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Dienstag, 8. April 2014

Jungfernfahrt mit böser Überraschung aber Happy End

Samstagmorgen und ich liege schon wieder lang unterm Bulli. Heute soll die Jungfernfahrt stattfinden - aber irgendwas klapperte während der Einstellungsfahrten schon seit zwei Wochen vorn rechts beim Befahren holpriger Strecken. Ich beschreibe das Klappern mal so: als ob der rechte Stoßdämpfer in einer seiner Befestigungen Spiel hat. Die Werkstatt untersuchte bereits die komplette Vorderachse und verdächtigte schließlich das Ersatzrad. Der Vorbesitzer des Fahrzeugs hatte nämlich einen unoriginalen 185er-Reifen in die Ersatzradmulde gelegt. An diesen Platz gehört jedoch ein 205er, denn nur der liegt dort formschlüssig und die nach unten wegklappende Stahlmulde sorgt in Verbindung mit einem Haken und einer 19er-Schraube für einwandfreien Sitz ohne Rappeln und Klappern.

Die fehlende Reifenbreite versuche ich also durch einen im Raddurchmesser zurechtgeschnittenen Ring aus einem Rest X-Treme-Isolator (eine Art Isomatte, wie sie beim Zelten gern als Unterlage genommen wird) zu ersetzen. Leider ohne Erfolg - es klappert wie gehabt. Nun lege ich zwei weitere Streifen X-Treme-Isolator zwischen das Rad und den Fahrerhausboden... und bilde mir ein, dass es jetzt etwas besser geworden ist. Aber zufriedenstellend ist das Ergebnis noch immer nicht. Vielleicht fällt mir ja im Laufe der Zeit eine Lösung des Klapper-Problems ein. Jetzt wartet erstmal Tochter Sandra und Schwiegersohn Mirco im 140 Kilometer entfernten Aurich auf unseren angekündigten Besuch. Also los!

Während der Fahrt stelle ich fest, dass der Bowdenzug der Heizung aus dem kleinen Hebelchen am Armaturenbrett ausgehakt ist. Folge: die Heizung versucht sehr erfolgreich, den Bulli zu einer fahrenden Sauna werden zu lassen. Die kleinen ausklappbaren Dreiecksfenster in den Türen und auch das Sonnendach können nicht verhindern, dass glühend heisse Luft auf die Füsse strömt und uns daher bald die Socken qualmen.

Also steuere ich den REDSTAR auf einen an der B72 im Saterland gelegenen Parkplatz. Beim Anbremsen der Verzögerungsspur klingen plötzlich grauenhafte, mahlende, knirschende und rumpelnde Geräusche in den Fahrgastraum. Entsetzt nehme ich sofort den Fuß vom Bremspedal... und es ist wieder ruhig. Noch immer rollt die Fuhre mit etwa 40 km/h über den Parkplatz. Wir wollten ja eigentlich nach dem Bowdenzug sehen, das geht aber nur im Stehen. Also nochmals vorsichtig gebremst und GRUMMEL - RUMS - QUIETSCH! Vorn rechts ist das Rad einfach schlagartig stehen geblieben. Somit ist auch der Bulli zum Stillstand gekommen.

Olivia spring raus und versucht zu erkennen, was da so angsteinflössende Geräusche gemacht hat. Ich lege den Rückwärtsgang ein, fahre problemlos einen Meter zurück, bremse - nichts. Erst beim Vorfahren bzw. beim Bremsen ertönt wieder das Grummeln danach erfolgt ein abrupter Stopp. Olivia sieht, wie ein silbriger Metallspan, offensichtlich Aluminium, aus der Felge fällt. Was zum Teufel ist das?

Samstagnachmittags im Saterland

Die roten Pfeile deuten auf den abgedrehten Streifen
Nachdem ich den Wagenheber angesetzt und das Fahrzeug vorne rechts angehoben habe, kann ich das Rad lösen. Die Innenseite der Felge ist mittig etwa 1 cm breit regelrecht abgedreht, ein fast 60 cm langer Span klemmt noch immer in der Felge. Doch was genau hat nun dieses Schadbild verursacht? 

Auf den ersten Blick machen die Bauteile, die normalerweise im Innenbereich der Felge sitzen, einen unversehrten Eindruck. Außerdem sitzen sie alle fest... neee, Moment. Ich wackle am Bremssattel - der lässt sich anheben!? Das ist definitiv nicht normal! 

Den Kopf tief in das Radhaus gesteckt stelle ich überrascht fest, dass die untere der zwei Sechskantschrauben, mit der der Schwimmsattel am Achsschenkel befestigt ist, fehlt. Wie kann sich diese Schraube einfach lösen? Sie wird regulär mit einem Drehmoment von 160 Nm festgezogen.
Der Aluminiumspan aus der Felge

So sieht man nichts
Gut, dass ich meinen Werkzeugkoffer dabei habe. Mit einer 21er Nuss an der Knarre überprüfe ich den Sitz der verbliebenen Sechskantschraube - sie ist lose. Vorsichtshalber lege ich mich unter die Fahrzeugfront und teste die beiden Schrauben der linken Bremse. Sie sitzen jedoch bombenfest.

Wieso sind die Schrauben also auf der rechten Seite nicht festgezogen? Habe ich das persönlich nach dem Wechseln von Bremsscheibe und Bremsbelägen vergessen? Das ist eigentlich ziemlich unwahrscheinlich, denn gerade an der Bremsanlage pflege ich immer sehr konzentriert zu arbeiten. 

Oder ist das Festziehen der Schrauben vergessen worden, nachdem (nur) das rechte obere Traggelenk in der Werkstatt vor der Hauptuntersuchung gewechselt worden war? Musste der Bremssattel für diesen Eingriff eigentlich überhaupt demontiert werden?
Der Schwimmsattel wird durch die beiden Löcher mit zwei Schrauben am Achsschenkel befestigt...

... die untere Schraube ist verloren gegangen
Wie immer diese vielen Fragen auch beantwortet werden können, sie bringen uns in der wohl wichtigsten Entscheidung nicht voran: wie geht es jetzt weiter? Immerhin ist es Samstagnachmittag und wir stehen auf drei Rädern im Saterland. Natürlich fällt mir gleich ein, dass in solchen Fällen doch gelbe Engel helfen - ich bin seit 30 Jahren ADAC-Mitglied (und werde das auch bleiben!). 

Ein freundlicher Mitarbeiter informiert sich am Handy über unsere Lage. Er bietet mir schließlich die Möglichkeit, einen Servicetechniker oder gleich einen Abschleppwagen zu ordern. Ich glaube an das Gute in der Situation, wähle den Servicetechniker und erfahre folglich, dass sich der innerhalb der nächsten halben Stunde bei mir melden werde.
Solch eine Schraube fehlt
Olivia sucht mittlerweile den Straßenrand der letzten 500 gefahrenen Meter nach der fehlenden Schraube ab. Ich folge ihr ein Stückchen, doch es scheint aussichtslos. 

Beim Schweifenlassen des Blickes entlang des schmutzigen Straßenrandes kommt mir mein Schwiegersohn in den Sinn. Erstens schraubt der Oberfeldwebel der Luftwaffe am Eurofighter, zweitens wohnt er in Aurich - vielleicht ist da noch irgendwo eine passende Schraube zu ergattern. 

