Ich bin ja von folgender Überzeugung; nur, weil ich schon drei Monate zuvor im Internet einen Online-Countdown eingerichtet hatte, vergingen die Tage bis zum Urlaub quälend langsam. Erst etwa eine Woche vor der Deadline kam durch den Verkauf unseres Wohnwagens und den Kauf eines VW-T3 “REDSTAR” ein wenig Dynamik in die gefühlte Langsamkeit der Zeit. Und dann war es plötzlich DOCH soweit … der letzte Arbeitstag … der letzte Fahrschüler … 3,2,1 … JETZT Urlaub.
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Grundsätzlich macht sich dieser Urlaub bei mir im allerersten Augenblick allerdings zunächst mal sehr unbeliebt. Wer steht denn schon gern in der Nacht um halb drei auf. Dadurch, dass aber ein aufregender Tag bevorsteht, wird dieses Ärgernis billigend in Kauf genommen. Ziemlich genau Punkt drei rollt unser voll beladenes Auto vom Hof. An seinen Dachholmen klemmt ein Jet-Bag. Besonders Dank diesem geräumigen Dachkoffer ist die ganze Reise für zwei Erwachsene und zwei Heranwachsende in einem Audi A2 überhaupt erst möglich, verfügt der doch von Natur aus über ein eher überschaubares Gepäckabteil.
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Zum Jet-Bag gibt es übrigens eine lustige Geschichte. Genau der stand nämlich im Frühjahr (deutlich VOR unserem Urlaubsentschluß) bei einem Nachbarn zur Abholung durch die Sperrmüllabfuhr am Straßenrand bereit. Obwohl ich nun wirklich kein Müllfledderer bin, fiel es mir glücklicherweise ein paar Tage vorher früh genug auf – und so rettete ich das gute Stück kurzerhand vor der sicheren Zerstörung in einem Müllwagen-Hydraulikcontainer.
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Allerdings war die Box verschlossen und natürlich ohne Schlüssel. Selbst die bei YouTube gefundenen Videos zum Thema “wie knackt man ein Schloß” führten nicht zum Erfolg, sodass ich schließlich ein paar Nieten am Gehäuse aufbohren musste. Fazit: aus mir wird nie ein guter Einbrecher! So kam ich also an den Inhalt; ein vollständiges und nahezu neuwertiges Dachgepäckträgersystem für einen Renault Twingo in originaler Verpackung. Dieses fand dann schnell einen neuen Besitzer bei eBay, wo ich wiederum auch eine vergleichbare Konstruktion für den Audi A2 erstand. Die aufgebohrten Nieten am Dachkoffer ersetzte ich einfach durch Edelstahlschrauben und für das zickige Schloß gab es für nichtmal drei Euro zwei Original-Schlüssel beim Jet-Bag-Hersteller. Manchmal muß man einfach auch mal Glück haben!
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Der Tag der Abreise: es ist, wie gesagt, stockdunkel, als Olivia am A2-Steuer die erste Etappe der 1.200 Kilometer bis zum Hafen von Genua/Italien in Angriff nimmt. Mir will es – wie immer – wieder nicht gelingen, die abgebrochene Schlaf-Session auf dem Beifahrersitz fortzuführen. Wenigstens ein kläglichler Dämmerzustand ist jedoch drin. Die Kinder ratzen hinten.
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Als wir auf der Autobahn das Sauerland durchqueren, beginnt es langsam zu dämmern. In der Höhe von Frankfurt treffen uns die ersten Sonnenstrahlen. In der Nähe von Heidelberg gibt’s Breakfast bei Mekkes. Und einen Fahrerwechsel. Die A5 bringt uns vorbei an Karlsruhe Richtung Basel. Kurz vor der Schweiz müssen wir Treibstoff bunkern. Kurz vor halb 12 treten wir in schweizer Atmosphäre ein, verschwinden knapp zwei Stunden später in der 17 Kilometer langen Tunnelröhre des St. Gotthard um dann, ca. eine viertel Stunde weiter, das gleißende Tageslicht des Tessins wieder zu erlangen. Gegen 15.00 Uhr stellen wir uns am schweizer/italienischen Grenzübergang Como – Varese an einer etwa ein Kilometer langen Schlange an, um dort dann doch nur eher beiläufig durchgewunken zu werden. Vorher müssen wir jedoch noch eben feststellen, dass uns die Klimaanlage zeitweise im Stich lässt – stellt sich einfach aus und pumpt brühwärmste Luft ins Fahrzeuginnere. Draußen sind es 35°C.
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Trotzdem: Italien ist somit problemlos erreicht und wir haben noch reichlich Zeit, um die restlichen 200 Kilometer bis zum Schiff im Hafen von Genua abzuspulen. Deshalb steuern wir ein “Area Servizio”, eine Autobahnraststätte, ein paar Kilometer landeinwärts, an und rasten an einem schattigen Platz. Mitgebrachte Schnitzel (von Leifi), Nudel- und Möhrensalat, ein paar Babybel und kühle Cola finden den Weg in die Mägen.
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Schließlich sind wir “on the Road again” und tuckern ohne Streß an Mailand vorbei, immer nur unterbrochen von “ALT STATIONE”, den italienischen Autobahnmaut-Stellen. Eine Stunde vor dem offiziellen Checkin stehen wir in einer schwitzenden Menschen- und Automasse vor den weit geöffneten Rampen der “La Suprema” im Hafen von Genua – endlich wieder am Mittelmeer!
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Eineinhalb Stunden später könnte es los gehen – obwohl die Checkin-Frist längst abgelaufen ist, stehen aber um 21 Uhr immer noch gut zwei Dutzend Autos auf dem Kai vor den Laderampen. DAS ist eben italienisch! Eine halbe Stunde nach dem offiziellen Starttermin legen wir ab. Es ist mittlerweile stockdunkel aber immer noch herrlich warm. Die Lichter der Hafenstadt Genua werden zusehends kleiner und schwächer. Mit gut 40 km/h (zeigt unser Navi an) rauschen wir gen Süden.
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Wir suchen unsere Schlafplätze auf. Wie in einem großen Kino stehen dafür Hunderte von sogenannten Pullmannsesseln in einem klimatisierten Saal zur Verfügung. Diese kostengünstigste Art der Überfahrt nutzen dementsprechend viele Reisende, sie liegen aber auch auf Luftmatratzen oder Wolldecken auf den Aussendecks, in Treppenhäusern etc. Daher sind nicht alle Sessel belegt und wir schlafen quer über mehrere Sitze. Mitten in der Nacht werde ich unsanft von zwei Damen geweckt – die Sitze, auf denen ich schlafe, seien von ihnen bezahlt und sie beanspruchen diese augenblicklich. Das fällt den Schnepfen mitten in der Nacht ein? Ohne Kommentar!
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Den Rest der Nacht verbringe ich liegend zu Füßen meiner Gemahlin … auf dem Fußboden zwischen den Clubsesselreihen schlafend. Allerdings registriere ich im Unterbewußtsein, dass es die Klimaanlage hier besser mit mir meint, als mir gut getan hätte – was ich aber erst ein paar Tage später zu spüren bekomme, darauf komme ich bei passender Gelegenheit noch mal zurück.
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Ohne weitere Vorkommnisse erreichen wir am Abend kurz nach 17 Uhr den Hafen von Palermo. Eine Stunde später spuckt uns die Fähre schließlich in den alltäglichen Feierabendverkehr von Palermo aus. Der ist allerdings ein beeindruckendes Erlebnis für jeden Nordeuropäer. Jeder, der irgendwann einmal gelernt hat, stets nach Vorschrift zu fahren und der auch hier und jetzt darauf besteht – er sollte diesen Ort lieber strikt meiden! In allen großen Städten Siziliens fährt man Auto, Bus, LKW, Roller, Motorrad … mit Herz und Verstand – die zweifelsfrei vorhandenen Regeln hindern nur am Vorankommen. Was nicht heissen soll, dass die Verkehrsteilnehmer rücksichtsloser fahren als bei uns. Im Gegenteil: Unfälle beobachtet man hier wesentlich seltener!
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Weitere eineinalb Stunden später passieren wir das Ortsschild unseres Reiseziels: Menfi. Schon im ersten Kreisverkehr der Stadt empfangen uns Irene, Mario und Gino in ihrem alten Lancia – sie konnten das Warten zuhause einfach nicht mehr ertragen und sind jetzt sehr froh, uns sehr herzlich umarmen zu können. Gemeinsam fahren wir anschließend zum Vermieter unserer Ferienwohnung. Seine Frau bringt uns dort hin. Unser Zuhause für die nächsten drei Wochen liegt angenehm ruhig zwischen Olivenplantagen und Weinstöcken – ich persönlich lege besonderen Wert auf ausreichende Distanz zum typischen Tourismus. Die Behausung verfügt über ein großes Sorgiorno (Wohnküche), zwei Schlafzimmer, ein Badezimmer sowie eine große schattige Terrasse. Mit dem Auto brauchen wir etwa eine viertel Stunde zum Meer, das mit seinem glitzernden Azurblau vom Haus aus in der Ferne zu sehen ist.
Teil 2: Estate in Sicilia- so fühlt sich Sizilien bis Ferragosto an |
Alte Autos und Urlaub... sind bei Weitem nicht alle Themen, über die ich hier erzähle.
Andreas Kernke
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Mittwoch, 5. September 2012
Estate in Sicilia – Reise in den sizilianischen Sommer
THEMATIK:
La Vita
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