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Samstag, 23. September 2017

CORPI SICILIANI

Spätsommer, fast Herbst auf Sizilien. Es scheint beinahe, als könnte man das Nachglühen des Sommers noch spüren. In den letzten drei Jahrzehnten habe ich unzählige Sommer auf der großen Mittelmeerinsel erlebt, in denen man nicht barfuß über den kochend heißen Asphalt hätte schreiten können, ohne sich gehörig die Fußsohlen zu verbrennen. Wobei... der Asphalt hier ist aus einer ganz anderen Mischung hergestellt, als der in Deutschland - der wäre bei sizilianischen Sommertemperaturen nämlich nur noch eine klebrige schwarze Pampe, die sich unter dem Gewicht des Verkehrs nicht mehr als Straße bezeichnen ließe.
Di fronte a Villa Ravità, Menfi
Im September brennt die Sonne jedoch nicht mehr ganz so unbarmherzig auf alles herab. Statt über die 40°C-Marke, schafft es die Quecksilbersäule tagsüber kaum noch über 30°C, pendelt meistens um die 25°C. Der Natur kann man aber allerorten die vergangene Gluthitze noch anmerken.
Wir cruisen heute durch Castelvetrano. Knapp 70 Kilometer südlich von Trapani, etwa ein Stunde von Palermo - ein paar Kilometer westlich liegt nur noch Mazara dell Vallo und Marsala. Unser Audi-Cabriolet benötigt unbedingt eine neue Tankfüllung feinsten "SENZA PIOMBO"-Benzines (zu Deutsch: Bleifrei), damit der gullernde Fünfzylinder uns weiterhin so störungsfrei über die Insel zieht, wie er das bisher gemacht hat. Auf der Suche nach einer Tankstelle registriere ich einen winzigen Augenblick aus dem Augenwinkel großflächig rostendes Blech hinter Metallgittern. Nachdem wir uns kräftig über die wirre Preisauzeichnungspolitik der ESSO-Tanke geärgert und noch kräftiger bezahlt haben (1,72 pro Liter statt 1,51 wie ausgezeichnet!), kehre ich nochmal zum Platz des Rostes zurück.
Kann man das als Schrottplatz bezeichnen? Es scheint so, als hätte dieser Platz vor Jahren mal als Altautohandel seinen Anfang genommen. Hier stehen Fahrzeuge, die zum letzten Mal in ihrem Leben für Geld den Bezitzer hätten wechseln sollen... dann allerdings irgendwie in Vergessenheit gerieten. Offensichtlich fehlte es dem Betreiber dieses KFZ-Handels an Marketing-Kenntnissen, vielleicht schwächelte jedoch für Fahrzeuge dieser Art, dieses Alters, dieses Zustands der Absatzmarkt. Das alles dürfte jedenfalls schon lange her sein. Und Fahrzeuge, die ein paar Jahre schutzlos der sizilianischen Sommerhitze ausgesetzt sind, quittieren das überaus deutlich. Am Zustand ihres Lackes lässt sich jedenfalls deutlich zu erkennen, dass Lackhersteller damals wie heute mit der Eigenschaft der UV-Beständigkeit offenbar noch lange nicht am Ziel sind.
Lackschäden sind das Eine. Rost ist das Andere. Man könnte ja meinen, dass es in Süditalien aufgrund des stets gnädigen Wetters an Autos kaum Durchrostungen geben dürfte. Der Blick auf manche der hier erlegenen Karosserien belehrt schnell eines Besseren. Alles, was Autokenner schon immer als besonders korrosionsempfindlich bezeichnet haben, macht diesem Ruf hier alle Ehre.
Platz 1 der Rost-Hitparade - mir war irgendwie nicht bewusst, dass Autos SO vom Rost zerfressen werden können - müssen sich dieser orangefarbene Fiat 131 Mirafiori (1974–1984)...
... und die cremefarbene Alfa Romeo Giulia Super 1,3 (1962–1978) teilen:
Bilder des Grauens
Platz 2 meiner Rost-Hitparade nimmt dieses Lancia Fulvia Coupé (1965–1970) ein... also jedenfalls das, was davon noch übrig geblieben ist:
Platz 3 belegt ein zu seiner Zeit typisch deutsches Modell: ein Opel Kadett B Coupé (1965–1973) in sonnengegerbtem Silber:

