Zielgruppe – und das ist letztendlich noch heute so! Als Radio-Junkie gehörte ich seit der allerersten ffn-Sendesekunde am 31. Dezember 1986, 12.00 Uhr, zu den Stammhörern: „Am Anfang war das Wort, und das Wort hieß >>Grüß Gott!<< Und dann kamen die Bangles.“ Das erste Lied, das damals also bei ffn gespielt wurde, war „Walk like an Egyptian“, eben von den Bangles. 

Ein paar Wochen nach meiner Bewerbung zum DJ-Contest „Test the best“ erhielt ich Post von Radio ffn. Sie teilten mir mit, dass ich zu den ausgewählten Teilnehmern gehöre. Zwei gegeneinander antretende Kandidaten sollten live jeweils eine halbe Stunde eines bestimmten Freitags ihre ganz eigene Sendung gestalten. Die Zuhörerschaft sollte dann anschließend per Telefon-Voting über ihren Favoriten entscheiden. Man bat mich daher, schon mal ein Programm und meine Musik vorzubereiten – was ich logischerweise in den noch verbleibenden Wochen auch akribisch und unter großer Aufregung erledigte.

„Meine“ Sendung sollte am Freitag, dem 9. Juli 1993 irgendwann in der Zeit zwischen 21.00 und 23.00 Uhr ausgestrahlt werden. Um die Gunst möglichst vieler Zuhörer zu gewinnen, rührte ich natürlich vorab schon ordentlich die Werbetrommel. Dazu schrieb ich einen Zeitungsartikel mit allen wichtigen Informationen zur bevorstehenden Sendung. Unser verpenntes Provinz-Käseblatt selbst war (und ist auch heute noch), nach meinen eigenen reichlichen früheren Erfahrungen, leider nicht wirklich zu einer vernünftigen Berichterstattung in der Lage. Und natürlich fuhr Werbung zu meinem großen Event auf unseren Autos spazieren.

Für das entsprechende Wochenende hatte ich blöderweise schon Wochen zuvor einen SOUNDBOX-Termin angenommen. Dazu muss ich Folgendes erklären: zu meinen eisernen geschäftlichen Grundsätzen gehörte, dass ich für keinen Musik-Termin einen bereits bestehenden Musik-Termin absagte. Denn ich konnte des Häufigeren mal in Erfahrung bringen, dass einige meiner DJ-Kollegen für vermeintlich finanziell üppigere Auftritte eine schon bestehende unattraktive Zusage kurzfristig cancelten – und das obendrein auch noch unter fadenscheinigen Begründungen oder peinlichen, hüstelnden, röchelnden und näselnden „Krankmeldungen“ per Telefon.

Die absolute Unverschämtheit brachte in diesem Zusammenhang mal ein mir offensichtlich nicht gerade wohlgesonnener Kollege: er reichte mir nämlich eine Veranstaltung nur eine Stunde vor deren Beginn gespielt kränkelnd weiter. Der Gastgeber war zwar froh, dass seine Feier durch die SOUNDBOX mit Musik versorgt war. Am Ende gab es allerdings einigen Ärger, weil der ausgefallene DJ mit dem Gastgeber hinterrücks vorab einen unüblich niedrigen Preis vereinbart hatte – und diesen bei seiner „Absage“ ohne Absprache einfach auf mich und meine SOUNDBOX übertrug. Nachdem die Zusammenhänge geklärt waren, beklagte sich der Gastgeber verärgert über das unehrenhafte Geschäftsgebaren meines „Kollegen“. Den von mir geforderten Betrag bezahlte er allerdings schließlich ohne weitere Einwände. Zwischen dem „kränkelnden“ Kollegen und mir gab es wenige Tage später noch ein klärendes Telefonat, in dem ich ihn für die Zukunft auf deutlichen geschäftlichen Abstand brachte. Diese Geschichte jedoch nur am Rande.

Zu meiner Sendung bei Radio ffn musste ich nun also den Spieß mal umdrehen. Denn eigentlich hatte ich einen Musiktermin anlässlich einer Hölzernen Hochzeit bei „Leifi“, einer Gaststätte im Nachbarort, im Terminkalender stehen. Deshalb meldete ich mich persönlich bei der Gastgeberin ab. Vorher besprach ich die Lage mit einem befreundeten DJ. Ihm konnte ich hundertprozentig vertrauen, denn wir hatten schon häufiger vollkommen problemlos und sehr erfolgreich zusammengearbeitet.

So erklärte ich meiner Gastgeberin die für mich einzigartige Situation bei Radio ffn. Und glücklicherweise zeigte sie dafür Verständnis. Den von mir angebotenen Ersatz-DJ nahm sie dankend an. In dieser Hinsicht konnte ich meinem Auftritt im Radio also gelassen entgegenblicken.

Der Ablauf des eigentlichen Termins bei ffn verlief jedoch alles andere als geplant. Mir war zuvor schriftlich zugesichert worden, dass es für mich vor der eigentlichen Sendung die Möglichkeit einer Vorproduktion geben sollte. Das bedeutet, dass ich im Studio zum Beispiel persönliche Jingles oder Trailer hätte vorproduzieren dürfen.

