BULLI-LEGENDE
An sich war die Idee des niederländischen VW-Importeurs Ben Pon gut! Immerhin hat sie ja seit 1948 auch viele Millionen Mal bewiesen, dass sie ihren Zweck erfüllt... mit luftgekühlten Boxermotoren im Heck.
Irgendwann Ende der 1970er Jahre muss jedoch jemand den Auftrag bekommen haben, dem mittlerweile als T3 bezeichneten Modell einen wassergekühlten Motor zu verpassen. Nachdem sich der VW-Konzern lange gegen diesen Trend gewehrt hatte, holte man den 50-PS-Dieselmotor des GOLF (inzwischen bewährt bei Fahrzeugen der DEUTSCHEN POST) aus dem Regal und pflanzte ihn dem Bulli ins Heck. Es steht auf einem ganz anderen Blatt, wie diese Maschine mit der großen, schweren Karosserie des Transporters zurecht kam - darum soll es hier jedoch nicht gehen. Jedenfalls hatten es sich die Ingenieure mit dieser Transplantation offenbar recht leicht gemacht. Grob gesagt kam an die Front des Bullis eine rechteckige Öffnung für einen Kühler und ein paar fette, lange Kunststoffrohre führten das Kühlwasser von hinten nach vorne - so wurde der Transporter von seinen studierten Schöpfern in die Zukunft entlassen! Fortan hielt die Wasserkühlung in allen Motorvarianten Einzug in Bullihecks. Ab 1982 gab es sie deshalb dann nur noch wassergekühlt.
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Kaum jemand registrierte allerdings, welche Dramen sich seitdem in den engen Motorräumen der Bullihecks zutrugen. Wie in einem schlecht belüfteten Fitness-Studio rackerten sich die Motoren dort redlich ab. Obendrein wurde jedoch ständig mehr Leistung gefordert. Denn der Verkehr auf den Straßen wird (noch heute) kontinuierlich schneller. Einem ungebrochenen allgemeinen Trend folgend hat die Menschheit immer weniger Zeit, lebt stets hauptsächlich auf der Überholspur (der Spur der Gewinner) und bevorzugt überwiegend die schnellste Gangart. Unbändige Beschleunigung und Geschwindigkeitsrausch werden zum Maß für Coolness und zum offen zur Schau gestellten Ausdruck der eigenen dynamischen Lebenseinstellung. Schnell gilt speziell ein Diesel-Bulli als lahm oder wird als "Wanderdüne" verspottet. Bulli-Gaspedale kennen meist nur zwei Stellungen: unberührt oder Vollgas. Stetiger Volllastbetrieb bedeutet jedoch den frühen Tod eines jeden Motors. Unglaublich viele Transporter-Maschinen erreichten daher nichtmal die 100.000- Kilometermarke.
Welche Entwicklung der Automobilmarkt inzwischen genommen hat, zeigen die technischen Daten aktueller Transporter - sie verfügen werksseitig über maximal 235 PS (mit einem 3,2 Liter V6-Motor!) und erreichen trotz ihres beachtlichen Gewichts von gut 2,5 Tonnen Geschwindigkeiten von über 200 km/h. Obendrein floriert natürlich der Tuningmarkt durch Firmen wie ABT, MTM, HGP, RSL, BBM oder HS-Motorsport. B&B Automobiltechnik verspricht z.B. 400 PS, Oettinger sogar 500 PS für den VW T6. Ich behaupte mal, dass solche Rennmaschinen durch die abartige (im wahrsten Sinne des Wortes) Motorisierung ihrer guten, ehrlichen Seele beraubt sind und nichts mehr mit dem eigentlich Urgedanken von Ben Pon zu tun haben.
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Ausgereift sind im Übrigen ja nichtmal die serienmäßigen Bullis ab Werk. Kaum bleibt solch ein teures Fahrzeug nämlich mal liegen, verweigern die zur Hilfe gerufenen Fachleute vorzugsweise fluchtartig ihre Unterstützung - begrüßender Ausruf eines gelben Engels (ADAC) anlässlich einer Hilfeaktion an unserem REDSTAR: "Ein Glück! Es ist KEIN T5 oder T6, sondern ein T3!" Ich weiß von freien KFZ-Werkstätten, die eine Reparatur an T5 oder T6 mittlerweile kategorisch ablehnen.
