Es ist mir bei dieser Geschichte eigentlich ziemlich egal, was man über mich denken mag. Denkt doch, ich sei ein Weichei, meinetwegen auch ein Jammerlappen. Ich habe jedenfalls kein Problem damit, über Dinge zu schreiben, die mir irgendwann mal sehr schwer auf der Seele lagen.
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Dieses ist eine Geschichte, die mich heute noch traurig macht. Ein Trauma sozusagen. Jeder kennt Erinnerungen an jene Zeit, an die man sich eigentlich gar nicht mehr oder noch nicht richtig erinnern kann. Quasi Erinnerungen in schwarz-weiss. Erinnerungen an eine Zeit, in der man als Kind noch gar nicht richtig bewußt erleben konnte und daher auch nur bruchstückhafte Erlebnisse übrig geblieben sind. Immerhin sind es aber Erinnerungen, die es durch irgendeine besondere Eigenart bis in die heutige Zeit geschafft haben, im Gedächtnis zu überleben.
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Damals war ich gerademal ein drei Jahre alter Steppke. Man mag darüber denken, was man will - aber ich mochte nicht gern ohne meinen kleinen hellbraunen Teddybären sein. Er hatte neben dem für ein Kuscheltier typisch weichen Fell zwei ausdrucksvolle runde Knopfaugen und eine niedliche schwarze Plastiknase. Weil ich diese glatte Nase als Kind gern mit den Lippen berührte, trug der Bär folglich den Namen "Knutscherer".
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... lang ist's her! Andreas im Sandwich mit "Knutscherer" (on top) und Papa
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"Knutscherer" musste mich überall hin begleiten. Er tröstete mich, wenn ich mir mit meinem kleinen roten Fahrrad trotz der beiden Stützräder beim Radfahrenlernen immer wieder blutige Schrammen holte. Beim Pilzesuchen im Wald und auf den Wiesen beschützten wir uns gegenseitig. Abends wachte er dann wieder neben mir, brav zugedeckt, über meinen Schlaf.
Einmal gab es einen fürchterlichen Aufstand. Bei aller Begeisterung über viele Braunkappen und in Erwartung eines leckeren Abendbrotessens mit reichlich Pilzen, vergaß ich meinen "Knutscherer" im Wald. Ich hatte ihn an einen Baum gesetzt, es wurde dunkel und meine Eltern wollten schnell nach Haus. Teddy's Fehlen fiel mir dort erst auf. Doch es war mittlerweile stockduster, weswegen sich meine Eltern auch weigerten, den Weg nochmal zurückzugehen um im Wald nach "Knutscherer" zu suchen. Mich machte aber der Gedanke an den einsamen "Knutscherer" im finsteren Wald wahnsinnig - an eine ruhige Nacht war also nicht zu denken.
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... immer den Bär am Mann! |
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Zu dieser Erkenntnis kamen wohl auch meine Eltern - wie sollte es sonst zu erklären sein, dass sie sich schließlich mit einer Taschenlampe auf den Weg in den Wald machten, um meinen schmerzlich so vermissten "Knutscherer" zu suchen.
Und ... zu finden! Eine Geschichte, die ich heute noch hin und wieder zu hören bekommen.
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"Knutscherer" als Copilot |
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Doch das war im Endeffekt kein traurig machender Moment im Leben meines "Knutscherers" - eher eine Geschichte mit Happy-End. Es muss sich innerhalb des nächsten Jahres begeben haben, dass ich mit meinen Eltern zu Besuch bei Verwandten in Hamburg war. Meine Tante, die Schwester meines Vaters, war mit einem Schlachtermeister verheiratet. Der hatte sich im Stadteil Schnellsen mit einem Wurst- und Fleischwarengeschäft selbstständig gemacht.
Dieser Onkel war so, wie sich ein Kind einen Schlachter vorstellt. Denke ich an ihn in dieser Zeit, erinnere ich mich an Blut am Kittel, an Gummistiefel, an Messer, Hackebeile, Knochensägen, heisses, dampfendes Wasser, an einen weiß gefliesten Kühlraum mit hängenden Schweine- und Rinderhälften und an einen Glastresen, in dem Wurst und Fleisch zum Verkauf ausgelegt waren. Auch wenn es vielleicht anders gewesen sein mag: für mich war dieser Onkel ein fieser, derber Kerl mit groben, stets fettigen Händen. Ich kann mich nicht entsinnen, je ein vernünftiges Gespräch mit ihm geführt zu haben.
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Und das hing auch damit zusammen, was er mit meinem geliebten "Knutscherer" gemacht hatte. Irgendwie muss er damals wohl mitbekommen haben, dass ich meinen "Knutscherer" abgöttisch liebte. Das fand er aber blöd - ein Junge hatte seiner Meinung nach nicht mit einem Kuscheltier herumzuschmusen. Dass dabei das Fell um "Knutscherers" Nase schon ganz fleckig geknutscht war, störte den derben Onkel obendrein.
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Ich suchte verzweifelt nach "Knutscherer". Verdammt - wo war er? Ich suchte ihn überall - nichts. "Suchst du was?" fragte mein Onkel fies grinsend. "Ja, meinen Knutscherer. Hast du ihn gesehen?" Mein Onkel führte mich an seiner schmierigen Hand zu einer Tür mit einem seltsamen senkrechten Kühlschranktürgriff und öffnete diese. Es stank fürchterlich nach Rauch - es war die Räucherkammer der Schlachterei. Drinnen ging das Licht an und er zeigte grinsend nach oben. "Meinst du den?" In für mich unereichbarer Höhe und zudem im dichten Buchenrauch zwischen Würsten und Schinken hockte auf einem Rohr an der Wand ... mein braungeräucherter Teddy. Ich muß wohl tagelang um meinen "Knutscherer" geheult haben ...
Warum war mein Onkel so grausam? Seinen gemeinen "Mord" an meinem "Knutscherer" habe ich ihm nie vergessen!
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Ersatzbär zu Weihnachten 1965 |
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Zu Weihnachten (1965) schenkten mir meine Eltern bald einen neuen Teddy. Etwas größer als "Knutscherer" und ohne Plastiknase.
Meine Oma nähte ihm später sogar eine Hose und eine Strickjacke. Der Teddy bekam von mir den Namen "Petzy".
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Enge Bindung zu "Petzy" |
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Mit Oma und "Petzy" im Harz |
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Zwei, die gemeinsam alt geworden sind |
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Und "Petzy" lebt noch heute!
Er ist inzwischen fast 47 Jahre und sitzt in einer Glasvitrine in meinem Wohnzimmer. Das kuschelige Fell ist längst weggestreichelt, der Kopf ist grau und wackelig ... aber er begleitet mich noch immer. Er ist für mich ein wertvoller Schatz meiner Kindheit. Wir haben viel zusammen erlebt.
Mein Onkel ist übrigens vor ein paar Jahren mit über 70 Jahren an Parkinson gestorben. Da ich zu meiner Tante ein herzliches Verhältnis habe, war ich bei seiner Beerdigung anwesend.
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"Petzy" (47), mein treuer Freund aus der Kindheit
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Ich mag so Geschichten und ich hänge auch an alten Sachen...
AntwortenLöschenWie schrecklich den Teddybären zu räuchern.