Plötzlich stand das Wochenende vor der Tür, an dem ich nun meinen ersten Auftritt haben sollte. Und ich musste zum ersten Mal erleben: so fühlte sich also echtes Lampenfieber an.
Da war schon ein seltsam dumpfes Gefühl in der Magengegend und mir gingen immer die gleichen Fragen im Kopf herum: werde ich das hinkriegen? Wird der Gastgeber zufrieden sein? Wird es mir gelingen, die Gesellschaft zum Tanzen zu bringen? Habe ich die passende Musik dabei? Wird mir etwas am Mikrofon einfallen?
|
|
Schon früh war ich mit meinem schwer beladenen Renault R4 an der Gaststätte vorgefahren. Der freundliche Wirt zeigte mir, wo gefeiert werden sollte, wo ich meinen Strom herbekommen konnte und welchen Platz man für mich und meine Anlage vorgesehen hatte. Fleißig trug ich also mein gesamtes Equipment herein, baute auf, schloss an und „fuhr“ meinen ersten eigenen Soundcheck. Nun konnte es endlich losgehen.
Die erste LP lief leise im Hintergrund. Die ersten Gäste trafen ein, langsam füllte sich der Saal. Irgendwann begab man sich zu festlich gedeckten Tischen. Es wurde aufgetragen, gegessen und getrunken. Auch ich durfte Platz nehmen und tafelte mit meinem zukünftigen Publikum. Dabei konnte ich es gleichzeitig schon ein wenig studieren: „wonach werden diese Herrschaften denn wohl gleich tanzen wollen?“
Nach dem Essen versammelten sich erstmal alle Gäste an der Theke – was logischerweise eine günstige Konstellation für jeden Musiker darstellt. Das Publikum STAND bereits – da war es allein von der Körperhaltung her nicht mehr weit bis zum Tanzen - obendrein waren es ja auch nur noch wenige Schritte bis zur Tanzfläche.
Doch man wollte sich bei Bier und Schluck noch etwas unterhalten... der Alkohol brauchte noch etwas Zeit, um vom Kopf bis in die Beine und Füße zu gelangen. Der Countdown lief aber. Und plötzlich stand dann der gastgebende Vorstand tatsächlich vor mir und forderte: „So DJ, dann hau mal rein. Wir wollen tanzen!“
|
|
|
Meinem Adrenalinschub folgend, trat ich also hinter meine Plattenspieler und das Mischpult und „fuhr ab“. Zum ersten Mal im soeben begonnenen Leben der SOUNDBOX und meiner Laufbahn als Discjockey erklang „Dragon's Legend“ von Koto und ich trug dazu meinen vorbereiteten Text vor – die rechte Hand „fadend“ am Schieberegler des Mischpults für den Plattenspieler, die Linke am Mikrofon.
„Eine Feier ohne Musik – das wäre wie Bier ohne Schaum. Deswegen hier und heute live im Landgasthaus Koch in Brockum: die SOUNDBOX...
Trotz meiner enormen Aufregung merkte ich, während ich mich da so an Mikrofon und Mischpult festklammerte und zu meinem Publikum sprach, dass mir die Meisten aufmerksam zuhörten und sogar an den gewünschten Stellen lachten. Mein Konzept schien also glücklicherweise aufzugehen. Der erste Schritt war getan... und er schien erfolgreich.
|
Nach meinem geglückten Opening drehten sich schließlich sämtliche Gäste im Takt der Musik auf der Tanzfläche. Also hatte ich für diese Eröffnung wohl auch den richtigen Titel ausgewählt. Das trotz der lauten Musik deutlich vernehmbare Schieben und Schaben der tanzenden Schuhe auf dem Parkett war in diesem Moment für mich das schönste Geräusch der Welt.
Doch der Blick auf den sich drehenden Plattenteller des Turntables mahnte jetzt, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen – die Rille war bald am Ende und eine passende Anschlußscheibe musste unbedingt her. Die Teilnahme aller Gäste am Eröffnungstanz gleicht schließlich einer gesellschaftlichen Verpflichtung – der Wille zur Fortführung ihrer Tanztätigkeit nimmt danach jedoch rapide ab. Nur ein ausdruckstarker nächster Titel hält die Tanzenden vom Verlassen des Parketts ab.
Ich weiß heute nicht mehr, welche Titel ich bei meinem ersten Auftritt auswählte. Entscheidend war aber, dass ich, wie auch die Gäste, mit der ersten Tanzrunde sehr zufrieden sein konnte.
Im weiteren Verlauf dieses Abends bewiesen die Gäste, allesamt Fußballer nebst Partnerinnen, allerdings zunächst, dass sie nicht besonders viel von tanzender Bewegung hielten. Ihr Interesse galt eher alkoholischen Getränken und lautstarken Gesprächen vor der Theke. Obwohl ich DJ mir alle Mühe gab und wirklich extrem tanzbare Vinyls auflegte, präsentierten besonders die Männer der Tanzfläche lieber den Rücken.
Dennoch zeigte meine Musik Wirkung. Es dauerte nicht allzu lange und ich konnte beobachten, wie die weiblichen Begleitungen zunächst den Takt mit den Füßen und dann mit den Hüften mitwippten. Den Tanzaufforderungen der Damen gehorchten die bierstemmenden Herren aber natürlich nicht. So versammelte sich schließlich eine Schar tanzwilliger Frauen auf der Tanzfläche. Und sie rockten nun den Gasthof. Ich spielte wohl drei Tanzrunden ohne Pause.
Die Stimmung war großartig! Doch ich wollte die Chance auf ihre ansteckende Wirkung (auf die "bequemen" Herren der Schöpfung) nicht verspielen, wollte den Spaß nicht überziehen. Ich hatte nun die Frauen auf meiner Seite, musste ihnen allerdings eine dringend nötige Pause gönnen. Ich hoffte, dass ihre Euphorie den einen oder anderen Mann in der nächsten Tanzrunde mit auf den Dancefloor spülen würde. Und genau diese Überlegung erwies sich als goldrichtig. Bereits nach den ersten Takten bewegte sich nun der überwiegende Teil ALLER Gäste tanzend im Takt meiner Musik.
Diese erste Feier mit der SOUNDBOX endete irgendwann in den frühen Morgenstunden mit verschwitzten Gästen und natürlich einem frischgebackenen aber glücklichen Discjockey. Es war ein wirklich gelungener Einstand und ich war auch ein bisschen stolz darauf, dass ich offenbar die Gabe habe, mein Publikum zu verstehen und entsprechend seines Verhaltens eine dazu passende musikalische Unterhaltung zu gestalten. Aber ich spürte auch, dass es noch Vieles zu lernen gab.
>>Kapitel 4>>
|
Montag, 26. Januar 2015
Meine DJ-Biografie - Kapitel 3: SOUNDBOX PREMIERE
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen