Montag, 2. März 2015

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

... oder: "Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor" - das behauptete jedenfalls einstmals der französische Philosoph Voltaire.

Ich habe neulich in einer Zeitung über das Klagen von Bibliotheken gelesen. Sie leiden unter dem allgemeinem Desinteresse ihrer erwarteten Besucher, denn Bücher sind offensichtlich total out.

Das Bewußtsein, vor dem Schlafengehen gute Lektüre zu haben, ist eines der angenehmsten Gefühle, die ich kenne.
© Peter E. Schumacher (1941 - 2013), Aphorismensammler und Publizist
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Es scheint, als ob die Kultur des Lesens langsam stirbt. Speziell junge Leser interessieren sich kaum noch für das, was zwischen zwei Buchdeckel geschrieben wurde.

Ich gebe ehrlich zu, dass sich auch meine Lesegewohnheiten im Laufe der Zeiten verändert haben. Dabei entsinne ich mich an meine Jugend, in der ich zum Beispiel den Romanzyklus "Lederstrumpf" von James Fenimore Cooper an einem Stück durchgelesen habe. Total von den Texten gebannt, verbrachte ich ganze Nächte mit diesen amerikanischen Geschichten und einer Taschenlampe unter der Bettdecke. Und meine Mutter sorgte sich damals "Junge, mit dem Taschenlampenlicht machst du dir die Augen kaputt, das ist nicht gut!"
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Durch die Romane von Karl May las ich von "Winnetou" und erfuhr etwas über das Orient, die vereinigten Staaten oder das Mexiko des 19. Jahrhunderts. Ebenso begeisterten mich "Robinson Crusoe" von Daniel Defoe und "In 80 Tagen um die Welt" von Jules Verne.

Aber schon damals gehörte ich mit meiner Vorliebe zu diesen Büchern eher zur aussterbenden Spezies der lesenden Menschheit. Meine Freunde und Klassenkameraden bevorzugten allemal Comics.
Schon lange, bevor wir in der Schule "Die Deutschstunde" von Siegfried Lenz und J.D. Salinger's "Fänger im Roggen" lesen und interpretieren mussten, malträtierten uns die Lehrer mit schierem Auswendiglernen endloser Lyrik, also Dichtung in Versform.

Schließlich vertrat selbst mein Deutschlehrer der Fachhochschule die Meinung, dass deutsche Literaturgeschichte in das unbedingte Wissensrepertoire eines angehenden Gartenbauingenieurs gehört. Folglich folterte er uns wochen-, ja sogar monatelang, mit Philosoph Immanuel Kant, Friedrich Schiller, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang von Goethe, Georg Büchner, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Bertolt Brecht und wie sie alle hießen.
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Ehrlich gesagt, überzog er damit meinen Bedarf an textlichem Input. Die pflichtgemäße Auseinandersetzung mit Fachliteratur im Sozialpädagogik-Studium sorgte dann für den Rest - ich mochte einfach nichts mehr lesen.

Dennoch profitiere ich heute von dieser belesenen Vergangenheit. Ich behaupte mal, dass der Umgang mit jeglicher Literatur meinen Umgang mit der deutschen Sprache und Schrift gebildet hat. Daher bilde  ich mir wohl kaum nur ein, dass Lesen eben bildet.
Nun bin ich weissgott niemand, der ständig darauf besteht, dass "früher alles besser" war. Natürlich bietet die Welt der Personal-Computer, des Fernsehens, der Spielkonsolen und der Mobiltelefone nahezu unbegrenzte Möglichkeiten. Und jede dieser Erfindungen für sich stellt dabei nochmals ein ureigenes Universum an Einsatzzwecken dar. Ihre Erfinder lockten damals unisono mit Erleichterung, Bequemlichkeit, Zeitersparnis. Dass ihre Verbreitung jedoch auch reichlich Probleme brachten, war schlecht vorhersehbar.