Wie kommt das eigentlich? Hört man genau zu, dann erfährt man, dass bei der Entwicklung dieser Fahrzeuge die zuständigen Ingenieure wohl offenbar häufig Rosinen im Kopf hatten. Wie ist es sonst zu erklären, dass ihre Erfindungen irgendwie nicht zuende entwickelt sind? Sie sind gut angedacht, aber dann nicht zuende gebracht... oder funktionieren nur theoretisch, sind praktisch wohl kaum ausreichend getestet. Den Herrschaften Ingenieuren fehlt es in breiter Front mutmaßlich an praktischer Erfahrung. Kommt das davon, wenn man frisch von der Uni ins Planungsbüro kommt und keinerlei praktische Erfahrung hat? Und das passiert in Deutschland, das doch so stolz auf seine Ingenieurskunst sein möchte!
Das war aber offensichtlich bereits früher schon so. Sonst wäre den studierten Fachleuten beispielsweise doch aufgefallen, dass sie bei der Umrüstung von Luft- auf Wasserkühlung in einem Bulli mit Heckmotor wesentlich mehr technischen Aufwand hätten betreiben müssen. Der Motor sitzt im Heck eben NICHT im kühlenden Luftstrom des Fahrtwindes. Alle Bullimotoren leiden seit dieser Fehlentwicklung unter thermischen Problemen. Im direkten Einfluß von veränderten aber vorhersehbaren Anforderungen durch Belastung, Beschleunigung und Dauergeschwindigkeit spiegelt das Ergebnis eine ungenügende Leistung der Ingenieure wider. Und so sucht man verzweifelt nach den möglichen Gründen für dieses Versagen. Hatten die Schöpfer etwa zu wenig Zeit? Fehlte ihnen Geld für vernünftige Lösungen? Wollte der Konzern auf diese Weise Reparaturquoten pushen? Mich verwundert besonders, dass auch Transporter aus dieser Zeit inzwischen einen enormen Kultstatus erreicht haben - trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer bekannten Unzulänglichkeiten?
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Anlässlich unseres Urlaubs im letzten Jahr (2016) nervte unser REDSTAR mit Trunksucht! Nein, er verbrauchte nicht zuviel Diesel - er verbrauchte Wasser. Gern hätte ich an dieser Stelle berichtet, dass es mir gelungen ist, seinen Motor ausschließlich mit Wasser zu betreiben. Leider ist dem nicht so. Vielmehr konsumierte der Multivan das kühle Nass auf Nimmerwiedersehen. Zunächst verdächtigte wenige Tage vor dem anstehenden Urlaub unsere Werkstatt vor Ort einen undicht gewordenen Heizungsregler. Da dieses Ersatzteil nur noch bei VW-Classic-Parts erhältlich und der Versand jedoch nicht unter einer Woche möglich ist, wurden wir trotzdem in den Urlaub geschickt. Voraussetzung war allerdings, dass wir die Heizung nicht benutzen sollten. Auf einer Fahrt ins sonnige Sizilien sollte das kein Problem darstellen. Nach 500 Kilometern Urlaubsfahrt vermeldete die rote Kontrollleuchte des Kühlsystems allerdings erstmalig (schon wieder) eine eklatante Unterschreitung des Kühlwasserstandes. Ich hatte in weiser Voraussicht einen Kanister mit Wasser dabei... er war zukünftig etwa alle 450 Kilometer im Einsatz - man gewöhnt sich ja an alles! Trotzdem hat's genervt!
Wieder zurück aus dem Urlaub ließen wir den Heizungsregler unverzüglich austauschen. Danach kam das Fahrzeug direkt zum "Winterschlaf" in die Garage. Im Sommer danach reisten wir mit unserem REDSTAR nach Wolfsburg zum "Bulli Summer Festival". Dabei legten wir gut 500 Kilometer zurück. Anschließend folgte noch ein Besuch bei meiner Tochter und ihrer Familie im 120 Kilometer entfernten Aurich/Ostfriesland. Wenige Kilometer nach dem Start zur Heimfahrt blinkte wieder die bekannte rote Kontrolllampe - wieder fehlte Kühlwasser. Da der Sommerurlaub (wieder Sizilien) bevorstand, entschieden wir, der Sache genau auf den Grund gehen zu lassen. Dazu brachte ich unseren Bulli in die Werkstatt von Jürgen Jülke in Brockum, die hier in der Gegend als DIE Bulli-Fachwerkstatt bekannt ist. Bei Jürgen hatte ich 2012 den REDSTAR gekauft, er hatte auch schon diverse Reparaturen (damals z.B. am Turbolader) vorgenommen.