Die weiteren Plätze sind durch unterschiedliche Zustände und Alter schlecht zu vergeben...

z.B. ein  Opel Rekord P2 (1960–1963) mit ordentlich Patina:
Dieser rassige Talbot Matra Bagheera (1977–1980) war bestimmt mal ein Eyecatcher:
Hier dösen auch Fahrzeuge ihrem Ende entgegen, die ich noch nie glaube gesehen zu haben. Zum Beispiel dieser (wohl sehr seltene) Fiat 850 Vignale (1964-1973)...
... oder so ein in Deutschland eher seltener Lancia Flavia Berlina (1967–1970):
... ein paar witzige Strand-Buggys:
... coole Anordnung der Stereo-Lautsprecher
... natürlich eine Alfa-Sammlung:
Alfa Romeo Alfasud Sprint (1976–1983)
Alfa Romeo Alfasud (1981-1984)
Alfa Romeo 33 (1983–1990)
Alfa Romeo 75 (1985–1988)
... die obligatorische Fiat-Ecke:
Fiat Nuova 500 (1957–1975)
... man beachte das verkokelte Kombiinstrument!
Fiat 850 (1964–1973)
Fiat 850 (1964–1973)

Fiat 850 Coupé (1968 - 1971)
Fiat 1100 (1953–1970)
Nur (m)eine Vermutung: Fiat 1400 (1950–1958)... wohl der Älteste hier auf dem Platz - auf jeden Fall der Geschundendste!
Aber auch die üblichen Verdächtigen behaupten sich auf diesem Friedhof der Vergessenen:
Simca 10005 (1961 bis 1978)

Simca 1000 (1961–1968)
Renault R4 (1961–1992)
Innocenti Mini Cooper 
Renault Dauphine (1956 bis 1968)
Auch ein deutscher Vertreter ist anwesend:
Volkswagen Jetta
Was macht DER hier?
Das letzte Gefährt des Paten?
 Jaguar X-Type (2001–2007) ... natürlich mit heftigem Sonnenbrand!
Nun ja... der Leser und Betrachter fragt sich mittlerweile, ob ich im Urlaub nichts Besseres zu tun habe, als verbeultes und arg verrostetes Blech abzulichten. Gegenfrage: wann nehme ich mir zuhause schon mal die Zeit, auf einen Schrottplatz zu gehen und dort zu fotografieren? Vielleicht darüber nachgedacht, dass man Fahrzeuge diesen Alters in "Good Old Germany" nirgendwo mehr auf 'nem Schrottplatz herumstehen hat?

Klar ist es ein bisschen bescheuert, im Sizilienurlaub mit seiner Kamera über einen staubigen Schrottplatz zu stiefeln - aber ich habe die Lizenz dazu... ich bin, wie alle Altblech-Enthusiasten auch, ein bisschen BLUNA... außerdem hat mich dieser kleine Abstecher nicht Tage meiner wertvollen Urlaubszeit gekostet, nichtmal Stunden, sondern vielleicht lediglich eine halbe Stunde.

Tempel, Vulkane, Strände... davon habe ich hier schon mehr gesehen als so mancher Einheimischer. Die hiesigen Sehenswürdigkeiten verschwinden allerdings auch nicht plötzlich! So ein Schrottplatz wird jedoch vielleicht irgendwann mal geräumt. Weil eine Straße verbreitert oder ein Supermarkt gebaut werden soll. Oder weil der Platz mit den alten Autos nicht mehr den Umweltschutzbestimmungen irgendwelcher EU-Politiker genügt. Sizilien, nein - ganz Italien - hat(te) ein ziemlich fieses Müllproblem. Eigentlich alle südeuropäischen Länder kämpfen mit ihrem Müll. Seit ein paar Jahren ändert sich das jedoch spürbar... auch das Müll-Bewußtsein der Bevölkerung nimmt zu.