Bücher sind in der heutigen Welt ins Hintertreffen geraten. Die Menschheit ist einfach zu faul zum Lesen geworden. Wichtige oder unterhaltende Informationen liefern andere Medien bequemer und gehirngerecht aufbereitet. Aufgrund der unglaublichen Menge an der auf uns einströmenden Informationsflut, muss alles kurzgefasst werden. Man spricht und schreibt nur noch in Kürzeln. Doch statt einfacher und entspannter, ist unsere Welt komplizierter und stressiger geworden. Und es ist keine Zeit zum Lesen eines Buches mehr.

Generell sind Texte offensichtlich zu unbequem. "Hast du meinen neuen Blog-Eintrag gelesen?""Nö, ist mir zuviel Text!" Genau das höre ich des öfteren. Und ich ertappe meine Leser auch häufiger dabei, dass sie nur die Texte unter den Fotos lesen und sich die Bilder ansehen - nicht mehr und nicht weniger. Sie sind einfach zu faul! Höchstens so lassen sie sich gerade noch entertainen.

Bücher machen sich folglich höchstens noch gut in der heimischen Wohnzimmerschrankwand - sie hinterlassen wenigstens einen intellektuellen Eindruck. Diese bloße Anwesenheit unterscheidet sie jedoch kaum von den hohlen Buch-Dummies aus bunter Pappe in den Ausstellungsmöbeln bei IKEA.


Das könnte man natürlich schulterzuckend hinnehmen. Doch dahinter scheint sich viel mehr zu verbergen.

Ich fürchte, mit unserem nachlässigen Umgang mit Text und Sprache schaden wir unserer Kommunikationsfähigkeit. Wir verlernen eine vernünftige Unterhaltung. Vor lauter Input kommt kaum noch brauchbares Output aus unseren Köpfen. Es ist schon erschreckend, mit welchem Sprachwissensstand die Schule heute die Menschen ausstattet.

Zu meiner Schulzeit achteten die Lehrer noch streng auf Rechtschreibung, Interpunktion und Ausdruck. Diese Werte scheinen überholt - vielleicht, weil die Generation heutiger Pädagogen damit selbst nicht zurecht kommt.

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Wie schaurig: neulich berichtete mir eine knapp Siebzehnjährige, dass sie an einem Kurs-Treffen teilgenommen hatte. Knapp zwanzig Gymnasiasten trafen sich dazu in ihrer Freizeit in einem Restaurant. Nach dem Essen sollen alle Teilnehmer dann wohl wortlos über ihre Smartphones gebeugt im Raum herum gesessen haben und sich sehr angeregt per Whatsapp mit wem auch immer unterhalten haben. Nach knapp einer Stunde sei dann Jeder wieder seiner Wege gegangen.

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Ebenfalls schaurig: als Fahrlehrer beschäftige ich mich logischerweise berufsbedingt ständig mit Heranwachsenden. Dabei habe ich es erstaunlicherweise immer häufiger mit (von mir so genannten) Maulfaulen zu tun. Mehr als "Ja", "Nein" oder "Weiß nicht!" ist diesen Menschen kaum zu entlocken.

"Und? Wie war dein Wochenende?""Ging so!" Smalltalk Ende.

Komplexere Unterhaltungen über Schwierigkeiten im theoretischen Unterricht sind aufgrund des überschwänglichen Redeflusses schlicht und einfach nicht mehr möglich.

Doch ich frage mich: welchen Eindruck machen solche sprachlosen Typen dann später bei einem potentiellen Vorstellungsgespräch auf einen spröden Personalchef?

Aus meinem Beitrag ist ja nun erkennbar, dass ich das einschlafende Interesse am Lesen mit der Veränderung des menschlichen Kommunikationsverhaltens in Zusammenhang bringe. Es scheint ein gesellschaftliches Problem zu sein. Mir ist jedoch klar, dass ich damit kaum die Welt zurückdrehen kann. Für mich erklärt es nur, warum unsere Sprache und Schrift den Bach hinuntergeht. Und das finde ich mehr als schade.

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