Sonntag, 16. Juni 2013

Fahrlehrers "dolce Vita"?

Das sollte mal gesagt werden:

Unlängst standen deutsche Fahrschulen am Pranger. Ein namhafter Automobilclub monierte explizit die angeblich hohen Preise für die Führerscheinausbildung. Aus allen Richtungen wurde daraufhin öffentlich auf Fahrlehrer und Fahrschulbesitzer eingedroschen. Man beklagte jedoch nicht nur die Preise, sondern auch hohe Durchfallquoten, kurz - deutsche Fahrschulen lassen sich mangelnde Ausbildungsqualität fürstlich bezahlen.


Das weit verbreitete Berufsbild eines Fahrlehrers hat sich obendrein so gefestigt: hauptsächlich lässt er sich den ganzen Tag in seinem Fahrschulauto von knackigen Blondinen für teures Geld durch die Gegend krajohlen. Dann frage ich Fahrlehrer mich jedoch, warum ich manchmal schon vor 7.00 Uhr morgens für meine Fahrschüler unterwegs bin und erst nach 00.00 Uhr wieder todmüde ins Bett falle? 

Als Fahrlehrer bin ich für durchschnittlich etwa fünfundzwanzig Fahrschüler zuständig. Diese werden systematisch in durchschnittlich ca. 35 Fahrstunden auf ihre Führerscheinprüfung vorbereitet. Vom Anfang dieser Ausbildung bis zu ihrem hoffentlich erfolgreichen Ende gibt es natürlich unterschiedliche Erwartungen. 

Diese sehen im Falle eines typischen Fahrschülers wie folgt aus:
Aus der Sicht des Fahrschülers: wann erhalte ich endlich meinen Führerschein?
Aus der Sicht der Eltern des Fahrschülers: hoffentlich wird mein Kind ein guter Autofahrer - aber hoffentlich wird der Füherschein nicht so teuer!
Aus der Sicht der Fahrschule: der Fahrschüler wird optimal ausgebildet, damit er seine Prüfung gleich beim ersten Mal besteht. Somit ist diese Leistung auch unsere beste Werbung.
Aus der Sicht des amtlich anerkannten Sachverständigers oder Prüfers: kann ich es reinen Gewissens verantworten, den Prüfling allein in den Straßenverkehr zu entlassen? Entsprechen seine Fähig- und Fertigkeiten wirklich den Erwartungen an einen Autofahrer?

Soweit liest sich dies alles durchaus korrekt. Doch wie so oft blüht hier jedoch reichlich Ärger im Verborgenen.

Auf der Internetseite der zuständigen Prüforganisation wird jedem Fahrerlaubnisbewerber auffällig beschwichtigend versprochen, dass der Sachverständige auf dessen Seite stehe und man ihn keinesfalls aufs Glatteis führe bzw. keine Fallen stelle. Man wolle, dass der Bewerber erfolgreich abschneide.

Vor dem Hintergrund, dass die Prüforganisation offenbar ihre Bediensteten massiv zur Einhaltung von Durchfallquoten bei Prüfungen im Fahrerlaubnisbereich verpflichtet, sind diese aufmunternden Versprechungen gelinde gesagt wertlos. Unbestätigten Vermutungen zufolge werden unbeugsame Mitarbeiter sogar in Zwangsurlaub geschickt oder melden sich gefrustet krank.

Unter diesem Druck müssen sich viele Prüfer wohl einfallen lassen, wie sie ihre Durchfallquote erfüllen können. Ungeniert verstoßen sie dabei gegen das Internetversprechen, den Prüfling nicht "aufs Glatteis zu führen" oder ihm "keine Fallen zu stellen". So werden die entlegendsten Gegenden in der Hoffnung auf unbekannte "Rechts-vor-Links"-Situationen durchkämmt oder der Prüfling kreuz und quer durch die Stadt gequält - immer in der Hoffnung, dass endlich mal ein Fehler passiert. Wird der "amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer" vom Fahrlehrer darauf angesprochen, ist dieser um keine Ausrede verlegen. Alle Beteiligten sind eben auf Gedeih und Verderb von ihm und seinem Urteil abhängig.

Zum Leidwesen des Fahrlehrers ist immer häufiger NICHT ausschließlich das wirkliche Können des Fahrschülers und somit die Qualität der Ausbildung entscheidend. Doch das ist nicht das einzige Problem mit dem das pädagogische Fachpersonal in einer Fahrschule zu kämpfen hat. Auffallend viele Kollegen beklagen den stetig wachsenden Unverstand ihres Klientels. Motorische Fähigkeiten, Allgemeinwissen, Ausdauer, Geduld, Sachinteresse, verbales Verständnis, Selbsteinschätzung und -bewußtsein sowie (auto)didaktische Fähigkeiten der Führerscheinanwärter/innen lassen immer öfter zu wünschen übrig. Daher darf sowohl im theoretischen Unterricht wie auch in den Fahrstunden rein gar nichts vorausgesetzt werden. Zu guter Letzt ist natürlich auch der Umgang mit Stress während einer Prüfungssituation häufig ein nahezu unüberwindbares Hindernis.

Übrigens: viele Fahrschulen zahlen ihren Fahrlehrer Prämien für Fahrschüler, die ihre Prüfung beim ersten Mal bestehen.

Nun, lieber Leser, urteile selbst zum "dolce Vita" eines Fahrlehrers.

2 Kommentare:

  1. Interessante Sicht!

    Kannst du was persönliches zum Thema "Prüfungsangst" beitragen?
    Das hatte mir damals schwer zu schaffen gemacht, auch wenn ich damals beim ersten mal bestanden hatte.

    Gruß, Maik

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  2. Hi Maik,

    hör' bloß auf! Ich glaubte schon oft, dass ich einen Fahrschüler nach über 30 (Fahr)stunden kenne - pünktlich zur Prüfung musste ich dann jedoch genau das krasse Gegenteil feststellen: es war plötzlich alles anders!
    Inzwischen habe ich auch begriffen, dass gegen diese Angst nichts hilft. Als Fahrlehrer ist man da machtlos.

    Ich persönlich kenne derlei Probleme eigentlich nicht. Klar - in Prüfungssituationen bin auch ich ein bisschen aufgeregt. Doch ich habe mich dabei im Griff.

    Mit der Prüfungsangst muss man umzugehen lernen... jeder Mensch muss im Leben unzählige Prüfungen durchstehen. Dabei nimmt das Leben kaum Rücksicht.

    Ein Kumpel von mir hat da immer das passende Motto parat:

    DA HILFT KEIN NEBELHORN, DA HILFT KEIN DOPPELKORN - DA MUSS MAN DURCH!

    ... und ich denke, DAS trifft's am besten!

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