Als ich mich zum Verlassen des Platzes umdrehe, erspähe ich ein versöhnendes Bild. Ein rotes Fiat 850 Sport Coupé in gepflegtem und angemeldetem Zustand! Siehste - die Sizilianer schmeißen doch nicht alles nur weg - auch sie fangen an, alte Werte zu pflegen.

Hat vielleicht jemand zufällig Interesse an einem Fiat Mirafiori oder einer Alfa Romeo Giulia, einem Fiat 850 Coupe oder einem Alfasud, einem sehr seltenen Fiat 850 Vignale, oder einem Lancia Fulvia Coupé oder doch vielleicht am Talbot Matra Bagheera? Vielleicht kann ich ja vermitteln...!


Wenn mich jemand sucht... ich bin jetzt am Strand!
Fiat 850 Sport Coupé (1971–1972)

9 Kommentare:

  1. 131 Mirafori Racing Abarth... na der hat einen tollen 2 Liter Lampredi Motor den ich gerne hätte... ;-)

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    1. Oh - soviel Hintergrundwissen hab ich gar nicht. Dass da hinten "Racing" drauf steht, hab ich für typisch "dicke Hose" ohne was dahinter gehalten.
      Soll ich mal fragen, ob die den Motor verkaufen? Für kleines Geld?

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  2. Der Platz ist in der Tat ein toller Fund. Ich entdecke ein halbes Dutzend Wagen, die mich interessieren würden. Der Autobianchi A110, der Sud, nicht zuletzt aber der Fiat 850 Vignale.

    Steht da ein Ford A Coupe zwischen?

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  3. Moin Nils,

    prima, dass Dir meine Story über diesen Platz gefällt. Wenn Du möchtest, verrate ich Dir, wo genau die urige Sammlung zu finden ist. Und klar, da stehen Fahrzeuge, die haben es wahrscheinlich nichtmal auf deutsche Schrottplätze gebracht, weil sie einfach zu selten auf deutschen Straßen unterwegs waren. Deshalb fand ich diese Geschichte mit ihren Bildern ja so erwähnenswert.

    Das Ford A Coupé ist übrigens in Wahrheit ein Ford A Cabrio. Da aber Vorkriegsautos so gar nicht mein Thema sind, ist die alte Kiste in meinen Beschreibungen irgendwie hintenrüber gefallen. Ich hatte lediglich registriert, dass das gute Stück reichlich unoriginal verbastelt ist... genauer hingesehen habe ich jedoch leider nicht.

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  4. Ich habe auf Kreta auch mal einen Schrottplatz mit einigen Perlen gefunden. Leider war dort niemand anzutreffen, bis auf einen großen Hund ;-)

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  5. Gerade noch einmal die Fotos angesehen. Solche Plätze werden mich sicher mein Leben lang faszinieren. DEnke mal, dort hat sich zwischenzeitlich nicht verändert, oder?
    Und dann der noch recht neue Jaguar dazwischen (oder der Vignale, oder...), wie so einige andere dort einst mit Stolz gegönnt, und dann auf dem Platz gestrandet ...

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    1. Buongiorno Nils,

      ich bin da vor wenigen Wochen wieder vorbei gefahren - die Zeit steht dort still, nichts ändert sich! Es ist schon eine seltsame Stimmung. Hat tatsächlich ein bisschen von einem Friedhof. Man spürt förmlich die Endlichkeit... alles vergeht... nichts ist für die Ewigkeit. Man kommt ins Grübeln.

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  6. Hallo Nils, wir sind gerade in castellvetrano und ich habe deine Story gelesen. Verrätst du mir, wo dieser Schrottplatz ist?

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    1. Hallo Unknown,

      ich bin zwar nicht der Nils, aber ich verrate Dir trotzdem, wo der Schrottplatz ist.

      Er befindet sich direkt an der SS 115. genauer gesagt der
      Via Marinella 115 in 91022 Castelvetrano TP.

      Viel Spaß dort!

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