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Er brachte das Bulli-Kühlsystem unter Druck und wartete mehrere Stunden, ob es diesen Druck halten würde. Das Ergebnis versprach leider nichts Gutes. Der Druck fiel ab, das System drückte jedoch nirgendwo sichtbar Wasser heraus (keine Pfütze unterm Auto). Irgendwo musste das Wasser durch den Druck aber ja bleiben. Und Jürgen vermutete, dass es einen Riss im Zylinderkopf gab, durch den das Wasser in den Motorblock oder gar in einen Zylinder gelangte.
Eine bittere Diagnose!Wenn der Zylinderkopf rissig ist, könnte man ihn ersetzen - Jürgen riet davon ab. Der Motor hat mittlerweile weit über 280.000 Kilometer abgespult - andere Turbodiesel wären nichtmal nur halb so alt geworden bzw. wären nichtmal halb so weit gekommen. Insbesondere eine behutsame Fahrweise habe unserem Motor ein biblisches Alter beschert, so mein Bullispezialist. Wenn der Zylinderkopf zwar erneuert wird, hat der Motorblock jedoch ebenfalls eine beachtliche Laufleistung hinter sich. Sicherlich haben auch hier die außerordentlich vielen Kilometer Verschleißspuren hinterlassen. Niemand kann vorhersagen, wie lange das noch gut geht. |
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So knapp ist es also von einer unentdeckten Inkontinenz bis zu einem massiven Herzfehler. Was rät nun der Experte? Jürgen empfiehlt eine Herztransplantation. Und es gibt mehrere Möglichkeiten. Zu einem JX-Motor, also zu einem 1,6 Liter Turbodiesel - wie gehabt - würde er nicht wieder greifen. Ruckzuck treten dieselben (thermischen) Probleme wieder auf. Diese Motorisierung passt nicht wirklich gut zum Bulli (das hätten die Planer damals auch schon kleinlaut zugeben müssen!). Einem typischen TDI-Umbau steht mein Bulli-Experte ebenfalls skeptisch gegenüber - bei dieser Option sorgen einige (vor allem elektronische) Bauteile für widerliche Baustellen im Fahrzeug. Außerdem wird es für diese Motorisierung Probleme beim (von uns im Jahre 2022 angestrebten) H-Kennzeichen geben.
KFZ-Meister Jürgen rät zum AAZ-Motor. Dafür kommt ein 1,9 Liter Turbodiesel, seinerzeit in VW Golf, Vento, Passat, T4, Audi 80, Seat Ibiza, Seat Cordoba, Seat Toledo oder Skoda Felicia in Betracht. Laut meinem Bulli-Spezialisten fahren bereits unzählige Bullis seiner Kundschaft mit dieser Konstellation. Seit Jahrzehnten, ohne Probleme, viele über Hunderttausende von Kilometer. Durch diesen ansonsten baugleichen Motor gäbe es auch keine Probleme mit dem Gutachten als historisches Fahrzeug.
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PROFI AM WERK
Zusätzlich profitiert diese Lösung von Jürgen's Produktforschung. Bereits vor Jahren hatte er sich ausgiebig mit detailierten Problemlösungen am Bulli-Motor beschäftigt. Dabei war es stets sein Ziel, dort thermische Probleme zu vermeiden oder zu vermindern. Frühe, eigene Versuche gaben beispielsweise Einblick in die Fließgeschwindigkeit der Kühlflüssigkeit durch die beiden dicken Kunststoffrohre vom Motor hinten zum Kühler vorn - tatsächlich nicht wesentlich schneller als eine Schnecke. Man zweifelt zurecht an Sinn und Wirksamkeit dieses werkseitig verbauten Kühlsystems. Folglich erhöht in Jürgens modifizierter Version eine andere Wasserpumpenriemenscheibe den Durchfluß. Er empfiehlt außerdem einen Ölkühler (hat unser REDSTAR damals schon von mir erhalten) sowie einen Ladeluftkühler.