Wieder am Handy erfahre ich von Mirco, dass Eurofighter-Schrauben zwar über ein metrisches Gewinde verfügen, aber der Weg dieser Teilequelle ausgeschlossen werden kann. "Da kommen wir nicht ran!" Er hat aber andere Ideen, die er sofort umzusetzen versuchen will. "Ich melde mich gleich wieder!" Ich schicke ihm per Whatsapp ein Bild der Schraube mit einem Zollstock daneben.
Das Handy vibrationsalarmt erneut. Diesmal ist der Servicetechniker vom ADAC dran. Auch er erkundigt sich über unser Problem und verspricht, sich schnellstmöglich bei uns einzufinden. Also warten wir nun auf Hilfe... wie auch immer die jetzt aussieht - auf jeden Fall hoffentlich wie eine passende Schraube. Wir sind hier schließlich ausschließlich wegen einer verlorengegangenen Schraube im Saterland-Universum hängengeblieben. Nur EIN EINZIGER Bolzen hindert uns an der Weiterfahrt. Verdammt!

Auch die gelben Engel sind hilflos

Ein gelber Passat-B3-Kombi mit ADAC-Aufschrift rollt heran. Zwei freundliche Männer steigen aus und begutachten unseren Bremssattel und den Achsschenkel. Sie haben sogar eine Schraube mitgebracht. Auf dem Platz hinter ihrer Werkstatt steht ein VW-Bulli - dem haben sie das fragliche Teil einfach entnommen. Leider ist die Schraube jedoch zu kurz. Sie ist von einer in älteren T3 verbauten ATE-Bremse, unsere ist von Girling. 

Die beiden Helfer machen ein langes Gesicht und wissen nicht weiter. So sehr sie auch grübeln, es fällt ihnen nichts ein, womit sie uns zielführend helfen können. "Dass so eine Schraube verloren geht, haben wir noch nie erlebt!" Die beiden netten Servicetechniker lassen sich versichern, dass alles gut wird und rücken wieder ab.

Dreibein - Rettung naht!
In diese etwas deprimierende Stimmung meldet sich wieder mein Handy. Mirco hat durch puren Zufall bei einem Auricher VW-Händler von einem Bulli-Spezialisten gehört. Genau DEM übergibt er jetzt sein Handy, denn der will jetzt von mir wissen, welche Schraube genau wir benötigen. "Geht klar - hab' ich - kriegst du!" 

Mirco berichtet mir später, dass der Bulli-Freak sich nach unserem Telefonat zu einem seiner Regale begibt, zielstrebig in einen Karton greift und genau die von uns gesuchte Schraube herausfischt. "Och - nimm die mal so mit!" Mirco wird ihm für diese prompte Hilfe bei Gelegenheit einen Sixpack Bier zukommen lassen. 

Eine halbe Stunde später befestige ich unseren Schwimmsattel wieder mit zwei Schrauben am Achsschenkel. Das Rad kommt wieder an seine Stelle, der REDSTAR steht schließlich auch wieder auf allen Vieren. Ganz so, als wollte er sagen "War was?"

Als wir nach unserer Zwangspause endlich wieder starten können, bestätigt sich, was ich schon seit zwei Stunden denke: das nervige Klappern vorn rechts ist weg! Über 400 Kilometer hat es uns rätseln lassen und mit einem unheimlichen GRUMMEL - RUMS - QUIETSCH beendete es die Suche nach der Ursache glücklicherweise ohne größeren Schaden verursacht zu haben. Das hätte aber auch ins Auge gehen können. Wie gut, dass dieses Missgeschick auf der Jungfernfahrt passiert ist und nicht auf dem Weg in den Sizilienurlaub.

Gut im REDSTAR geschlafen
Während des restlichen Wochenendes hat es übrigens keine weiteren Probleme mehr gegeben. Die Nacht von Samstag auf Sonntag im REDSTAR war ein gelungenes Schlaf-Comeback-in-einem-Bulli. 

Am Sonntag stand der Bulli sogar als Fotomodell auf dem Kai in Nessmersiel-Hafen direkt neben der Baltrum II. Aber leider war bescheidenes Wetter. Das konnte uns jedoch nur wenig von unserer Freude nehmen: am REDSTAR klappert nichts mehr! 