Zur Erklärung der Fachbegriffe: ein „Jingle“ ist eine kurze einprägsame Erkennungsmelodie für ein bestimmtes Programm aus kurzen Tonfolgen oder Melodien, die vokal und/oder instrumental ausgestrahlt werden und daher einen hohen Wiedererkennungsgrad aufweisen. Ein „Trailer“ ist eine Art Toncollage, in diesem Falle z.B. ein einleitender kurzer Hörclip oder auch Opener. Speziell im Radio künden diese Trailer Beiträge zu besonderen Themen und Schwerpunktsendungen an.


Isernhagen am 9. Juli 1993

Früh am Nachmittag parkten wir unseren VW-Bus schon zwischen den vielen ffn-Fahrzeugen vor der Villa am Haghof, dem damaligen Sitz von Radio ffn, nachdem wir das große schmiedeeiserne Tor der Pestalozzi-Stiftung (denen gehört die Villa) passiert hatten.

Da wir nach der Sendung weiter in den Sommerurlaub reisen wollten, war die ganze Familie anwesend. Lukas, mein Sohn, damals gerademal etwas über ein Jahr alt, schlief im Auto. Tochter Sandra, dreieinhalb Jahre, erkundete das parkähnliche Gelände um das Funkhaus.
An der Rezeption des Senders wurde ich freundlich empfangen. Wenig später tauchte dort auch mein Mitbewerber Torty auf - es handelte sich ja schließlich um einen Wettbewerb. Bald wurde uns bei einer Führung das gesamte Funkhaus gezeigt. Ich reichte zahlreichen Menschen die Hand, von denen ich schon unzählige Male als Moderatoren, Redakteure, Nachrichtensprecher oder Toningenieure gehört hatte. Ich lernte die Musikredakteure Ecki Stieg und Lutz Hanker und „ffn-HOT100“-Moderator Jörg-Christian Petershofen (er ist übrigens leider 2013 schon verstorben) oder Frauke Ludowig (heute bei RTL) kennen. Ich erlebte zum ersten Mal die Frühstyxradio-Comedy-Crew um Dietmar Wischmeyer, Sabine Bulthaup, Oliver Kalkofe und Andreas Liebold. Wir standen in Büros, in denen das alltägliche ffn-Programm entstand. Alle Mitarbeiter machten einen unglaublich dynamischen und frischen, lockeren Eindruck.

Irgendwann stieß auch der Moderator „unserer“ Sendung, Jens-Peter Beiersdorf, dazu. Mein erster Eindruck von ihm versprach jedoch nicht nur Gutes. Der gebräunte Lockenkopf mit Pausbäckchen versuchte mit seinem übertrieben jugendlichen Auftreten dem allgemein locker-flockigen Flair des Hauses zu entsprechen. Der damals Endzwanziger aus dem hohen Norden (ein Kieler!) - was unweigerlich an der Art seines Sprechens erkennbar war - machte nämlich keinen Hehl daraus, dass er mich fünf Jahre älteren Familienvater eindeutig als Spießer hielt. Genau das sollte mir später noch den Abend verhageln.

Ich kann mich nicht mehr genau an die wahren Gründe erinnern – jedenfalls war die versprochene Vorproduktion meiner Jingles und Trailer angeblich plötzlich doch nicht mehr möglich. Schade, denn eigentlich hatte ich Großes vor. Nach der großen Führung durch den Sender warteten wir daher bei herrlich warmen Wetter wieder im Park der ffn-Villa auf den Abend und die Sendung.

Neben mir: Torty
Gegen 18.30 Uhr konnten wir endlich in Studio 1 Platz nehmen. Uns wurde der Senderaum und die Technik erklärt. Der für unsere Sendung zuständige Toningenieur stellte sich vor. Wir konnten einen Blick ins Nachrichtenstudio werfen. Die Nachrichten wurden in einer ca. ein Quadratmeter großen Kabine und nur im Stehen gelesen. 

Unser Studio maß etwa zwanzig Quadratmeter. Die Wände waren zumeist mit schalldämmendem Material verkleidet. Etwa die Hälfte des Raumes nahm eine thekenähnliche Konstruktion ein. In ihr fanden ein riesiges Mischpult, mehrere CD-Player sowie Plattenspieler und Bandmaschinen Platz. Über dem Mischpult war ein Studiomikrofon installiert. Gegenüber dieser Studiokonsole stand ein sechseckiger Gästetisch, an dem Torty, ich und auch mein Töchterchen Sandra Platz nahmen - mitten darüber auch wieder ein Mikrofon. An der Wand hinter diesem Platz hing die für ein Hörfunkstudio so typische rote „Auf Sendung – Bitte Ruhe!“ – Lampe und eine Funkuhr, die Studio-Zeit - immer im Blickfeld des Moderatoren.

