Sonntag, 26. Juli 2015

Meine DJ-Biografie - Kapitel 9: STRÖHER SCHWARTEN











Auch wenn ich persönlich weiß Gott keine Stimmungsbeschleuniger zum Feiern benötige, so muss ich doch zugeben, dass offensichtlich gerade Alkohol im Falle kollektiven Lustigseins ohne Zweifel hierzulande zum ganz normalen allgemeinen Gebrauch gehört.
Die Menschheit hat meines Erachtens hinsichtlich alkoholischer Darreichungsformen zu allen Zeiten ein beachtliches Erfindungsreichtum entwickelt. Was ja Kreationen, wie der uralte und legendäre Pharisäer“, ein dem Irish Coffee ähnelndes, aus Kaffee, Rum und mit aufgesetzter Schlagsahne (zur Vermeidung der Alkoholausdünstung) bestehendes nordfriesisches Heißgetränk, oder so progressive und von Jugendlichen hochverehrte Kombinationen wie Energy-Drinks plus Hochprozentiges, auch durchaus eindrucksvoll bestätigen.

Apropos „Pharisäer“: in meiner DJ-Laufbahn habe ich natürlich leider regelmäßig die tückische Wirkung alkoholischer Getränke bei der Gästeschar vor den Lautsprechern meiner SOUNDBOX unfreiwillig beobachten und daher live erleben dürfen.

Dabei bleibt mir besonders der sogenannte „Ströher Schwarten“ in lebhafter Erinnerung. Ich behaupte mal sehr provokativ, dass eben dieses Gesöff - in leicht abgewandelter und dreister, weil nicht durch Schlagsahne abgedeckter Form - den „Pharisäer“ des Wagenfelder Ortsteils Ströhen (dessen Name war sicherlich entscheidend beteiligt an der Namensgebung des Heißgetränks) darstellt. 

„Ströher Schwarten“ Rezept (für all Diejenigen, die Interesse an Kultgetränken haben)

Im südlichen Landkreis Diepholz und bestimmt wenigstens dreißig oder vierzig Kilometer drum herum, kocht man dazu zunächst mal ganz normalen Bohnenkaffee. In der Zwischenzeit erhitzt man Korn (also Kornbrand *HICKS*) und bringt zusätzlich die gleiche Menge Wasser zum Kochen. Anschließend gießt man diese drei Komponenten im jeweils gleichen Mengenverhältnis zusammen und süßt das Ganze mit Zucker nach.

Dieses ist allerdings lediglich die „Das-Leben-ist-ein-Ponyhof"-Version. Die überzeugten und obendrein hartgesottenen „Ströher Schwarten“-Konsumenten bevorzugen selbstverständlich die Hardcore-Mischung: OHNE die Komponente des Wassers.

Es ist wohl sehr leicht nachvollziehbar, wie katastrophal sich kochend heißer Kaffee mit viel Alkohol und reichlich Zucker auf den menschlichen Kreislauf und natürlich auf die Stimmung und später auch auf den Gleichgewichtssinn auswirken können.

C2 H5 OH - für die Welt die chemische Formel für Alkohol... für die Menschen aus Ströhen und umzu ein wichtiger Bestandteil von "Ströher Schwarten"

Aus genau diesem Grund habe ich einige Male erwachsene Männer in sündhaft teuren und schicken Anzügen und auch überaus adrett gekleidete Damen wirklich der Länge nach auf Tanzdielen liegen und wild im Takt eines Rolling Stones-, AC-DC-, Uriah Heep- oder meinetwegen auch Marius Müller-Westernhagen-Hits zappeln und zucken sehen… selbst bei diesem zugegebenermaßen sehr befremdlichen Tanzstil und in ihrer eher ungewöhnlichen Haltung währenddessen, hielten die Trink-Tänzer... oder Tanz-Trinker... (?) immernoch unerbittlich ihre exquisite Tasse „Ströher Schwarten“ in der Hand!
Mir erschloss sich jedoch nie wirklich, wann genau der richtige Zeitpunkt eintrat, an dem mal jemand einen Krankenwagen hätte rufen sollen, um die betreffenden Personen aus ihrer (drohenden oder schon eingetretenen?) Alkoholvergiftung zu retten.