Auch die Diesel-Einspritzanlage und der Turbolader (beide vom JX-Motor) werden optimal auf die neue Motorisierung abgestimmt. Mit diesem Paket wird der REDSTAR zukünftig über einen wesentlich souveräneren Antrieb verfügen. Gleichwohl hätte man diese Optimierungen damals auch von den VW-Ingenieuren erwarten dürfen!
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In unseren Sommerurlaub bringt uns kurzerhand das Audi-Cabrio. Eigentlich wollte ich ja sizilianische Fliesen mitbringen - doch Olivia droht zu fliegen, wenn ich den Bodenbelag für 20 Quadratmeter im Cabrio transportiere.
Nachdem ich sie noch einige Male mit meinem Transportgedanken geärgert habe, werden die inzwischen ausgesuchten Fliesen von einer Spedition nach Deutschland gebracht. Ein bisschen anders ist so ein Urlaub schon, wenn man den überschwenglichen Platz eines T3 mit dem eher übersichtlichen Platzangebot eines Cabrios vergleicht. Wir sind da wohl etwas verwöhnt! Doch schließlich hat ja auch dieser Sizilienurlaub mit unserem Cabrio seine Vorzüge. |
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Als wir wieder zuhause sind, ist beim Bulli mal gerade der alte Motor ausgebaut. Jürgen entschuldigt sich mit dem krankheitsbedingten Ausfall seines wichtigsten Mitarbeiters. Dessen Blasen- und Nierensteine liegen der schnellen Reparatur unseres Autos im Wege. Das Tagesgeschäft in der Werkstatt muss der Chef nun selbst erledigen. Das Projekt AAZ-Motor für den REDSTAR zieht sich hingegen wie Kaugummi. |
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Doch irgendwann dürfen wir den Rekonvaleszenten abholen. Es stellt sich jedoch heraus, das der Ladeluftkühler noch fehlt. Außerdem rammt Jürgen beim Rausfahren aus der Werkstatt im Streß mit der hinteren GFK-Stoßstange gegen einen Stapel Winterreifen - die Stoßstange ist eingerissen und hängt schief herunter. Na ja - wir müssen ja sowieso nochmal wieder kommen... wegen dem Ladeluftkühler (den Jürgen jedoch erstmal besorgen muss).
Zwei oder drei Wochen später hat unser REDSTAR wieder einen Termin bei Jürgen. Eigentlich geht es ja nicht um viel... nur um den Ladeluftkühler und die GFK-Stoßstange. Doch drei Wochen später weilt der Multivan immer noch in der Werkstatt. Nun ist der Lehrling krank geworden...
Ich mag schon gar nicht mehr nachfragen... und Weihnachten rückt bedrohlich näher. Das hat jetzt zwar nicht unbedingt mit der Reparatur des Bullis zu tun, ist aber irgendwie ein psychologisches Ziel. Jürgen ist die Dauer dieses Einsatzes mittlerweile peinlich... auch er hätte den Wagen gern zu Weihnachten von der Bühne. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er sein Arbeitspensum trotz Krankenstandes irgendwie doch noch in den Griff kriegt.
So wurde nun also aus der eigentlichen Spätsommergeschichte (für die Reparatur waren ursprünglich etwa zwei Wochen angesetzt) eine Weihnachtsgeschichte... zu der unser Videoclip "For all our friends" - unsere Interpretation von Chris Rea's "Driving Home for Christmas" - perfekt passt. Na denn, frohes Fest! |
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Nachtrag:
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Alte Autos und Urlaub... sind bei Weitem nicht alle Themen, über die ich hier erzähle.
Andreas Kernke
Übersetzung - Translation - Traduzione - Översättning - Tłumaczenie - перевод
Freitag, 22. Dezember 2017
TOO HOT - Ingenieursleistungen, thermische Probleme... und unsere coole Lösung
THEMATIK:
Autos allgemein,
VW Bulli
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