Die Jungfernfahrt ist also doch noch erfolgreich verlaufen!
Fieses Wetter an der Nordsee.
SCHIETWETTER, wie der Ostfriese zu sagen pflegt

Wasser von oben und unten

REDSTAR neben dem Schiff nach Baltrum

Hafenidyll mit REDSTAR

... im Hafen von Nessmersiel

3 Kommentare:

  1. Anonym9.4.14

    Hui, El, da habt ihr ja eine besondere Jungfernfahrt hinter euch!

    Hat die Felgen denn großen Schaden genommen? Ich meine, ist sie nach der Aktion denn noch zu gebrauchen oder muss sie ersetzt werden? Der Span sieht ja schon irgendwie gruselig aus. Ich habe auch Probleme mit den Bremsen. ich bekomme die festgerosteten Trommeln einfach nicht mehr ab... aber dafür mögen wir doch alte Autos, oder? ;-)

    Aber ganz ehrlich - hätte das ADAC-Fahrzeug stilvoller sein können? Der sieht ja noch aus wie neu - und passt zum Redstar :-).

    Schöne Grüße

    Lars

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  2. Das ist ja wirklich ein Ding. Und beim Anblick des ADAC-Passat dachte ich auch gleich an ein gestelltes Bild. Ich hatte auch schon mal so ein Erlebnis Felge kratzt an Bremssattel. Da waren es "nur" die zu dicken Auswuchtgewichte die der Reifenhändler an denkbar ungünstiger Stelle angeklebt hatte...
    Da war ja ein Schutzengel mit euch unterwegs. Bei einer Blockade wäre der Wagen ja extrem rechts abgebogen.

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  3. Hallo Ihr Beiden,

    also, Lars, außer dem herausgedrehten Span ist der Felge erstaunlicherweise nichts passiert. Eine herausstehende Ecke des Schwimmsattels hat die Felgeninnenfläche ca. 1cm breit und 1mm tief abgehobelt - das ist zum Glück alles. Ich werde die beschädigte Kreisbahn bei Gelegenheit vielleicht mit ein wenig Felgensilber benetzen... und gut!

    Der Passat B3 ist mir natürlich auch sofort aufgefallen: für sein Alter sah der nahezu neuwertig aus und war wirklich sehr gepflegt. Der ADAC-Servicetechniker war natürlich ein selbstständiger Autohaus- und Werkstatt-Besitzer, außerdem wohl für seinen Fuhrpark höchst persönlich verantwortlich. Im beschaulichen und recht einsamen Friesoythe kommt so ein ADAC-Passat sicherlich deutlich weniger zum Einsatz, als beispielsweise im Ballungsraum Ruhrpott. Soll heißen, die Einsatzfahrzeuge werden hier etwas mehr geschont und gepflegt - was sich an ihrem Alter und Zustand natürlich ausdrückt.

    Übrigens merkte man die Ruhe und Gelassenheit auch an den gelben Engeln. Ganz ausgeglichen und sachlich haben sie uns gut eine Stunde seelischen Beistand geleistet. Als fest stand, dass sie uns wirklich gar nicht helfen konnten, haben wir noch lange über die Restauration und alte Autos gequatscht. Irgendwann meinte einer der Männer, dass er gern mit uns einen Kaffee getrunken hätte - doch er hatte leider keine Thermoskanne dabei. Zum Schluss mussten die beiden sich nur deswegen loseisen, weil die Frau zuhause das Abendessen fertig hatte. Sie kamen als Engel und gingen als Freunde! Ich mag den ADAC :-)

    Darüber, dass unsere Panne auch ganz anders hätte ausgehen können, sind/waren wir uns alle einig. Eine einseitige Blockade des Rades wäre uns und dem gerade restaurierten Bulli ziemlich sicher zum katastrophalen Verhängnis geworden.

    Aber wie sagt man immer so schlau: "Es hat nicht sollen sein!"
    Unsere Zeit, und die des REDSTAR, ist noch nicht abgelaufen.

    SO, ROLL ON, BULLI, ROLL ON!

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