Jens–Peter Beiersdorf moderierte die ersten zwei Stunden zunächst allein. Der Radioprofi schien währenddessen ziemlich nervös und brachte mit dem unbewusst oszillierenden Wippen seiner Füße ständig seinen Bürostuhl zum Quietschen. Was zumindest ihn aber offensichtlich nicht sonderlich störte.

In dieser Zeit vor „unserer“ Sendung stellte der Moderator auch uns, die Wettkampfteilnehmer des Abends, den Zuhörern vor. Dabei vergaß er, gemäß meines ersten Eindrucks, freilich nicht, mich bei offenem Mikrofon als "unter dem Pantoffel stehenden Familienvater" darzustellen.

Torty, meinen Mitstreiter, schätzte ich als den Jüngsten in der Runde ein – er mag vielleicht zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig gewesen sein (ich war fast zweiunddreißig!). Der lustige Brillenträger schien schlagfertig und redegewandt, seine Antworten kamen locker aus der Hüfte. Er passte von seiner Art ausgezeichnet zu Radio ffn.

Schon vor der Sendung hatte man uns einen mehrere Seiten umfassenden Computerausdruck in die Hand gedrückt – einen Auszug aus dem sogenannen ffn-Musikpool. Die Musikredaktion stellte damit eine verbindliche Musikauswahl. In meiner Sendung durfte ich demzufolge nur zwei oder drei eigene Wunschtitel verwenden, der Rest war dem Pool zu entnehmen.

Damit wurde klar, was mir in der Führung durch den Sender vorhin nebensächlich erschienen war: Radio-ffn ist ein sogenanntes „Formatradio“. Und die Musik, die für gewöhnlich auf diesem Sender gespielt wird, ist die „Musikfarbe“. Der typische Musikstil des Senders ist „der Verträglichkeit und der Affinität der Zielgruppe zugemessen“. Zu Deutsch: es wird gespielt, was eine ganz bestimmte Hörerschicht hören mag. Auf diesem Weg kann der Sender seine Hörerschaft selbst definieren. Weitergehend ist nicht nur die Musik, sondern das gesamte Programm „durchformatiert“. Ein Moderator passt sich in Stimme, Wortwahl und Themen dem präsentierten Musikstil und den gewünschten Hörern an.

Okay, der Erste im Wettbewerb dieses Abends war ich. Ich bat vorab Jens–Peter Beiersdorf die Musik während meiner Ansagen immer etwas herunterzufaden. Das sollte meine Stimme etwas besser verständlich machen. Der Moderator reagierte ziemlich grob und nörgelte irgendetwas von „Auto Fading“ und „Stümperfunk“, tat aber schließlich, wie ihm geheißen. Mein Programm lief, ich musste da jetzt durch! 

Zanny und ich im Studio
Wie gut auch, dass ich meinen Text schriftlich festgehalten hatte. Denn durch das ständige Spießer-Gehetze des Moderators war ich ziemlich genervt und sauer. Wie konnte ich derart demotiviert noch locker und redegewandt sein? Also moderierte ich vom Blatt, was die Hörer garantiert auch gemerkt haben dürften. Freies Sprechen war in meiner Situation nicht möglich. Auf den Fotos und dem Video, die während meiner Sendung entstanden sind, ist ein ziemlich verbissen moderierender DJ mit hektischen Flecken im Gesicht zu sehen. Meine Sendezeit verging glücklicherweise wie im Fluge. Hinterher war mir allerdings klar, dass das ganz sicher kein Glanzauftritt war. Ich tröstete mich mit dem olympischen Gedanken: „Dabei sein ist alles!“

Dann war Torty an der Reihe: die ersten Minuten seiner Sendung verschlugen mir allerdings fast die Sprache. Ohne, dass ich es auch nur irgendwie bemerkt hatte, muss er wohl vorher doch noch in irgendeinem Studio gewesen sein. Seine Sendestunde wurde nämlich durch einen vorproduzierten Opener eingeleitet und überzeugte durch eine wirklich originelle, witzige Idee und natürlich durch seine professionelle Studio-Ausführung. Damit startete Torty seinen Beitrag quasi mit einem hörerwirksamen Burnout und war auch durch seine witzige, lockere Art klar in Führung. Das anschließende Telefon-Voting fiel natürlich dementsprechend aus. Auch Herr Beiersdorf zeigte sich hochzufrieden – sein  vollkommen „unparteiisches“ Wirken war somit schließlich von Erfolg gekrönt.


Wir fuhren in der folgenden Nacht noch sehr lange und sehr weit. Nach wenigen Tagen im Urlaub waren die Anspannung und der Ärger dieses Erlebnisses glücklicherweise weitestgehend verflogen.

Nach meiner Teilnahme an „Test the best“ erhielt ich ein paar Wochen später einen tragbaren CD-Player, ein paar CDs und ein Teilnahmezertifikat – unterschrieben von Jens-Peter Beiersdorf.

Fazit: nicht jede Geschichten endet im Glück ... und sollte trotzdem nicht in meinem Lebensgang fehlen.




Und: trotz alledem ist Radio ffn auch heute noch mein Stammsender.

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