Mit der hier beschriebenen Sauf- und Feierkultur kann ich ehrlich gesagt wenig anfangen - sie stößt mich persönlich sogar ab. Doch ist sie leider weit verbreitet und obendrein unglaublich etabliert. Ich behaupte sogar, dass die allgemeine Einstellung zum Alkoholkonsum ein ernstes gesellschaftliches Problem darstellt – aber das will ich hier nicht weiter thematisieren. Denn selbst dadurch würde ich es wohl kaum ändern können.

"Trinken Sie viel?" 
"Nööö, HICKS, dassss meisssste verschüttel ich!"

In dem Sinne: PROST! *Burps!*

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Und weil es so gut zum Thema passt, hier - exklusiv und nur in der Internetausgabe meiner DJ-Biografie - noch die Geschichte, wie der Pharisäer möglicherweise zu seinem Namen gekommen ist.

"Pharisäer", vorgetragen von Godewind. Ich hoffe, Ihr Leser versteht ein bisschen Plattdeutsch.



... weil diese Aufnahme so schlecht zu verstehen ist (es gibt im Netz keine bessere!), hier der Text:

Een Pharisäer drink ick gern un dat hett sienen Sinn.
Denn in de Kaffee, schwatt und stark, dor is noch Rum mit in.
Wo kümmt de Rum in de Kaffeetass, woher is de Idee?

Dat is een Geschicht von een lütje Dörp an de Küst, ünnern Diek, an de See.
Dor weer eenmal een lütje Dörp an de Küst, an de See, ünnern Diek,
De levt as all de annern hier, harn arme Lüüd und Riek.
Se plögt dat Land, se melkt de Köh, plannt Kohl und Sellerie.

Dat eenzige, wat anners weer, dat weer de Superie.
De Düwel, de har Konjunktur, de Pastor plagt sick krumm.
De Dörpslüd leepen jeden Dag mit´n Haarbüdel rum.
Fröh an´n Morgen güng dat los, bet Middag weer´n se duhn

Und de Paster predigt jeden Dag: "Laßt ab, ihr solltet Buße tun!"
So güng dat denn een lange Tied, de Lüüd sehn gräsig ut.
De Paster dacht: "Nu is genug, de Alkohol mutt rut!
Denn nächste Week is Kindsdööp hier, dat paßt mi allerbest.
Dor verdarv ick jüm de Superie op so een heilig Fest."

To Kindsdööp keem dat ganze Dörp, de Paster mittenmang.
Un he keekt vull Tofredenheit den grooten Disch henlang.
Bloß Kaffeetassen mit dick Rahm, keen Alkohol to sehn
un Torten, Stuten, Groschenstück, dat mutt een Wunner ween.

De Kaffeeschlacht, de weer in Gang. De Lüüd, de sing’n een Leed.
De erste schmitt sien`n Kaffee um, ´n Stück Tort fallt op ehr Kleed.
Dor knippt een Deern een Kirl in´t Been, de Frunslüd kreiht as dull
un de Paster denkt: "Hier stimmt wat nich, hier is doch mannigeen all vull."

He kiekt na links, he kiekt na rechts, em kümmt wat in de Sinn.
De Kaffee von de Naberslüüd, mag ween, dor is wat in.
He grapscht de Tass vun de linke Siet un drinkt se hastig leer.
He grapscht de Tass vun de rechte Siet un bölkt: "Ihr Pharisäer!“

So keem de Schwindel an de Dag, de Pharisäer to sien Naam.
Wi alle drinkt em hüt noch gern mit babenop dick Rahm.
Doch schallst du bi dat Umröhren nich de Rum na baben holen,
anners markt de Paster von den Rum und du mußt de Zech betolen.

Und die Moral von der Geschicht: Mit einem Pastor säuft man nicht.
Und sollte er zugegen sein, leg auf den Kaffee Sahne
und hau den Rum ganz unten rein.

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